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ZurückDer russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat die geopolitische Lage und die Energieversorgung der EU nachhaltig verändert. In den letzten Jahren wurden zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um die Abhängigkeit von russischen Energieimporten zu beenden. Der endgültige Ausstieg soll nun mit der neuen REPowerEU-Roadmap gelingen. Was beinhaltet dieser neue Fahrplan und wie ist die Situation in Österreich?
Als erste Antwort auf die Herausforderungen im Bereich der Energieversorgung hat die EU-Kommission am 8. März 2022 die Mitteilung REPowerEU vorgestellt, am 18. Mai 2022 folgte der detaillierte REPowerEU-Plan. Er zielte darauf ab, die Abhängigkeit von russischen Energielieferungen durch Diversifizierung, Energieeinsparung und den Ausbau erneuerbarer Energien so bald wie möglich zu beenden. Seit 2022 wurde die Abhängigkeit von russischen Energieimporten bereits zu großen Teilen reduziert, indem die meisten Ölimporte verboten und die Erdgaslieferungen eingeschränkt wurden. Dennoch hat die EU seit Kriegsbeginn immer noch mehr als 200 Mrd. Euro für russische Energie ausgegeben, davon etwa die Hälfte für Gas. Die EU-Einkäufe von russischem Flüssigerdgas (LNG) sind in den letzten Monaten sogar gestiegen, trotz der Bemühungen, es durch amerikanische Lieferungen zu ersetzen.
Trotz der deutlichen Verringerung der Abhängigkeit von russischen fossilen Brennstoffen in den letzten Jahren habe die EU auch im Jahr 2024 noch 19 Prozent ihrer Gaslieferungen aus Russland bezogen, sagte EU-Energiekommissar Dan Jørgensen vor der Veröffentlichung der neuen Roadmap. Dies würde nicht nur die Energiesicherheit gefährden, sondern die EU auch anfällig für wirtschaftliche Erpressung und Manipulation machen.
Die schon zu Beginn der Legislaturperiode angekündigte REPowerEU-Roadmap, die die EU-Kommission am 6. Mai vorgestellt hat, soll diesen Trend nun endgültig umkehren und Wege zur vollständigen Beendigung der Einfuhr russischer Energieträger aufzeigen. Bereits Mitte Juni sollen entsprechende Gesetzesvorschläge vorgelegt werden. Der Fahrplan steht in einem komplementären Verhältnis zu anderen kürzlich veröffentlichten Initiativen wie dem Kompass für Wettbewerbsfähigkeit und dem Clean Industrial Deal.
Was ist neu?
Die REPowerEU-Roadmap baut auf dem Plan aus dem Jahr 2022 auf. Im Zentrum steht die schrittweise Beseitigung von russischem Öl, Gas und Atomenergie aus den EU-Märkten. Die EU-Kommission möchte dies so koordinieren, dass die Auswirkungen auf Preise und Märkte möglichst begrenzt bleiben. Bis Ende 2025 soll jedes Land einen nationalen Plan ausarbeiten, in dem dargelegt wird, wie es zu diesem Ausstiegsprozess beitragen kann. Es sollen zukünftig keine neuen Gas-Lieferverträge mit Russland mehr abgeschlossen werden und alle bestehenden kurzfristigen Verträge bis Ende 2025 auslaufen. Bis 2027 möchte die EU-Kommission auch alle langfristigen Verträge und somit alle Einfuhren von russischem Gas vollständig eingestellt haben.
Um dies zu erreichen, muss dieser Prozess mit anderen, nicht-legislativen Maßnahmen einhergehen. Bei einer vollständigen Umsetzung der Rahmenbedingungen für die Energiewende und des Aktionsplans für erschwingliche Energie wird mit einem raschen Anstieg von LNG-Lieferungen bei gleichzeitig sinkender Gasnachfrage gerechnet. Neben der Diversifizierung von Energiequellen soll außerdem die bestehende Infrastruktur besser genutzt und der gemeinsame Einkauf von nicht-russischem Gas besser organisieren werden.
