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ZurückDie 13. Minister:innenkonferenz, welche vom 26. Februar bis 2. März 2024 stattgefunden hat, konnte die Welthandelsorganisation nicht aus ihrer Sackgasse führen. Diese befindet sich schon länger in der Krise und gilt seit 2019 als handlungsunfähig. Die Gründe dafür sind in langjährigen Strukturschwächen zu suchen, die durch die aktuellen geopolitischen Entwicklungen verschärft werden. Ein sozial und ökologisch nachhaltiger Welthandel bleibt weiterhin außer Reichweite.
Bei der 13. Minister:innenkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO) in Abu Dhabi standen viele Themen auf der Agenda, insbesondere auch Subventionen in der Landwirtschaft und Fischerei sowie der blockierte Streitbeilegungsmechanismus der WTO. Nach fünf Tagen schleppender Verhandlungen konnte man sich aber gerade noch auf die Verlängerung des zollfreien Internethandels (E-Commerce) einigen. Nicht einmal zur Weiterführung der Verhandlungen haben sich die 164 Mitgliedstaaten der WTO verpflichtet. Das Scheitern der Konferenz ist vor allem auf Interessensunterschiede zwischen Ländern des Globalen Nordens und Südens zurückzuführen.
WTO zeigte Schwächen von Beginn an
Die WTO wurde nach siebenjährigen Verhandlungen im Rahmen der Uruguay-Runde gegründet und trat 1995 in Kraft. Österreich und die EU sind seit Beginn Mitglied. Das grundlegende Ziel der WTO ist es, einen regelbasierten Welthandel zu fördern, wobei sie aber über kein Mandat zu sozialen Themen oder zu ökologischer Nachhaltigkeit verfügt. Mit der Liberalisierung des Handels zementierten sich Ungleichgewichte zwischen Staaten und soziale Ungleichheiten vielerorts weiter ein.
Kein Wunder also, dass sich die WTO seit der Doha-Runde 2001 in einer Krise befindet. Damalige Verhandlungspunkte in Bezug auf Zölle im Agrarsektor oder zu geistigen Eigentumsrechten (TRIPS) sind bis heute nicht abgeschlossen. Zusätzlich hat die USA ihre bereits länger andauernde Blockade fortgesetzt, indem sie seit 2019 die Entsendung von notwendigen Mitgliedern für die zentrale Rechtsmittelinstanz (Appellate Body) der WTO verweigert.
Globales Handelssystem mit Schieflage
Im Rahmen der 13. Minister:innenkonferenz trat die Unzufriedenheit vor allem seitens Ländern des Globalen Südens erneut zu Tage. Es waren vor allem diese, allen voran Indien, die Einigungen blockierten. Das entspricht dem sich abzeichnenden Trend eines zunehmend selbstbewussten Blocks der Länder des Globalen Südens, der im Geiste einer alten Forderung nach einer Neuen Weltwirtschaftsordnung steht. Dabei werden etwa die Agrarsubventionen des Globalen Nordens von manchen Handelspartnern als ungerecht wahrgenommen, da zugleich Ländern, wie beispielsweise Indien, mit Verweis auf den freien Handel verwehrt wird, Zölle auf den Import von Agrarprodukten zu erhöhen.
Die WTO soll endlich dazu übergehen, einen Aufschwung der Staaten des Globalen Südens zu unterstützen. Der Aufbau lokaler Wertschöpfungsketten benötigt Ausnahmen im WTO-Regelwerk, die die Stärkung landwirtschaftlicher, industrieller und allgemeiner Wirtschaftsstrukturen erlauben. AK und ÖGB fordern eine nachhaltige Ausweitung der Entwicklungshilfen.
Strukturelle und soziale Schwächen der WTO
Zusätzlich zu den Ungleichgewichten zwischen den Staaten kommt es global auch zu einer zunehmenden Prekarisierung in der Arbeitswelt und einer Verfestigung von Ungleichheiten. Möchte die WTO sicherstellen, dass der Welthandel möglichst allen zugutekommt, muss sie endlich auch dessen Auswirkungen auf die Umwelt und soziale Rechte - insbesondere Arbeitsrechte - stärker berücksichtigen. Hier steht jedoch wohl auch ihre strukturelle Schwäche im Weg, nachdem Gewerkschaften und Organisationen der Zivilgesellschaft von den Verhandlungen ausgeschlossen sind. Auch bei der diesjährigen Konferenz wurden Organisationen weiter klein gehalten und ausgeschlossen.
Um gegen die globale Armut anzukämpfen, ist ein gemeinsames Gremium der WTO unter der Einbindung der Zivilgesellschaft und insbesondere der Gewerkschaften notwendig. Darüber hinaus muss der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) endlich ein Beobachterstatus bei der WTO eingeräumt werden und alle IAO-Kernarbeitsnormen sollten Teil der Liste der allgemeinen Ausnahmebestimmungen sein. Gewerkschaftsrechte, ein Diskriminierungsverbot von Frauen und ein Kinderarbeitsverbot müssen daher als elementare Bestandteile einer Sozialklausel im WTO-Vertragswerk sanktionierbar verankert werden.
Ökologische Krise erfordert Friedensklausel fürs Klima
Obwohl der enge Zusammenhang von Handel mit dem Ausstoß von Emissionen und der Zerstörung der Umwelt auf der Hand liegt , findet sich auch in der aktuellen Abschlusserklärung der Minister:innenkonferenz die Umwelt- und Klimakrise mit keinem Wort wieder. Dabei haben vergangene WTO-Streitbeilegungsverfahren Teile von Umweltabkommen, die Auswirkungen auf den internationalen Handel haben, konterkariert und den Vorrang von WTO-Recht gegenüber internationalem Umweltrecht durchgesetzt. Die WTO darf jedoch Maßnahmen zum sozial-ökologischen Umbau nicht länger blockieren. Vielmehr müssen Maßnahmen zur Reduktion der Emissionen vom Streitbeilegungsmechanismus ausgenommen und eine Friedensklausel für das Klima und die Umwelt in den Verträgen der WTO verankert werden.
Öffentliche Interessen müssen rechtlich abgesichert sein
Der neoliberale Zeitgeist während der Gründung des Allgemeinen Übereinkommens über den Handel mit Dienstleistungen (GATS) führte auch dazu, dass wohlfahrtsstaatliche Handlungsspielräume im Bereich öffentlicher Dienstleistungen nur schwach abgesichert sind. Dabei muss den globalen Liberalisierungstendenzen in den Bereichen Gesundheit, Datenschutz, Verkehr, Wasserversorgung oder sozialen Diensten entschieden entgegengewirkt werden. Öffentliche Dienstleistungen müssen rechtssicher von Handelsabkommen ausgenommen werden. Die Reform der WTO sollte neben der Implementierung einer Sozial- und Klimaklausel auch die bestehenden Lücken des GATS-Regelwerks schließen.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: 13. WTO-Minister:innenkonferenz in Abu Dhabi
Ö1 Punkt Eins: Welthandel in der Sackgasse? (zum Nachhören)
AK EUROPA: TRIPS-Waiver lässt weiter auf sich warten
AK EUROPA: Handelspolitische Aussichten für 2023
AK EUROPA: Arbeiterkammer fordert Schutz von Daten und Privatsphäre