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ZurückWerden die aktuellen EU-Verbraucherschutzgesetze den Herausforderungen für Konsument:innen im digitalen Bereich gerecht? Diese Frage hat die EU-Kommission eingehend untersucht und verneint. In einem umfassenden Bericht bestätigt sie in weiten Teilen die Analyse der AK. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen nun in die Erarbeitung eines Digital Fairness Acts einfließen.
Auf EU-Ebene sind drei Richtlinien von zentraler Bedeutung für den Konsument:innenschutz: die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, die Richtlinie über Verbraucherrechte und die Richtlinie über missbräuchliche Vertragsklauseln. Die EU-Kommission hat diese Rechtsakte einer Eignungsprüfung (Fitness-Check) unterzogen, in der geprüft wurde, ob sie auch im digitalen Raum Fairness und ein ausreichend hohes Schutzniveau für Konsument:innen gewährleisten. Die letzte Eignungsprüfung des EU-Verbraucherrechts war 2017 erfolgt. Im Rahmen des aktuellen Checks, dessen Ergebnis am 3. Oktober 2024 präsentiert wurde, wurden zahlreiche fragwürdige Geschäftspraktiken untersucht und festgestellt, dass die derzeitige Rechtslage keinen ausreichenden Schutz bietet. Zu diesem Schluss kommt auch die AK. Der designierte Kommissar für Demokratie, Justiz und Rechtsstaatlichkeit, Michael McGrath, der auch für Verbraucher:innenschutz zuständig sein wird, soll einen Digital Fairness Act vorlegen, um einige der Schutzlücken zu adressieren.
Problematische Praktiken
In ihrem Bericht zur Eignungsprüfung „Digitale Fairness“ analysiert die EU-Kommission zahlreiche problematische Praktiken im Internet. Thematisiert werden dabei unter anderem sogenannte Dark Patterns. Dabei handelt es sich um psychologische Gestaltungstricks, die nach der Unlauteren Geschäftspraktiken-RL zwar bereits verboten sind, aufgrund von Grauzonen und Gesetzeslücken aber immer noch von vielen Online-Shops genutzt werden. Der Bericht kritisiert auch die süchtig machende Gestaltung einiger digitaler Dienste, wie etwa Lootboxen in Videospielen. Die AK fordert ein generelles Verbot derartiger Praktiken, das auch die Ausnutzung des Spieltriebs für Werbezwecke umfassen sollte. Begrüßenswert ist, dass die EU-Kommission im Bericht die Schwierigkeiten bei Vertragskündigungen thematisiert, die viele Konsument:innen regelmäßig erleben. Laut dem Bericht verlieren Verbraucher:innen in der EU durch die verschiedenen schädlichen Online-Geschäftspraktiken rund 8 Milliarden Euro pro Jahr. Im Gegensatz dazu fallen die Kosten für Unternehmen zur Einhaltung des EU-Verbraucherrechts mit maximal 737 Millionen pro Jahr moderat aus.
„Do Not Track“ und personalisierte Manipulation
Eine weit verbreitete Praxis ist das engmaschige Tracking von Nutzer:innen. Dieses geschieht unter dem Vorwand, passende Inhalte anbieten zu können. Tatsächlich steckt ein ganzer Wirtschaftszweig zum Handel mit persönlichen Daten, die ein gezieltes Targeting von Nutzer:innen erlauben, dahinter. Personalisierte Werbung oder gar personalisierte Preisgestaltung sind dabei weit verbreitet. Bei diesen Praktiken werden gezielt Schwächen von einzelnen Konsument:innen ausgenutzt, um den größtmöglichen Profit zu erzielen. Nutzer:innen können zwar mittels „Do Not Track“ (DNT) angeben, nicht verfolgt werden zu wollen, es fehlt jedoch ein effektiv durchsetzbarer Rechtsanspruch. Derzeit sind nur Minderjährige durch den Digital Services Act (DSA) explizit vor personalisierter Werbung geschützt. Der Digital Fairness Act könnte einen generellen Rechtsanspruch auf DNT schaffen. Aus Sicht der AK wäre dieser angekündigte Rechtsakt auch eine gute Gelegenheit, personalisierte Preise zu verbieten. Im Supermarkt kostet dasselbe Produkt gleich viel, egal wer vor dem Regal steht, und es gibt keinen Grund, warum das online anders sein sollte.
Influencer:innen und Jugendschutz
Jugendliche sind zu einer beliebten Zielgruppe für Werbetreibende geworden, sowohl online als auch offline. Speziell auf Social Media sind Marketingkampagnen mittels Influencer:innen allgegenwärtig. Diese Werbeformen sind jedoch gerade für junge Menschen oft schwer zu durchschauen und nutzen teilweise deren Schwächen aus. Der Bericht stellt fest, dass einige dieser Praktiken möglicherweise gegen bereits bestehende Regelungen des DSA oder der EU-Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste verstoßen. Der bestehende Schutz und dessen Umsetzung sind offensichtlich nicht ausreichend. Die AK fordert daher eine sichtbare Kennzeichnung von Werbung und eine EU-Monitoringstelle von Influencer:innen zur Sicherstellung des Jugendschutzes.
Der Mythos der informierten Verbraucher:innen
Eine zentrale Forderung der AK ist die Abkehr vom Mythos der informierten Verbraucher:innen. Gerade in der digitalen Welt sind Verbraucher:innen aufgrund der Komplexität von Produkten, algorithmischen Entscheidungen und manipulativen Praktiken nicht in der Lage, souverän zu handeln. Solange die Gesetzgebung von der Fiktion des informierten Handelns ausgeht, kann diese Schieflage nicht ausgeglichen werden.
Weiterführende Informationen
EU-Kommission: Pressemitteilung Kommissionsbewertung zur Eignungsprüfung „Digitale Fairness“
EU-Kommission: Fitness Check on EU consumer law on digital fairness (nur Englisch)
EU-Kommission: Study to support the fitness check of EU consumer law on digital fairness and report on the application of the Modernisation Directive (nur Englisch)
AK EUROPA: Forderungsblatt „Digitale Fairness“
AK EUROPA: Positionspapier „Digitale Fairness“
BEUC: European Commission reveals blind spots in protecting consumers online (nur Englisch)