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ZurückInwieweit sind junge LGBT+Q+ Personen am Beginn ihres Berufslebens mit Diskriminierung konfrontiert? Und welche Maßnahmen können helfen, Benachteiligungen aufgrund der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität zu bekämpfen und inklusive Arbeitsplätze zu schaffen? Mit diesen Fragen beschäftigt sich das europäische WE Projekt, dessen Abschlussveranstaltung am 8. Dezember 2021 von AK EUROPA gehostet wurde. Hierbei wurden unter anderem Best Practice Beispiele, ein interaktives Toolkit sowie eine Online-Lernplattform vorgestellt.
Diskriminierungen aufgrund der Geschlechtsidentität und der sexuellen Orientierung stellen weiterhin ein drängendes Problem dar, mit welchem Menschen in ganz Europa tagtäglich konfrontiert sind. Im Jahr 2019 gaben 43 % an, in den letzten 12 Monaten Diskriminierung erfahren zu haben. Jede:r fünfte Befragte ist außerdem von Diskriminierung am Arbeitsplatz betroffen und jede:r zehnte Befragte fühlte sich bei der Jobsuche benachteiligt. Vor diesem Hintergrund widmete sich das WE Projekt in den letzten eineinhalb Jahren den Diskriminierungserfahrungen junger LGBT+Q+ Personen in Europa, welche am Beginn ihres Arbeitslebens stehen – mit dem Ziel, diese jungen Menschen in ihren Ressourcen und Bewältigungsstrategien zu stärken. Des Weiteren soll das Projekt Fachleuten Hilfestellungen bieten und politische Entscheidungsträger:innen sowie soziale Stakeholder:innen einbinden.
In ihrer eröffnenden Präsentation merkte EU-Parlamentarierin Estrella Durà Ferrandis (S&D) an, dass sich das Bekenntnis zu Anti-Diskriminierung innerhalb der Europäischen Säule sozialer Rechte im Grundsatz der Chancengleichheit wiederfinde. Um Diskriminierung in der EU zu bekämpfen, brauche es vor allem eine stärkere Gesetzgebung, so Durà Ferrandis. Außerdem betonte sie, dass Gleichheit am Arbeitsplatz mit Gleichheit in gesellschaftlichen Bereichen einhergehen müsse. In dieser Hinsicht verwies Durà Ferrandis auf die Anti-Diskriminierungsrichtlinie aus dem Jahr 2008, welche Gleichstellung in allen Lebensbereichen zum Ziel hat. Diese Richtlinie werde jedoch leider durch den Rat blockiert, obwohl deren Umsetzung maßgeblich zu umfassender Gleichstellung in der EU beitragen könnte.
Darauffolgend gab Daniel Schönherr (SORA Institut) einen Überblick über das gesamte Projekt sowie die Ergebnisse des Projektes, infolgedessen die Studien und deren Ergebnisse im Detail präsentiert wurden. Matej Horvat (Comenius Universität Bratislava) stellte eine vergleichende Analyse bestehender Anti-Diskriminierungsgesetze in der EU vor. Horvat hielt fest, dass das Prinzip der Nicht-Diskriminierung in den Verträgen der Europäischen Union zwar grundsätzlich verankert sei und in mehreren Richtlinien der EU Niederschlag fände. Da Geschlechtsidentität in den Richtlinien jedoch nicht als Grund für Diskriminierung erwähnt wird, führe dies in der Praxis zu unzureichendem Schutz für trans- und intersexuelle Personen.
Igor Grabovac (Medizinische Universität Wien) stellte Best Practice Beispiele vor. Hierbei wurden Institutionen identifiziert und analysiert, welche sich für Diversität am Arbeitsplatz einsetzen. Die meisten Best Practice Initiativen finden sich hierbei im NGO-Bereich sowie bei Großunternehmen. Die untersuchten Maßnahmen umfassen unter anderem Programme, um Vorurteilen am Arbeitsplatz entgegenzuwirken, sowie Strategien, um die Sichtbarkeit von LGBT+Q+ Personen zu verbessern. Bezüglich der Unternehmen sei jedoch zentral, so Grabovac, dass diese inklusive und sichere Arbeitsplätze nicht nur bewerben und am Papier fördern, sondern auch tatsächlich konkrete Maßnahmen setzen und im Sinne der Unternehmenskultur implementieren.
Radhika Seiler-Ramadas (Medizinische Universität Wien) stellte im Anschluss die Feldforschung des Projekts vor. Während ein Drittel der befragten, jungen LGBT+Q+ Personen angab, Diskriminierung ausgesetzt zu sein, wird ein Großteil der Vorfälle gar nicht gemeldet, auch weil die Befragten nicht über Anlaufstellen zur Meldung von Diskriminierung informiert sind. Seiler-Ramadas betonte hierbei, dass Diskriminierung ein tief verwurzeltes gesellschaftliches Problem darstelle, mit teils verheerenden psychologischen Folgen für die Betroffenen. Unerlässlich seien daher sowohl Inklusionsmaßnahmen, um Diversität am Arbeitsplatz zu fördern, sowie starke Anti-Diskriminierungsgesetze.
Abschließend wurden von Laura Llop Medina (Poblienestar Universität Valencia) und Maja Šarić (Forum for Freedom in Education) ein interaktives Toolkit sowie eine Online-Lernplattform präsentiert. Das interaktive Toolkit richtet sich vor allem an Arbeitgeber:innen und stellt eine frei verfügbare Sammlung von Best Practice Initiativen dar, welche die Inklusion von jungen LGBT+Q+ Personen am Arbeitsmarkt fördern und Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung oder der Geschlechtsidentität entgegenwirken können. Die Online-Lernplattform ist ebenfalls frei zugänglich und in sechs Sprachen verfügbar. Sie wurde mit dem Ziel entwickelt, sowohl junge LGBT+Q+ Personen als auch Menschen, die mit diesen arbeiten, zu sensibilisieren und informieren. Außerdem sollen über die Lernplattform die Schlüsselkonzepte eines inklusiven Arbeitsplatzes vermittelt werden.
Weiterführende Informationen:
WE Project: Promoting work based equality for LGBT+Q+ youth (nur Englisch)
WE Project: Synthesis Report (nur Englisch)
AK Wien: Diskriminierungserfahrungen in Österreich