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Erstmaliges Wirtschaftswachstum für alle Mitgliedsstaaten, aber keine Verbesserung für die von der Krise am stärksten Betroffenen in Sicht

Am Montag dieser Woche hat die Europäische Kommission die diesjährige Winterwachstumsprognose (Winter European Economic Forecast) der Generaldirektion für Wirtschaft und Finanzen (DG ECFIN) veröffentlicht. Konkret werden darin zentrale wirtschaftliche Entwicklungen der Union und der Mitgliedsstaaten auf Basis aktueller Daten für 2016, 2017 und 2018 prognostiziert. Leichtes Wachstum und mehr Beschäftigung soll die Zukunft für die EU bringen – ein Ende der Krise für alle ist trotzdem nicht in Sicht.

 

Auf gesamteuropäischer Ebene zieht die Kommission eine leicht positive Bilanz – erstmalig seit 2008 wird für alle Mitgliedsstaaten ein positives Wirtschaftswachstum prognostiziert. So ist für 2017 ein Gesamtwachstum von 1,6% (Ö: 1,6%), bis 2018 1,8% (Ö: 1,6%) des BIPs möglich. Als treibende Faktoren hinter dem Wachstum gelten der nach wie vor niedrige Ölpreis, der niedrige Euro-Wechselkurs und die fiskalpolitischen Maßnahmen der EZB. Innereuropäisch sind aber nicht etwa Investitionen, wie sie vom EFSI (Juncker-Plan) angestoßen werden sollten, der Wachstumsmotor. Vielmehr lässt sich ein Großteil des Wachstums auf privaten Konsum zurückzuführen. Die gesteigerte Kaufkraft wird dem leichten Rückgang der Arbeitslosenrate (auf 9,6% innerhalb der EU, Stand Dezember 2016) und der damit verbundenen höheren Beschäftigungsrate zugeschrieben. Auch die Staatsverschuldung und die öffentlichen Defizite verringern sich durch die gestiegene Beschäftigungsquote, den dadurch gesunkenen Ausgaben für Sozialleistungen und die übrigen Sparmaßnahmen.

 

Selbst die Kommission bleibt in ihrem Bericht verhalten. Zwar gäbe es Zeichen der Entspannung, die dahinterliegenden Faktoren würden aber zu keinem langfristigen Wachstum führen und könnten folglich auch keine echte wirtschaftliche Erholung, die allen EU-BürgerInnen gleichermaßen zu Gute kommt, schaffen. Mit Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung der EU ist zu befürchten, dass die einzelnen Mitgliedsstaaten weiter auseinanderdriften werden. Außerdem bleibt die Arbeitslosigkeit in der EU zu hoch: die Hälfte aller Erwerbslosen ist langzeitarbeitslos, und auch die Jugendarbeitslosigkeit ist kaum gesunken. In Verbindung mit einer steigenden Inflationsrate und den – zumindest in Österreich – steigenden Wohnkosten, bringt das geringe Wachstum kein höheres Pro-Kopf-Einkommen. Die Kommission spricht von extremen Unsicherheiten, die der Brexit, die neue US-Regierung und die anstehenden nationalen Wahlen in den bevölkerungsstärksten Mitgliedsstaaten mit sich bringen. Ein so unsicheres Umfeld wird zu wenige zukunftsweisende private Investitionen antreiben, so die Befürchtung.

 

Seit nunmehr neun Jahren dauert die Krise in der Union weiter an. Den Grund für diese nur schleppende Erholung verortet die Arbeiterkammer maßgeblich im eingeschlagenen Pfad der Austeritätspolitik, was auch kürzlich von den Ökonomen Bibow und Flassbeck in einer Studie für die AK und den ÖGB empirisch belegt wurde. Höchste Zeit also, die Richtung zu ändern. Denn gerade in Zeiten, wo alle sparen, muss der Staat investieren, um die Nachfrage aktiv zu fördern – eine Forderung, wie sie die AK mit der goldenen Investitionsregel schon lange stellt. Als Teil eines systemisch anderen Pakets an ökonomischen, sozialpolitischen und ökologischen Maßnahmen, wie sie der alternative Jahreswachstumsbericht vorschlägt, kann sie gerade in unsicheren Zeiten zu gesamteuropäischen Verbesserungen für alle führen.

 

Weiterführende Informationen:

Winterwachstumsprognose 2017 (in Englisch)

Jahreswachstumsbericht der Europäischen Kommission 2017 (in Englisch)

Alternativer Jahreswachstumsbericht (in Englisch)

Mehr zum EFSI

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