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ZurückDie Wasserressourcen in Europa stehen unter Druck: Während sich Dürren, Hitzewellen und Hochwasser häufen, drohen Wasserknappheit und Qualitätsverluste zu einem strukturellen Risiko für Gesundheit, Umwelt und Wirtschaft zu werden. Am 4. Juni 2025 hat die EU-Kommission eine neue Wasserresilienzstrategie vorgestellt, die eines der drängendsten Themen unserer Zeit ins Zentrum rückt: den Schutz und die nachhaltige Nutzung unserer Wasserressourcen.
Wasserknappheit, Umweltverschmutzung und Extremwetter sind längst keine Randphänomene mehr – sie sind in vielen Regionen Europas bittere Realität. Vor diesem Hintergrund soll die Strategie zum umfassenden Schutz der Wasserressourcen, zu einer effizienteren Nutzung und zur Wiederherstellung des natürlichen Wasserkreislaufs beitragen. Es gilt, sauberes und leistbares Wasser für alle zu sichern und eine widerstandsfähige Wasserwirtschaft in Europa zu fördern. Potenzielle Nutzungskonflikte werden aber ausgespart.
Nur 40 % der Gewässer in gutem Zustand: Ein Weckruf
Die Ausgangslage ist alarmierend: Nur etwa 40 % der europäischen Oberflächengewässer erreichten 2021 einen "guten ökologischen Zustand". Noch kritischer sieht es beim chemischen Zustand aus, hier sind es gar nur rund 27 %. Verantwortlich dafür sind neben Industrieeinleitungen vor allem sogenannte Ewigkeitschemikalien (PFAS), Rückstände aus der Landwirtschaft und eine jahrzehntelange Übernutzung natürlicher Wasserressourcen.
Hinzu kommen die Folgen des Klimawandels – Extremwetterereignisse, anhaltende Trockenperioden, sinkende Grundwasserspiegel – und ein Anstieg städtischer Überflutungsrisiken durch versiegelte Flächen. Kurz gesagt: Europas Wassersysteme sind überfordert. Ohne tiefgreifenden Wandel droht nicht weniger als eine schleichende Erosion der Wassergrundversorgung – mit massiven wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Folgen.
Die Wasserresilienzstrategie: Was die EU-Kommission konkret vorlegt
Die Strategie ist Teil eines größeren politischen Rahmens, sie wurde gemeinsam mit einem Europäischen Pakt für die Meere (European Ocean Pact) vorgestellt. Die dahinterstehende Idee: Wasser muss als elementarer Bestandteil der ökologischen Transformation verstanden werden. Saubere und verfügbare Wasserressourcen sind nicht nur Lebensgrundlage, sondern auch ein Antriebsfaktor für Wirtschaft und Innovation.
Die Strategie umfasst erste Eckpfeiler und Empfehlungen, die die Mitgliedstaaten bis 2027 bzw. 2030 bei der Umsetzung einer resilienteren Wasserbewirtschaftung unterstützen sollen. Dafür plant die EU-Kommission konkrete Maßnahmen entlang mehrerer Säulen: Steuerung und Umsetzung, Investitionen, Digitalisierung und KI, Forschung und Innovation sowie Sicherheit und Vorsorge. Konkret geht es um die Verbesserung der Wasserqualität, Investitionen in moderne Infrastrukturen zur Wasserspeicherung und -aufbereitung, den Ausbau der Wasserwiederverwendung, eine stärkere Digitalisierung der Wasserwirtschaft, Schutzmaßnahmen gegen Hochwasser und Dürre sowie gezielte Maßnahmen gegen landwirtschaftliche Verschmutzung.
Starke Beteiligung – aber keine verbindlichen Vorgaben
Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Betonung der Souveränität und der Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten. Die Strategie sieht keine starren Vorgaben vor, sondern setzt auf maßgeschneiderte Empfehlungen – je nach Ausgangslage und Fortschritt im jeweiligen Land. In vielen Ländern besteht nach wie vor erheblicher Nachholbedarf, insbesondere beim Schutz vor landwirtschaftlicher Verschmutzung oder bei der Umsetzung bestehender EU-Gesetze.
Die EU-Kommission will hier gezielt unterstützen, aber auch den politischen Druck erhöhen. Positiv hervorzuheben ist die breite Beteiligung: Die Strategie wurde in engem Austausch mit Akteur:innen aus Kommunen, Industrie, Landwirtschaft und Zivilgesellschaft erarbeitet. Denn klar ist: Der Wandel hin zu einer nachhaltigen Wasserwirtschaft kann nicht von Brüssel aus verordnet werden. Er erfordert das Engagement aller Akteur:innen.
Die Kehrseite dieses Ansatzes ist jedoch, dass verbindliche Maßnahmen weitgehend fehlen. Zwar sind Anreize, Empfehlungen und Prüfaufträge vorgesehen, etwa zum Umgang mit Dürre oder PFAS, doch konkrete rechtliche Verpflichtungen oder Budgetgarantien sind im jetzigen Stadium nicht enthalten.
