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ZurückIm Zuge der strategischen Vorausschau versucht die EU-Kommission jährlich die Herausforderungen der Zukunft der EU zu identifizieren und diese in den politischen Maßnahmen der Gegenwart zu antizipieren. Heuer liegt der Fokus auf Nachhaltigkeit und Wohlergehen und damit auf der Frage, welche strategischen Entscheidungen heute zu treffen sind, um eine sozial, ökologisch und wirtschaftlich nachhaltige EU in Zukunft zu schaffen. Dabei können die Zukunftserwartungen nicht nur die Politik heute bestimmen, sondern die Politik heute entscheidet auch über die zukünftige Lage, nicht zuletzt von Arbeitnehmer:innen.
Ziel der strategischen Vorausschau ist es, besser auf zukünftige Entwicklungen vorbereitet zu sein. Dabei werden mittels Zukunftsforschung und auf Basis öffentlicher Konsultationen kommende Herausforderungen identifiziert. Die Ergebnisse fließen in die aktuelle Politikgestaltung ein. Die Berichte werden unter Einbindung mehrerer Generaldirektionen der EU-Kommission erstellt. 2020 ging es um Resilienz bzw. Widerstandsfähigkeit, 2021 um offene strategische Autonomie und 2022 um eine Partnerschaft des grünen und digitalen Wandels. 2023 liegt der Fokus auf „Nachhaltigkeit und Wohlergehen – Herzstück der offenen strategischen Autonomie Europas“.
Vorausschau auf die Herausforderungen der Zukunft
Die Verlagerung geopolitischer Gewichte prägt bereits heute die öffentliche Debatte und die Politik. Sie wird laut EU-Kommission auch in Zukunft eine Herausforderung für die internationale Zusammenarbeit darstellen, zum Beispiel im Bereich der Klimapolitik. Eine zweite weitere Herausforderung sieht die EU-Kommission in der Notwendigkeit eines neuen Wirtschaftsmodells, in dem der Schwerpunkt auf dem Wohlergehen von Menschen und auf dem Schutz der Natur liegt. Das bedeute auch, Wirtschaftswachstum und Ressourcennutzung zu entkoppeln und zu nachhaltigem Produzieren und Konsumieren überzugehen. Insgesamt betrachtet man die wirtschaftliche, soziale und ökologische Nachhaltigkeit als unlösbar miteinander verbunden. Drittens sieht man zur Bewältigung des grünen und digitalen Wandels auch einen wachsenden Bedarf an Kompetenzen. Eine entscheidende Rolle für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit der EU werden entsprechend sozial und technisch qualifizierte Arbeitskräfte darstellen. Viertens seien für einen nachhaltigen Übergang auch beispiellose Investitionen notwendig, und somit auch ausreichende Finanzmittel vom öffentlichen und privaten Sektor. Eine fünfte Herausforderung erkennt die Kommission auch in Einschnitten im sozialen Zusammenhalt. Zum Beispiel ist die Ungleichheit innerhalb der Mitgliedstaaten im Ansteigen. Schließlich wird auf zukünftge Gefahren für die Demokratie und den bestehenden Gesellschaftsvertrag hingewiesen.
Vorschläge der EU-Kommission für ein Wohlergehen im Zuge des nachhaltigen Übergangs
- Gewährleistung eines neuen europäischen Gesellschaftsvertrags mit einer erneuerten Sozialpolitik und einem Schwerpunkt auf hochwertige soziale Dienstleistungen
- Vertiefung des Binnenmarktes zur Förderung einer widerstandsfähigen klimaneutralen Wirtschaft mit Schwerpunkt auf offener strategischer Autonomie und wirtschaftlicher Sicherheit
- Stärkung des Angebots der EU auf globaler Ebene im Hinblick auf eine Intensivierung der Zusammenarbeit mit wichtigen Partnern
- Unterstützung der Umstellung auf nachhaltige Produktions- und Konsummuster durch Regulierung und Förderung eines ausgewogenen Lebensstils
- Entwicklung hin zu einem „Europa der Investitionen“ durch öffentliche Maßnahmen zur Mobilisierung von Finanzmitteln für den Übergang
- Gewährleistung der Nachhaltigkeit der öffentlichen Haushalte durch einen wirksamen Steuerrahmen und wirksame öffentliche Ausgaben
- Weitere Anpassung politischer und wirtschaftlicher Indikatoren zur Berücksichtigung von nachhaltigem und inklusivem Wohlergehen, zum Beispiel bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt
- Sicherstellung, dass alle zum Übergang beitragen können, indem die Erwerbsbeteiligung erhöht und der Fokus auf künftig benötigte Kompetenzen gelegt wird
- Stärkung der Demokratie. Generationengerechtigkeit soll im Zentrum der Politikgestaltung stehen, um die Unterstützung für den Übergang zu stärken
- Ergänzung des Katastrophenschutzes durch „Katastrophenprävention“ durch Stärkung des EU-Instrumentariums für Vorsorge und Reaktion
Insgesamt spiegeln diese Empfehlungen – was auch nicht erstaunlich ist – über weite Strecken die aktuellen politischen Schwerpunkte der EU, zum Beispiel im Bereich der wirtschaftspolitischen Steuerung oder der Handelspolitik. Aus Perspektive der Arbeitnehmer:innen finden sich wichtige Punkte. Dennoch besteht insgesamt Diskussionsbedarf. Zum Beispiel betonte der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) in seiner Stellungnahme zum Bericht 2022, dass er viel mehr hätte beitragen können, wenn er von Anfang an in die Vorausschau einbezogen worden wäre. Schließlich haben die Einschätzungen über die Zukunft nicht nur Auswirkungen auf aktuelles Handeln, sondern die aktuelle Politik entscheidet auch über die Zukunft, nicht zuletzt von Arbeitnehmer:innen.
Wie geht es weiter?
Der Bericht wurde den Mitgliedstaaten im Juli auf der Tagung des Rates (Allgemeine Angelegenheiten) vorgelegt. Er soll dann in die Agenda der informellen Tagung des Europäischen Rates in Granada im Oktober einfließen. Im November werden Kommission und EU-Parlament die jährliche Konferenz zum Europäischen System für strategische und politische Analysen (ESPAS) organisieren. Die jährliche Vorausschau fließt überdies in die Prioritäten der Kommission, ihr Arbeitsprogramm und ihre mehrjährige Planung ein.
Weiterführende Informationen:
EU-Kommission: Presseaussendung zur strategischen Vorausschau 2023
EU-Kommission: Website 2023 Strategic Foresight Report (nur Englisch)
EU-Kommission: Strategic Foresight Report 23 „Sustainability and wellbeing at the heart of Europe´s Open Strategic Autonomy” (nur Englisch)