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ZurückDie Neugestaltung der wirtschaftspolitischen Steuerung soll bis Ende des Jahres beschlossen werden. Dabei scheint eine Einigung der Mitgliedstaaten noch nicht in Sicht und die Debatte über die EU-Fiskalregeln dürfte zum zentralen wirtschaftspolitischen Thema des kommenden Halbjahrs werden. Aus Perspektive der Arbeitnehmer:innen wird gefordert, dass soziale und umweltpolitische Ziele stärker berücksichtig werden. Für Zukunftsinvestitionen muss ausreichend Spielraum vorhanden sein. Aber auch aus demokratiepolitischer Sicht gibt es dringenden Verbesserungsbedarf.
Die regelgebundene Fiskalpolitik des Stabilitäts- und Wachstumspakts wurde im Gefolge der Eurokrise nochmals verschärft. Tatsächlich hielten die komplexen Defizit- und Schuldenbeschränkungen der Realität aber immer weniger Stand. 2020 stand eine Überarbeitung des fiskalpolitischen Rahmens am Programm. Mit dem Ausbruch der Coronakrise wurde dies jedoch hintangestellt. Statt dessen kam es zur Aktivierung der Ausweichklausel und damit zum Aussetzen der Regeln. Den Staaten wurde so Spielraum eingeräumt, um die notwendigen Ausgaben zu tätigen und die konjunkturellen Folgen der Pandemie abzufedern.
Richtungsstreit rund um die Gestaltung der Fiskalpolitik
Die Überarbeitung der Haushaltsregeln wurde 2022 wieder aufgenommen und im April 2023 präsentierte die EU-Kommission ihren Vorschlag, der unter anderem vorsieht, dass die Mitgliedstaaten Pläne vorlegen, wie sie ihre Schuldenquote reduzieren. Die Debatte rund um die Neugestaltung der Fiskalpolitik dürfte die wirtschaftspolitische Debatte im kommenden Halbjahr bestimmen. Während ein erster Bericht im Ausschuss für Wirtschaft- und Währung des EU Parlaments Ende September erwartet wird, ist eine Einigung unter den Mitgliedstaaten derzeit noch nicht absehbar. Aus einigen Ländern – darunter Deutschland – kommt zum Beispiel ein Nein zu länderspezifischen Regeln, während man in Frankreich und Italien dafür eintritt. Ist die legislative Arbeit zur Reform der Fiskalregeln bis Ende des Jahres nicht abgeschlossen, würden nach der geplanten Aufhebung der Ausweichklausel 2024 wieder die alten Regeln greifen.
Aus Perspektive der Arbeitnehmer:innen wird am aktuellen Vorschlag der EU Kommission unter anderem kritisiert, dass dieser erneut wichtige Zukunftsinvestitionen behindert. Der Europäische Gewerkschaftsbund sieht sogar ein Risiko der Rückkehr zur Austeritätspolitik. Darüber hinaus wird auch gefordert, dass auf eine demokratische Einbettung der Regeln geachtet wird. Darauf wird in einer aktuellen Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung eingegangen, mit bemerkenswerten Ergebnissen.
EU-Fiskalpolitik im Fokus der Demokratiepolitik
Mark Dawson, Professor für EU-Recht an der Hertie School in Berlin, zeigt dabei mehrere Probleme auf und entwickelt Vorschläge, um die europäische wirtschaftspolitische Koordinierung demokratischer zu gestalten. So konzentriert man sich beim Thema nationale Eigenverantwortung vor allem auf die Beziehungen zwischen EU-Kommission und nationaler Regierungsebene. Des Weiteren wird kritisiert, dass Verfahren nur bei Nicht-Einhaltung der Fiskalregeln vorgesehen sind, wohingegen die Ziele der ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit weder an Regeln noch Konsequenzen gebunden sind.
Für demokratischere Fiskalregeln sieht der Autor die Notwendigkeit, nationale Parlamente, organisierte Zivilgesellschaft und Sozialpartner einzubinden. Das ist nicht nur ein Ziel an und für sich, sondern ist auch notwendig, um tatsächlich die nationale Eigenverantwortung stärken, die auf einer breiten Zustimmung der Bevölkerung basiert.
Aber auch auf EU-Ebene soll eine stärkere Beteiligung des EU-Parlaments in den Prozess der wirtschaftspolitischen Steuerung erfolgen. Während die Debatte sehr stark unter nationalstaatlicher Brille stattfindet, kommt der gesamteuropäische Blickwinkel oft zu kurz. Als einzig direkt gewählte Institution auf EU-Ebene soll das Europäische Parlament auch im Bereich der wirtschaftspolitischen Steuerung von einem prüfenden zu einem mitentscheidenden Organ werden.
Demokratisierung für eine ausgewogene Zielsetzung
Eine breitere politische Beteiligung ist schließlich auch notwendig, um eine Ausgewogenheit bei der Berücksichtigung sozialer, ökologischer und fiskalischer Ziele sicherzustellen. In diesem Sinn empfiehlt der Autor zum Beispiel eine verpflichtende Schätzung über die sozial-ökologischen Folgen der geplanten Fiskalpläne. Auch sollten die Effekte der Umsetzung der Fiskalregeln dahingehend evaluiert werden, inwiefern sie die Fähigkeiten der Mitgliedsstaaten beeinflussen, die Klimaziele zu erreichen und die Europäische Säule sozialer Rechte zu erfüllen.
Weiterführende Informationen
AK EUROPA: Förderung von Zukunftsinvestitionen und soziale Ausgewogenheit? Neuer Vorschlag für EU-Fiskalregeln nicht überzeugend
EU-Kommission: Kommission schlägt neue Vorschriften für eine zukunftsfähige wirtschaftspolitische Steuerung vor
FES-Studie: How to democratise Europe’s fiscal rules (Nur Englisch)
Euractive: Hot economic policy autumn (Nur Englisch)