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ZurückÜber 150 europäische Organisationen, Gewerkschaften und sozialen Bewegungen setzen sich mit der am 22. Jänner 2019 gestarteten Kampagne „Rechte für Menschen, Regeln für Konzerne - Stopp ISDS!“ gegen Sonderklagerechte von Konzernen und für verbindliche Regeln ein, mit denen Konzerne weltweit für Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft gezogen werden können. Die Kampagne wurde in diesen ersten Stunden bereits von mehr als 200.000 Personen unterzeichnet.
Das Problem mit Konzernklagen
Vor wenigen Jahren haben Millionen von Menschen in ganz Europa gegen das geplante Handelsabkommen der EU mit den USA (TTIP) demonstriert. Ein Hauptkritikpunkt dabei waren privilegierte Konzernklagerechte, die vor Schiedsgerichten und damit unabhängig von nationalen Gerichten verhandelt werden konnten (ISDS, kurz für Investor-State Dispute Settlement). Mit diesen haben Konzerne die Möglichkeit den Staat zu verklagen, wenn dieser Gesetze erlässt, die die Investitionen der Konzerne gefährden bzw. weniger rentabel machen. Grund für die rund 900 Konzernklagen in der Vergangenheit waren unter anderem Umweltschutzgesetze, Arbeitsrechtsgesetze oder Gesundheitsregelungen. Konkret verklagte zum Beispiel der schwedische Energiekonzern Vattenfall die Bundesrepublik Deutschland aufgrund des Atomausstiegs. Konzerne müssen jedoch nicht zwangsläufig eine Klage einreichen oder diese gewinnen, damit eine Regierung von einem Gesetzesvorschlag Abstand nimmt. Es kann bereits die bloße Androhung von Forderungen im Millionen- und Milliardenbereich reichen, wie Beispiele aus Kanada zeigen.
Die Arbeiterkammer kritisiert: Internationale Konzerne haben ein extrem gut ausgebautes Netzwerk und ein umfangreiches Vermögen und damit Zugang zu TopanwältInnen, tausenden LobbyistInnen und einer gut funktionierenden Marketingmaschinerie, um ihre Rechte und Interessen zu schützen. Warum also auch noch ein Parallel-Justizsystem?
Nach einer enormen Protestwelle der Zivilbevölkerung gegenüber den Schiedsgerichten möchte die EU-Kommission diese nun reformieren und einen globalen, ständigen Gerichtshof für Investitionsstreitfälle einrichten, das sogenannten Multilateral Investment Court (MIC). Auch dieser hätte den Zweck, Staaten auf Schadensersatz zu verklagen und wäre nur für Konzerne und InvestorInnen zugänglich.
„Menschen brauchen mehr Rechte, Konzerne brauchen Regeln!“
Daher fordern die UnterzeichnerInnen der Kampagne einerseits, dass sich die EU und ihre Mitgliedsstaaten aus bestehenden Investitionsabkommen zurückziehen, die ein privilegiertes Konzernklagerecht enthalten und künftig keine Verträge dahingehend mehr abschließen. Anderseits fordern die über 200.000 UnterstützerInnen weltweite, verbindliche Regeln, mit denen auch internationale Konzerne bei ihren globalen Tätigkeiten zur Verantwortung gezogen werden können. Großkonzerne agieren mit undurchsichtigen Eigentums- und Lieferkettenstrukturen, was der globalen Gewinnmaximierung dient und gleichzeitig eine rechtliche Verantwortung erschwert. Dadurch können sie häufig selbst bei schwerwiegenden Menschrechtsverstößen und Umweltzerstörung, wie beispielsweise Landgrabbing und Vertreibung, großflächiger Luftverschmutzung, Zwangsarbeit, Gewalt und Auftragsmorden nicht oder nur äußerst schwer belangt werden. Aus diesem Grund setzen sich Organisationen auf der ganzen Welt für ein verbindliches Abkommen zur menschenrechtlichen Verantwortung von Unternehmen (UN-Binding Treaty) ein. Dieses hat zum Ziel, die Machtverhältnisse zugunsten der Menschen zu verändern, damit (1) lokale Gemeinschaften aus dem globalen Süden die Möglichkeit bekommen, international tätige Konzerne in Ländern wie Frankreich, Deutschland oder Großbritannien zu verklagen. Das Abkommen würde (2) festlegen, dass Konzerne für ihre Vergehen haftbar gemacht werden können und (3) die Sorgfaltspflichten für Konzerne sowohl auf EU- als auch auf nationaler Ebene gesetzlich geregelt würden. Konzerne müssten dadurch sicherstellen, dass die Menschenrechte auch in Auslandsgeschäften und entlang der globalen Wertschöpfungskette geachtet werden.
Die Macht der Großkonzerne bröckelt
Trotz heftigem Widerstands von Konzernen und wohlhabenden Staaten wurde ein erster Entwurf des UN-Binding Treaty bereits zur Diskussion veröffentlicht. Während KritikerInnen des Abkommens zunächst die Diskussion verweigerten, werden die Angriffe nun schärfer, indem sie das Mandat der Arbeitsgruppe in Frage stellen. Auch sie merken, dass das Thema inzwischen zu groß ist und nicht länger ignoriert werden kann. Das EU-Parlament hat inzwischen elf Resolutionen verabschiedet, die das Binding Treaty oder eine Mitarbeit daran unterstützen. Auch einzelne EU-Mitgliedsstaaten erarbeiten gerade Gesetze für die Sorgfaltspflicht von Konzernen. So sind nach französischem Recht seit 2017 Konzerne mit mehr als 5.000 Angestellten dazu verpflichtet, menschenrechtliche Risiken auch entlang der Wertschöpfungskette zu identifizieren und abzuwenden. Das heißt, es ist das Momentum gegeben, Sonderklagerechte abzuschaffen und somit die weitreichenden Privilegien der Konzerne einzuschränken. Für die, die sich gerne aktiv beteiligen wollen, gibt es weitere Informationen auf der Website der Kampagne.
Weiterführende Informationen:
Menschenrechte schützen – Konzernklagen stoppen!
AK EUROPA: Multilateraler Investitionsgerichtshof (MIC): Sonderrechte ohne Pflichten