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Die Europäische Kommission wird beim umstrittenen Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP) wieder aktiv. Diese Woche präsentierte sie „neue“ Ideen, wie Streitigkeiten zwischen Konzernen und Staaten in Zukunft gelöst werden sollen. Das bisher vorgesehene ISDS-Modell wird bekanntlich von Gewerkschaften und Zivilgesellschaft entschieden abgelehnt.

Bei der Streitbeilegung zwischen Unternehmen und Staaten handelt es sich um eines der umstrittensten Kapitel im geplanten Freihandelabkommen zwischen der EU und den USA. In vielen bisher abgeschlossenen Handelsabkommen sind Mechanismen vorgesehen, wonach Konzerne Staaten klagen können, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen. Ein Mechanismus, der allerdings bei einem Handelsabkommen zwischen hochentwickelten Rechtsstaaten wie den EU und den USA befremdlich wirkt. Ist ein Unternehmen, das in einem EU-Land oder in den USA investiert, der Ansicht, dass ihm Unrecht geschieht, könnte es schließlich ohne weiteres die nationalen Gerichte bemühen.

Hinzu kommt, dass die ISDS-Gerichte keine öffentlichen Gerichte sind, sondern die Verhandlungen hinter verschlossenen Türen, ohne öffentlich ernannte Richter, und ohne Berufungsmöglichkeit stattfinden, um nur einige Mängel zu nennen. Daraus ist im Verlauf der Jahre ein „Klagstourismus“ entstanden, bei dem oftmals Multis mit prall gefüllten Kriegskassen sich entwickelnde und entwickelte Volkswirtschaften verklagen, wenn diese Gesetze erlassen wollen, die die Profitinteressen der Privaten beeinträchtigen. Ein unhaltbarer Zustand.

Neben vielen anderen kritischen Punkten, die in TTIP enthalten sind, zählte ISDS, so die Abkürzung für diesen Streitbeilegungsmechanismus, von Beginn an für Gewerkschaften und NGOS zu den roten Tüchern. AK und ÖGB organisierten mit verbündeten europäischen Gewerkschaften und NGOs eine beispiellose Beteiligung an einer öffentlichen Befragung der Kommission zu ISDS, bei der 95% der Antworten ISDS ablehnten.

Auch vor und während der Abstimmung im Europäischen Parlament im Frühsommer 2015 mobilisierten AK und ÖGB im Schulterschluss mit europäischen BündnispartnerInnen mit der Kampagne no2ISDS ein klares Votum für ein Ende des bisherigen ISDS-Systems.

Das diese Woche von der liberalen schwedischen Handelskommissarin Malmström vorgestellte „neue“ Modell sieht einige Änderungen vor: über Streitigkeiten sollen fundiert ausgebildete, öffentlich bestellte RichterInnen entscheiden; die Streitfälle sollen künftig mittels Zufallsprinzip auf die RichterInnen verteilt werden; auch die Möglichkeit einer Berufung gegen das Urteil der ersten Instanz soll vorgesehen werden.

In Zukunft sollen 15 RichterInnen (5 aus der EU, 5 aus den USA und 5 aus Drittstaaten) das Investitionsgericht bilden. Auch der Klagstourismus soll eingedämmt werden, wer unter welchen Voraussetzungen klagen darf soll anhand eines Kriterienkatalogs geklärt werden. Weiters sollen die Verfahren öffentlich geführt werden, alle Unterlagen und Dokumente sollen online einsehbar sein.

Mit dem Vorschlag der Kommission kommt jetzt zumindest wieder Bewegung in die politische Debatte. Die Vorschläge müssen erst von den Regierungen der Mitgliedsstaaten und dem Europäischen Parlament geprüft und angenommen werden. Und dann sind da noch die USA. Auch sie müssen erst von den europäischen Ideen überzeugt werden, was dem Vernehmen nach nicht einfach werden wird. Weitere Enttäuschung: das knapp vor In-Kraft-Treten stehende Handelsabkommen mit Kanada (CETA), das noch die alten Klagsmodalitäten für Konzerne vorsieht, soll trotz der jetzt eingestandenen Schwachpunkte nicht mehr aufgeschnürt werden, so die Kommission.

Weiterführende Dokumente:

Pressemitteilung der Europäischen Kommission