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Unter dem Titel „Digital Market or Digital Slavery“ diskutierten diese Woche ein hochrangig besetztes Podium und auch Publikum bei einer Veranstaltung von ÖGB-Europabüro, AK Europa und IG Metall. Der Tenor des Abends ging in eine klare Richtung: Zwar wurden in der Digitalisierung und Ausbreitung von Plattformen vielfältige Chancen und Potentiale erkannt. Allerdings müssen diese besonders arbeits- und sozialrechtlich begleitet werden, um den Wandel und die Produktivitätsfortschritte aus der digitalen Transformation gerecht zu gestalten und zu verteilen.

 

Walter Grahammer, Ständiger Vertreter Österreichs bei der EU, begrüßte das hochrangig besetzte Podium, allen voran Staatsekretärin Muna Duzdar, sowie die Gäste, zu denen neben dem österreichischen Botschafter in Brüssel Jürgen Meindl, ebenfalls Abgeordnete des Europaparlaments wie Karoline Graswander-Hainz (SPÖ) und Evelyne Gebhard (SPD), zählten. Auch Oliver Röpke, Leiter des ÖGB Büros in Brüssel, begrüßte alle Anwesenden und freute sich, dass AK und ÖGB aufbauend auf dem bereits im vergangenen Jahr ausgerichteten Symposium einen weiteren Beitrag zum Thema Digitalisierung und Crowdworking leisten können. Moderatorin Ingrid Steiner-Gashi, Brüssel-Korrespondentin des Kuriers, leitete anschließend die angeregte Diskussion.

 

Muna Duzdar, Staatssekretärin für Diversität, Öffentlichen Dienst und Digitalisierung, betonte, dass Digitalisierung nicht nur ein Thema für IT-ExpertInnen sei, sondern dass es sich dabei um ein höchst politisches Themenfeld handle. Österreich arbeite derzeit an einer Gesamtstrategie für den Umgang mit dem digitalen Wandel und wolle hier konkrete Maßnahmen auf österreichischer sowie europäischer Ebene setzen. Es sei wichtig, Plattformen und Arbeitsverhältnisse entsprechend zu regulieren und auf die Qualität der neu entstehenden Jobs zu schauen: „Das Credo der Freiheit darf nicht dazu genutzt werden, die Arbeitswelt zu deregulieren“, so Duzdar. Qualifikationsprogramme, die sowohl auf das Erlernen digitaler Kompetenzen in der Schule als auch im Berufsleben abzielen, seien dringend notwendig.

 

Esther Lynch, Politische Sekretärin im Europäischen Gewerkschaftsbund, verwies darauf, dass sich die Arbeitsbedingungen insgesamt verschlechtern. Gerade bei Plattformen sei es daher wichtig, diese als Arbeitgeberinnen zu klassifizieren und nicht, wie gerne in Selbstbeschreibungen vorgenommen, als reine Vermittlerinnen zwischen Angebot und Nachfrage zu betrachten. Schließlich würden Plattformen teilweise sehr genau vorschreiben, wie und in welchem Zeitrahmen die Tätigkeit zu erledigen sei. Die kürzlich veröffentlichte Europäische Säule Sozialer Rechte habe das Potenzial, grundlegende Arbeits- und Sozialstandards festzulegen. Allerdings seien noch weitere Anstrengungen nötig. Darüber hinaus müsse auch ein Wandel der Arbeitskultur stattfinden, in der permanente Erreichbarkeit nicht als Voraussetzung oder erstrebenswert gilt.

 

Robert Fuß, Crowdworking-Experte der IG Metall, hob hervor, dass Crowdworker Plattformarbeit oftmals als einzige Chance wahrnehmen würden, sich am Arbeitsmarkt zu beteiligen. Allerdings kamen die Untersuchungen der IG Metall auch zu dem Ergebnis, dass Crowdworker meist schlecht bezahlt werden und soziale Absicherung fehlt. Umso wichtiger sei es, dass Gewerkschaften Zugang zu sogenannten „Soloselbstständigen“ haben und Crowdworker umfassende Koalitionsfreiheit, soziale Absicherung, Rechtssicherheit und eine faire Entlohnung genießen. Dabei sollten jedoch nicht durch spezielle Gesetze ArbeitnehmerInnen zweiter Klasse kreiert werden. Vielmehr müsse bei den Plattformen angesetzt werden. Zwar würden sich die Rahmenbedingungen durch Digitalisierung verändern, jedoch blieben Menschen mit Würde weiterhin TrägerInnen dieser Arbeit.

 

Michael Heiling, Referent und Crowdwoking-Experte der AK Wien, verglich Plattformen mit „schwarzen Brettern“, wie es sie in Pausenräumen von Fabriken oder auch auf der Uni gibt, die aber heute durch die fortschreitende Digitalisierung immer größer, unpersönlicher, kleinteiliger und dynamischer werden. Dadurch würden die Arbeitenden in Konkurrenzsituationen gedrängt: Es entstehen asymmetrische Machtverhältnisse zwischen ihnen und den Plattformunternehmen, die oftmals wie Arbeitsverhältnisse ausgestaltet sind. Wichtig sei es, zwischen gewinnorientierten und auf die Gemeinschaft ausgerichtete Plattformen zu unterscheiden. Wenn die Plattform profitorientiert handelt und die „vermittelte Ware“ die menschliche Arbeitskraft ist, rufe dies arbeits- und sozialrechtliche Probleme hervor – auch wenn Plattformen versuchen würden durch ausgefallene Begriffe wie „pre-boarding“ und „on-boarding“ , Arbeitsverhältnisse zu verschleiern. Anders als häufig suggeriert sind Plattformen kein freier Marktplatz. In der Regel sind sie hochgradig und bis ins Detail reguliert, jedoch nicht von demokratisch legitimierten Institutionen, sondern durch Allgemeine Geschäftsbedingungen privater PlattformbetreiberInnen.

 

Auch das Publikum verfolgte angeregt die Diskussion und brachte am Ende weitere Aspekte von Crowdwoking zur Sprache. So standen angesichts der globalen Dynamik von Plattformen Fragen nach einer europäisch oder gar international organisierten Gewerkschaft im Raum. Auch wurde diskutiert, wie es gelingen kann potentielle DigitalisierungsverliererInnen gerecht in die digitale Transformation miteinzubeziehen.

 

Weiterführende Informationen:

Informationsseite zur Arbeit in der Gig-Economy

AK-Positionspapier: Crowdwork und plattformbasierte Arbeit

Themenseite der Arbeiterkammer: arbeit.digital

Positionspapier der AK zum Digitalen Binnenmarkt

Visionspapier der AK: Wie gestalten wir den digitalen Wandel gerecht?

Fotos der Veranstaltung