Damit einher gehen auch Maßnahmen gegen die russische Schattenflotte zum Transport von Öl und gegen die Einfuhren von angereichertem russischem Uran. Für neue Lieferverträge zwischen der Euratom-Versorgungsagentur (ESA) und Russland soll es Beschränkungen geben. Stattdessen will man die eigene Produktion in diesem Bereich steigern (SAMIRA Action Plan).
Ungarn blockiert
Der Plan ist ein Mittel, um den Druck auf Russland aufrechtzuerhalten, da die Dynamik für neue, harte Energiesanktionen nachlässt. Insbesondere der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán will alle neuen Energiebeschränkungen blockieren und droht, den gesamten Sanktionsrahmen der EU nicht zu verlängern, was alle sechs Monate einstimmig erfolgen muss. Daher sollen die geplanten Rechtsakte kein neues Sanktionspaket sein, sondern eine andere legislative Form haben. Die Beamt:innen müssen nach Optionen suchen, die nicht die Zustimmung aller 27 EU-Mitgliedstaaten erfordern. Auch das stößt auf Widerstand: Der ungarische EU-Kommissar Olivér Várhelyi legte kurz vor der Vorstellung der Roadmap am Dienstag einen verfahrensrechtlichen Einwand gegen den neuen Fahrplan ein. Dieser Schritt verdeutlicht die Schwierigkeiten, sich hier zu einigen. Die Annahme des Fahrplans ist in diesem Fall jedoch nicht daran gescheitert.
Wo steht Österreich?
Österreich ist von den Vorschlägen nur wenig betroffen, da seit Februar 2022 kein russisches Erdöl und seit dem 1. Januar 2025 auch kein Erdgas mehr direkt aus Russland importiert wird. Indirekte Importe aus Nachbarländern sind allerdings weiterhin möglich. Außerdem ist Kasachstan der Hauptlieferant von österreichischem Erdöl, und dieses wird meist über Russland transportiert. Auch die LNG-Importe aus Russland sind im Vergleich zu 2023 um 12 Prozent gestiegen. Aktuelle Analysen, unter anderem des WIFO, zeigen, dass Österreich einen vollständigen Stopp der russischen Gasimporte kompensieren kann, ohne dass es zu gravierenden Preisanstiegen kommt. Die nicht-legislativen Vorschläge zur Diversifizierung der Gasversorgung und zum Ausbau von LNG sind daher positiv zu bewerten. Es ist jedoch darauf zu achten, dass die Maßnahmen so gesetzt werden, dass damit die EU-Dekarbonisierungsziele nicht konterkariert werden.
Darauf ist jetzt zu achten
Die zentrale Frage aus Sicht der AK bleibt jene nach leistbarer Energie, und zwar sowohl für die Industrie als auch für Haushalte. Das Preisniveau an den Gasbörsen liegt leicht über dem Niveau von vor einem Jahr und ist weiterhin weit vom Vorkrisenniveau entfernt. Gleichzeitig sind die Gasspeicherstände in Europa und Österreich aufgrund des kälteren vergangenen Winters niedriger als im Vorjahr. Dadurch besteht die Gefahr steigender Gaspreise. Gerade für den Gasmarkt sind alternative und diversifizierte Quellmärkte sowie eine gemeinsame Beschaffung die entscheidenden Hebel, um möglichst günstige Preise für die Verbraucher:innen zu garantieren.
Weiterführende Informationen:
EU-Kommission: Die EU plant die vollständige Beendigung ihrer Abhängigkeit von russischer Energie
EU-Kommission: REPowerEU (nur Englisch)
POLITICO: Europe’s final plan to quit Russian energy: Enlist wary execs (nur Englisch)
A&W-Blog: EU-Aktionsplan leistbare Energie: Hoffnung auf leistbare Strompreise?