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ZurückAm 29. Mai 2019 fand im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) ein öffentliches Hearing zum verbindlichen UN-Vertrag über Wirtschaft und Menschenrechten statt. Im Vorfeld der im Oktober stattfindenden nächsten Verhandlungsrunde auf UN-Ebene kamen nun ExpertInnen aus der Wissenschaft sowie VertreterInnen der SozialpartnerInnen und NGOs zu Wort, um ihre Sicht auf das Abkommen darzulegen.
Um schwere Menschenrechtsverletzungen durch Konzerne zu verhindern und den Opfern Zugang zum Recht zu gewähren, wurden in den vergangenen zwei Jahrzehnten unterschiedliche Ansätze auf internationaler, regionaler und nationaler Ebene initiiert. Ein globaler verbindlicher Rahmen fehlt jedoch bis dato. 2014 hat der UN-Menschenrechtsrat daher eine Resolution zur Schaffung eines verbindlichen UN-Vertrages über Wirtschaft und Menschenrechte verabschiedet. Ein erster Entwurf für das Abkommen (sog. „zero draft“) wurde 2018 präsentiert. Während das EU-Parlament in mittlerweile zwölf Resolutionen ein verbindliches Abkommen gefordert hat, haben sich die Kommission und die Mitgliedstaaten bislang in den Verhandlungen nicht für einen UN Vertrag stark gemacht, sondern eine beobachtende bis kritische Position eingenommen.
VertreterInnen der Wissenschaft, ArbeitnehmerInnen und NGOs für ein Abkommen
Thomas Wagnsonner (AK Niederösterreich, Berichterstatter im EWSA) plädierte in seiner Einleitung dafür, Menschenrechtsverletzungen nicht länger zu ignorieren und ein gutes Leben für alle zu ermöglichen. Beispielhaft wies er auf den Abbau von Mineralien im Kongo für Batterien in Smartphones und E-Autos oder den Einsatz von Kinderarbeit in indischen Steinbrüchen hin, zu deren AbnehmerInnen Unternehmen aus Deutschland und im Vereinigten Königreich zählen. Carlos López (International Commission of Jurists) trat dafür ein, dass die rechtliche Verantwortung den Unternehmen auferlegt werden müsse. Die beträfe sowohl die zivil- als auch strafrechtliche Verantwortung.
Auch Phil Bloomer (Business & Human Rights Research Centre) würdigte den Vertrag als ein gutes Instrument, um Menschenrechte auch in den Fokus der Wirtschaft zu rücken. Er unterstrich die Rolle der EU, welche dazu angehalten sei, den Vertrag mitzugestalten, sodass sich das ungleiche Machtverhältnis zwischen Unternehmen und ArbeitnehmerInnen nicht weiter vergrößere. Nina Pineau (Leuven Centre for Global Governance Studies) stellte die für das Europäische Parlament erstellte Studie „Access to legal remedies for victims of corporate human rights abuses in third countries” vor. In dieser Studie wurde ein Mapping von 35 Fällen von Menschenrechtsverletzungen vorgenommen, in welche sehr große, europäische Konzerne involviert waren.
Rebekah Smith (BusinessEurope) äußerte seitens der Wirtschaft Bedenken zu einem verbindlichen UN-Vertrag. Es könne zum Abzug von Unternehmen kommen und der Vertragstext sei zu vage formuliert. Auch gelte es nicht nur, Unternehmen in die Pflicht zu nehmen, sondern auch Staaten. Makbule Sahan (International Trade Union Confederation) wies darauf hin, dass der bisherige freiwillige Ansatz die Probleme der Globalisierung nicht lösen konnte und trat für einen breiten Anwendungsbereich des Abkommens ein. Dazu ergänzend forderte Claudia Saller (European Coalition for Corporate Justice), dass der Vertrag eine Unterstützung für Opfer sein müsse und die Möglichkeit von Sammelklagen gegeben sein müsse. Auch von Unternehmensseite gäbe es Unterstützung für das Projekt, was ein wichtiges Signal sei. Notwendig sei es – so Saller – auch staatliche Unternehmen in die Pflicht zu nehmen. Abschließend verdeutlichte Rene Pamplona (Convergence of Initiatives for Environmental Justice Philippines) die Folgen der Geschäftstätigkeit transnationaler Konzerne im Bergbau auf den Philippinen für die Luftqualität, die Zerstörung der Natur und die Arbeitsbedingungen und wies auf die fehlenden Sanktionsmechanismen hin.
AK-ÖGB-Brief an EWSA: Klares Bekenntnis zu UN Binding Treaty
Für einen erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen zum Abkommen wäre es äußerst wichtig, dass sich die EU mit geeinter Stimme klar für ein Abkommen ausspricht. AK Präsidentin Renate Anderl und ÖGB Präsident Wolfgang Katzian haben dieses Anliegen auch noch einmal in einem Brief an die zuständigen EntscheidungsträgerInnen im EWSA unterstrichen. In dem Brief fordern AK und ÖGB unter anderem die Einführung von gesetzlichen Sorgfaltspflichten, den Zugang zu fairen und effektiven Rechtmitteln, grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den Staaten sowie die Schaffung eines Durchsetzungsmechanismus, welcher über die Einhaltung des Abkommens wacht.
Weiterführende Informationen:
Programm und Unterlagen des EWSA-Hearings
AK-ÖGB-Brief zum Binding Treaty zu Unternehmen und Menschenrechten
A&W Blog: UN-Menschenrechtsabkommen soll Konzerne unter Kontrolle bringen – wo stehen wir heute?
AK EUROPA: Internationale Kampagne fordert neue Spielregeln für Großkonzerne