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ZurückDie zukünftige Politikgestaltung in Europa war das Thema einer gemeinsamen Veranstaltung von AK EUROPA, dem ÖGB Europabüro, dem DGB und der Friedrich-Ebert-Stiftung am 19.6.2019. Über die Frage, wie eine Europäische Union aussehen kann, die nicht nur auf Krisen reagiert, sondern aktiv als Problemlöserin agiert, diskutierten VertreterInnen von Politik und ArbeitnehmerInnen gemeinsam mit Prof. Björn Hacker.
In seiner Eröffnungsrede rief Oliver Röpke, Leiter des ÖGB Europabüros und Präsident der ArbeitnehmerInnen-Gruppe im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, dazu auf, die progressiven Kräfte in Europa zu bündeln und gemeinsam neue Projekte und Wege zu diskutieren. Vor allem forderte er mehr europäische Mindeststandards und eine Aufwärtskonvergenz, um Lohn- und Sozialdumping entgegenzutreten und die soziale Dimension Europas zu stärken. Denn soziale Standards sollten in Zukunft das Fundament der Europäischen Union bilden und nicht mehr nur als Flankierung dienen. Auch die neue strategische Agenda der EU, welche eine wichtige Grundlage für die Arbeit in der kommenden Legislaturperiode darstelle, war ihm ein besonderes Anliegen. Diese bleibe bisher weit hinter den Erwartungen für ein soziales Europa zurück und weise besonders im Bereich der Europäischen Säule sozialer Rechte Defizite auf, so Röpke.
Prof. Björn Hacker stellte im Rahmen der Veranstaltung sein Buch „Weniger Markt, mehr Politik“ vor und plädierte dabei für mehr Mut bei der Politikgestaltung. Denn die Diskussion um mehr oder weniger Europa greife bei weitem zu kurz. Laut Hacker sind keine radikalen Umbrüche notwendig, sondern konkrete Projekte im Rahmen der europäischen Verträge, von denen alle BürgerInnen profitieren. Außerdem müsse die Marktgläubigkeit endlich aufgegeben werden, da sich in vielen Bereichen, wie beispielsweise im Binnenmarkt oder der Eurozone, gezeigt habe, dass sich keine Automatismen entwickeln, die den Markt vollenden. Stattdessen forderte er ein progressives Vorgehen mit einem Modell, das den Markt rahmt und in gewissen Bereichen begrenzt. Die Eurozone müsse als Fiskalunion krisenfest gemacht werden und es gelte, die Verbindlichkeit der Europäischen Säule sozialer Rechte zu erhöhen. Mit dieser Herangehensweise soll verhindert werden, dass die EU nur in Krisenzeiten weitreichende Maßnahmen setzt.
Gaby Bischoff, neue Abgeordnete im Europäischen Parlament (S&D), sieht durch die Nutzung sozialer Medien und des Internets eine Möglichkeit, verstärkt für europäische Themen zu werben. Nur durch eine breite Diskussion in den Mitgliedstaaten und eine gemeinsame Diskussion auf EU-Ebene, in der alle PartnerInnen eingebunden werden, kann Fortschritt in den großen Fragen Europas erzielt werden. Bischoff plädierte dafür, bei Themen wie Lohn- und Sozialdumping nicht nur zu reagieren, sondern an den Ursachen zu arbeiten.
Oliver Dreute, Berater im European Political Strategy Centre der Europäischen Kommission, hob als eine der größten Herausforderungen für die Zukunft der EU die Unterschiede in den Wohlstandsniveaus der Mitgliedstaaten hervor. Ein Vorantreiben der Angleichung des Wohlstands ist aus seiner Perspektive dringend notwendig, da auf lange Sicht derartige Unterschiede in einem gemeinsamen Markt und einer gemeinsamen Währungsunion zu weitreichenden Problemen führen würden.
Stefan Körzell, Mitglied im geschäftsführenden Bundesvorstand des DGB, betonte die Bedeutung der europäischen Idee, stellte aber gleichzeitig fest, dass im sozialen Bereich vieles geändert werden müsse. Die derzeitige Diskussion über die Zukunft Europas sollte daher weniger über Personalfragen geführt werden, sondern die Inhalte und drängenden Fragen im Sozialbereich müssten in den Vordergrund gerückt werden. Körzell regte an, die Idee eines „Europäischen Marshallplans“ wieder aufzugreifen, der ein langfristig angelegtes Investitions- und Aufbauprogramm für alle EU-Länder bieten soll. Neben der Bedeutung von Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Dekarbonisierung strich er auch das Thema Wohnen hervor, das bereits jetzt ein soziales Spannungsfeld in vielen europäischen Ländern darstelle. Hier müsse der Staat nachhaltig eingreifen und er rief zur Unterzeichnung der laufenden europäische BürgerInneninitiative „Housing for All“ auf.
Weiterführende Informationen:
Politisch gestalten statt an den Markt glauben: Wie Europa rehabilitiert werden könnte
AK EUROPA: Leistbares Wohnen in Europa mit der BürgerInneninitiative „Housing for All“
AK EUROPA: Perspektiven für ein soziales Europa