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In der ersten Septemberwoche wurde im Rahmen einer Diskussionsrunde in Brüssel eine neue Studie vorgestellt, die Licht auf die unterschiedlichen Pensionssysteme für SchwerarbeiterInnen in Europa wirft. Denn die Tatsache, dass in den letzten Jahren große Anstrengungen zur Erhöhung des Pensionsantrittsalters unternommen wurden, stellt gerade diese ArbeitnehmerInnen vor besondere Probleme.

 

Pensionsregelungen für SchwerarbeiterInnen erfassen in den untersuchten Ländern diverse Arbeitsverhältnisse mit erschwerter physischer Belastung und/oder Arbeit in gefährlichem Arbeitsumfeld – von spanischen StierkämpferInnen bis zu Minen- oder StahlarbeiterInnen in ganz Europa. Je nach Land umfasst diese Gruppe 1 bis 4 % der Arbeitsbevölkerung bzw. 5 bis 8 % aller PensionistInnen. Tatsächlich von Schwerarbeit betroffen sind vermutlich viel mehr.

 

In der Mehrzahl der europäischen Länder haben in der jüngsten Vergangenheit Reformen darauf abgezielt, Vergünstigungen für den Pensionsantritt von SchwerarbeiterInnen zu kürzen und deren Lebensarbeitszeit dadurch zu verlängern. In diesem Zusammenhang wurden die Anspruchsvoraussetzungen angehoben, die Beitragssätze erhöht und die Regelungen auf weniger Berufe beschränkt. Wie mehrere GewerkschaftsvertreterInnen bei der Veranstaltung richtig feststellten, handelte sich dabei eindeutig um neoliberale Sparmaßnahmen auf Kosten dieser ohnehin schon besonders belasteten ArbeitnehmerInnen.

 

In vielen Ländern erhalten SchwerarbeiterInnen deshalb niedrige Pensionen – oft unterhalb des durchschnittlichen Pensionsniveaus. Dies hat dazu geführt, dass viele den Pensionsantritt nach hinten verschieben müssen oder auch in der Pension auf Arbeitseinkommen angewiesen sind. In diese Richtung geht auch das österreichische System von Abschlägen bei frühzeitigem Pensionsantritt von Schwerarbeitern. Frauen sind davon aktuell noch nicht betroffen, da sie mit Vollendung des 60. Lebensjahres die Alterspension abschlagsfrei beanspruchen können. Der erschwerte Zugang zu den Pensionen für SchwerarbeiterInnen in allen Ländern wurde außerdem fast nie von Maßnahmen begleitet, die eine längere Lebensarbeitszeit überhaupt erst ermöglicht hätten: Etwa einer aktiven Arbeitsmarktpolitik, die für Wachstum und Arbeitsplätze sorgt, und Maßnahmen, die Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz fördern.

 

Aus Sicht der AK sollte der Zugang zu Pensionen für SchwerarbeiterInnen deshalb nicht weiter erschwert werden. Denn in diesem Zusammenhang darf vor allem nicht vergessen werden, dass auch die Lebenserwartung von SchwerarbeiterInnen deutlich niedriger liegt als beim Durchschnitt der Gesamtbevölkerung und diese viel öfter unter gesundheitlichen Problemen leiden. Weitere Kürzungen bei diesen ArbeitnehmerInnen wären deshalb besonders ungerecht und sind aus Sicht der AK abzulehnen.

 

Dies zeigt einmal mehr die Bedeutung eines guten gesetzlichen Pensionssystems – insbesondere auch für diese Gruppe von Beschäftigten. Denn wie eine Diskussionsveranstaltung der AK EUROPA gezeigt hat: der Vergleich zwischen den Pensionssystemen in Deutschland und Österreich macht sicher, dass nur die gesetzliche Pension den Lebensstandard im Alter nachhaltig sichern kann. Denn Deutschland ist vom primären Ziel der Lebensstandardsicherung durch die gesetzliche Pension abgerückt und hat versucht diese so genannte erste Säule durch eine freiwillige betriebliche (zweite Säule) und eine private Vorsorge (dritte Säule) zu ergänzen. Als Folge sind über 40 % der zukünftigen PensionistInnen in Deutschland von Altersarmut bedroht.

 

Vorstöße, wie jene der Europäischen Kommission über ein europaweites individuelles kapitalgedecktes Pensionsprodukt (Pan-European Personal Pension Product, PEPP), das eindeutig auf eine Stärkung der individuellen privaten Vorsorge abzielt, sind deshalb skeptisch zu beurteilen. Solche Produkte sollten allen voran ergänzend, nicht jedoch ersetzend wirken.

 

Tatsächlich zeigt ein Blick auf die Realitäten der Arbeitswelt, dass es schon heute in vielen Berufen schwierig ist, den Pensionsantritt gesund und ohne Abschläge zu erreichen. Gerade für SchwerarbeiterInnen sind altersgerechte Arbeitsplätze in vielen Branchen nicht vorhanden oder gar möglich. Das Schwarzbuch Rente mit 70 des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) bringt diese Problematik in mehr als vierzig eindrucksvollen Portraits auf den Punkt.
Dem AK EUROPA Büro stehen Exemplare zur Verfügung, die wir gerne an (die ersten) Interessierten vergeben. Bei Interesse bitten wir um ein Mail mit dem Betreff „Schwarzbuch Rente“ an office@akeuropa.eu.

 

Weiterführende Informationen:

Studie Retirement regimes for workers in arduous or hazardous jobs in Europe

AK EUROPA: Rentenperspektiven – Deutschland und Österreich im Vergleich

Studie Alterssicherung in Deutschland und Österreich: Vom Nachbarn lernen?

AK EUROPA: Private Altersvorsorge – ein zweifelhaftes neues Modell auf europäischer Ebene

AK-Informationen zur Schwerarbeitspension in Österreich