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Im Rahmen der Veranstaltung von AK und ÖGB Europa wurde am 27.03. diskutiert, wie der neue Vorstoß der Europäischen Kommission zur Digitalsteuer zu bewerten sei. Zu Gast waren mit Milena Mathé von der Europäischen Kommission und Giorgia Maffini von der OECD zwei Vertreterinnen der wichtigsten Foren in internationalen Steuerfra-gen – beide präsentierten ihre Lösungsvorschläge. Am Podium debattierten auch Eve-lyn Regner, Abgeordnete im EU-Parlament, und Dominik Bernhofer, Leiter der Abteilung Steuerrecht der AK Wien. Angesichts der technisch und politisch hochkomplexen Lage war man sich einig: Es ist Zeit für groß gedachte Lösungen.

 

Gleich zu Anfang der Diskussion legte Giorgia Maffini, stellvertretende Leiterin der OECD-Steuerabteilung, die Ausgangslage im globalen Kontext dar: Zwar existiert mittlerweile ein starkes öffentliches Bewusstsein rund um die Problematik der Besteuerung digital agierender Unternehmen, bezüglich der internationalen Steuerpolitik lässt sich darauf aber kaum eine einfache Antwort finden — weder technischer noch politischer Natur. Rückenwind erhielt die OECD jedenfalls beim Treffen der G20-FinanzministerInnen am 19./20.03.2018 in Buenos Aires. Auf Anregen der G20 beschlossen 110 Länder die Einigung auf eine gemeinsame Vorgehensweise bis spätestens 2020. Maffini präsentierte die zentralen Ergebnisse des Berichts „Tax Challenges Arising from Digitalisation 2018“. Der besagt, dass eine Erosion der Steuerbasis in OECD-Ländern deutlich zu beobachten ist: Nationale Zuständigkeitsgrenzen werden immer leichter überwunden. Es gibt Schwierigkeiten bei der Zuordnung von immateriellen Leistungen, und eine fehlende Wertschöpfungsabgabe erschwert die Besteuerung der neuen, digitalen Unternehmen ohne physische Präsenz.

 

Milena Mathé, Analystin für Steuergerechtigkeit der Generaldirektion der Kommission für Steuern und Zollunion (DG TAXUD), präsentierte anschließend den am 21.03.2018 vorgestellten Kommissionvorschlag zur „Fairen Besteuerung der digitalen Wirtschaft“. Damit sollen die Fragmentierung des digitalen Binnenmarktes möglichst bald verhindert und die erheblichen Marktungleichheiten beseitigt werden. Denn digitale Unternehmen tragen heute durchschnittlich gerade einmal 9,5 % Steuerlast, während „klassische“ Unternehmen 23,2% zahlen. Die Kommission plant ein Vorgehen in zwei Schritten: Zuerst soll übergangsweise eine Körperschaftssteuer auf die digitale Wertschöpfung bei 250 digitalen multinationalen Großkonzernen mit einem Jahresumsatz von über 750 Millionen Euro eingehoben werden. Das brächte bei einem Steuersatz von 3 % EU-weit circa 5 Milliarden Euro Zusatzeinnahmen. Im zweiten Schritt soll längerfristig das Konzept der „digitalen Betriebsstätte“ realisiert werden: Sofern eine „steuerwürdige digitale Präsenz“ feststellbar ist, wird die Körperschaftssteuer im Zielland fällig, egal wo das Unternehmenssitz sich dann geographisch befindet.

 

Bei der Diskussion erklärte Evelyn Regner, EU-Abgeordnete der europäischen S&D-Fraktion und seit vielen Jahren im EP Parlament bei Steuerfragen aktiv, dass sie, wie auch die Mehrheit im Parlament, stark hinter der Digitalsteuer stehe. Die Arbeit der Kommission lobte sie in diesem Zusammenhang. Das hochkomplexe Steuerthema muss laut Regner aber ganzheitlich angegangen werden – die Zusammenführung mit der gerade im Verhandlung befindlichen Gemeinsamen Konsolidierten EU-Körperschaftbemessungsgrundlage (GKKB) sei besonders wichtig. Sie äußerte sich zuversichtlich, dass Staaten wie Irland oder Luxemburg, die innerhalb des Rates bei Steuerfragen häufig mit einem Veto drohen, bei diesem Thema zur Vernunft kommen: „Den Staaten zerrinnt die Steuerbasis zwischen den Fingern.“ Letztlich ist es wichtig, dass alle – von der Zivilgesellschaft bis zu klassischen Unternehmen –an einem Strang ziehen.

 

Dominik Bernhofer, Leiter der Abteilung Steuerpolitik der AK Wien, sprach sich ebenfalls für eine ganzheitliche Perspektive in Hinblick auf die Digitalisierung aus: „Die Digitalisierung passiert in der Mitte der Gesellschaft.“ Zwar zeigte er sich grundsätzlich über den Kommissionsvorschlag erfreut, kritisierte aber einige offensichtliche Schwächen. Die als Übergangslösung gedachte Interimssteuer könnte nämlich bewirken, dass der weitaus zielführendere Vorschlag, jener der Einführung des Konzepts der digitalen Betriebsstätte, mitunter stark verzögert werde. Außerdem ziele der Vorschlag darauf ab, den Umsatz zu besteuern, nicht aber den Gewinn, wodurch Unternehmen mit hohen Gewinnmargen weiterhin keine faire Steuerlast tragen würden. Ferner sei bei einer Besteuerung des Umsatzes die direkte Umwälzung der Steuer auf die KonsumentInnen leichter möglich. Ziel muss es aus AK-Sicht daher sein, so schnell wie möglich zur eigentlichen Digitalsteuer überzugehen. Außerdem sollte die Digitalsteuer in den Gesetzesvorschlag zur Gemeinsamen Konsolidierten EU-Körperschaftbemessungsgrundlage (GKKB) integriert werden, um einen möglichst breiten Effekt zu erzielen. Ohne baldige Lösung könne man auch im Rahmen der europäischen verstärkten Zusammenarbeit oder auch national agieren, um den öffentlichen Druck weiter erhöhen.

 

Weiterführende Informationen

PowerPoint-Folien der OECD zum internationalen Steuersystem

PowerPoint-Folien der Kommission (DG TAXUD) zur vorgeschlagenen Digitalsteuer

AK-Newsletter: Kommission schlägt Maßnahmen zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft vor

AK-Policy Paper: Digitalisierung und Besteuerung

Digitalisierung: So kommen wir als Gesellschaft da durch

Fotos der Veranstaltung