Wasserinfrastruktur: Finanzierung bleibt ungelöst
Ein zentrales Problem durchzieht die gesamte Debatte: die Finanzierung. In vielen Ländern fehlen ausreichende Investitionen in die Wasserinfrastruktur. Veraltete Kläranlagen, marode Leitungen, fehlende Speicherungskapazitäten sind an der Tagesordnung. Doch wie diese milliardenschweren Sanierungs- und Modernisierungsbedarfe künftig gedeckt werden sollen, lässt die EU-Kommission weitgehend offen.
Auch die Rolle der privaten Wirtschaft bleibt unklar: Während kommunale Akteure als Schlüsselpartner betont werden, fehlt eine kritische Auseinandersetzung mit den Risiken von Privatisierungen. Dabei liegen gerade hier Erfahrungen aus früheren Jahrzehnten vor, in denen Privatisierung zulasten von Qualität, Leistbarkeit und Transparenz ging. Es wäre fahrlässig, diese Debatte auszuklammern. Öffentliche Wasserversorger sind gemeinwohlorientiert und können auf Krisen reagieren, ohne Marktmechanismen und Gewinninteressen privater Investoren zu unterliegen.
Zudem ist die bisher vorgesehene Finanzierung ernüchternd: Nur rund 15 Milliarden Euro sollen für den Zeitraum 2025-2027 von der Europäischen Investitionsbank (EIB) bereitgestellt werden. Dem stehen jährliche Gesundheitskosten durch PFAS von 52 bis 84 Milliarden Euro (Schätzung für den EWR im Jahr 2019) sowie soziale Kosten der Stickstoffbelastung von 75 bis 485 Milliarden Euro (Schätzung für die EU27 im Jahr 2008) gegenüber. Öffentlich-private Partnerschaften (PPP-Modelle), wie von der EU- Kommission angedacht, setzen hier aus gewerkschaftlicher Sicht mittel- und langfristig die falschen Signale. Mit PPP-Modellen steigt die Gefahr, dass Gewinne privatisiert und Verluste vergemeinschaftet werden. Vielmehr braucht es eine bessere Umsetzung des Verursacherprinzips – damit diejenigen die Kosten tragen, die sie auch verursachen, also Industrie und Landwirtschaft.
Was fehlt? Die Lehren aus der Vergangenheit
Bereits 2023 hatte die EU-Kommission eine erste Initiative zur Wasserresilienz angekündigt – diese verschwand jedoch stillschweigend von der Agenda. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) hat mit seinem Aufruf für einen EU Blue Deal im Oktober 2023 jedenfalls eine sehr gute Vorlage für eine Wasserresilienz-Strategie vorgelegt. Gar nicht angesprochen werden jedoch auch in der aktuellen Initiative der EU-Kommission mögliche Nutzungskonflikte im Falle von Wassermangel und Dürre. Die Haltung der AK dazu ist eindeutig: Vorrang für die Trinkwasserversorgung vor allen anderen Nutzungen.
Ein Hoffnungsschimmer – aber noch kein Durchbruch
Trotz der offenen Baustellen ist die Wasserresilienzstrategie ein erster Schritt in die richtige Richtung. Sie legt ein wichtiges Fundament für eine nachhaltige Wasserpolitik und zeigt, dass Europa das Thema Wasser endlich als strategische Aufgabe begreift. Wasser soll nicht länger als natürliches Gut im Überfluss betrachtet werden, sondern als systemrelevante Ressource, die Respekt, Facharbeitskräfte, Schutz und kluge Steuerung erfordert. Das Konzept der Wasserresilienz, also der Fähigkeit, auf externe Schocks flexibel zu reagieren und dabei die ökologische, soziale und wirtschaftliche Balance zu wahren, könnte sich zu einem Leitprinzip der nächsten Dekade entwickeln.
Entscheidend wird sein, wie konkret und bindend die EU-Kommission in den kommenden Monaten und Jahren nachlegt: Werden klare Zielvorgaben und Fristen formuliert? Kommen echte Investitionspakete auf den Tisch? Und gelingt es, Widerstände aus Einzelinteressen zu überwinden? Nur so wird man es schaffen, gemeinsam mit den Mitgliedstaaten und Kommunen die Grundlage für eine sichere, gerechte und zukunftsfähige Wasserversorgung zu schaffen.
Weiterführende Informationen:
EU-Kommission: Europäische Wasserresilienzstrategie
EU-Kommission: European Water Resilience Strategy (Mitteilung) (nur Englisch)
AK EUROPA: Wasserresilienz in Europa. Mensch und Planet im Mittelpunkt
AK EUROPA: Blue Deal für die EU – ein Plan für die Zukunft unseres Wassers
AK EUROPA: Zugang zu Wasser als Menschenrecht
EU-Parlament: Europas Gewässer - Herausforderungen und Lösungsansätze der EU