Nachrichten
ZurückAm 13. Dezember haben das EU-Parlament und der Rat eine vorläufige Einigung über einen Richtlinienvorschlag zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Plattformbeschäftigte erzielt. Somit könnte es bald das weltweit erste Gesetz geben, welches die Rechte von Plattformarbeiter:innen reguliert. Immer mehr Menschen sind über Plattformen beschäftigt, die rechtlich als Selbständige gelten. Damit fallen jedoch Rechte, wie Urlaubsanspruch und Entgeltfortzahlungen bei Krankheit, weg. Eine arbeitsrechtliche Grauzone, die von der AK schon lange kritisiert wird.
In der letzten Plenarwoche des Europäischen Parlaments in Straßburg haben die EU-Institutionen zahlreiche wichtige Dossiers abgeschlossen. Darunter war eine Einigung über die Verordnung über künstliche Intelligenz, eine Einigung beim Lieferkettengesetz, sowie eine vorläufige Einigung zwischen dem Europäischen Parlament und dem Rat über die Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Plattformbeschäftigten. Das ist ein Meilenstein für Arbeitnehmer:innen in der EU.
Plattformarbeit ist kein neues Phänomen. Die COVID-19-Krise, hat in vielen europäischen Mitgliedsstaaten, darunter auch Österreich, zu Ausgangsbeschränkungen und behördlichen Schließungen von Geschäften und Restaurants geführt. Die gesellschaftliche und de facto infrastrukturelle Relevanz der Plattformökonomie für die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs wurde somit nochmals deutlich vor Augen geführt. Häufig müssen die Plattformarbeiter:innen unter prekären Bedingungen arbeiten.
Was wurde beschlossen?
Bis zuletzt war offen, worauf sich EU-Parlament und Rat einigen würden. Eine Einigung über die heikelsten Punkte erfolgt in solchen Verhandlungen meist erst am Schluss. Nun wurden wichtige Schritte erreicht, etwa die erste EU-Regelung zum Umgang mit Algorithmen am Arbeitsplatz. Bis jetzt bekamen die Plattformarbeiter:innen oft keine Auskunft darüber, wie diese eingesetzt werden und funktionieren. Zum Beispiel treffen Algorithmen unter anderem Entscheidungen über die Auszahlung von Boni, von denen viele Plattformarbeiter:innen finanziell abhängig sind. Durch die neue Richtlinie müssen Plattformenunternehmen diese Informationen mit den Arbeitnehmer:innen und ihren Vertreter:innen, wie Gewerkschaften, teilen. Ebenso werden Plattformenunternehmen verpflichtet, die Auswirkungen von Entscheidungen, die durch automatisierte Überwachungs- und Entscheidungssysteme getroffen oder unterstützt werden, auf Arbeitsbedingungen, Gesundheit und Sicherheit sowie Grundrechte zu bewerten.
In dem Vorschlag wurde insbesondere der Beschäftigungsstatus von Plattformarbeiter:innen aufgegriffen. Treten zwei von fünf ausgewählten Indikatoren auf, wird ein Arbeitsverhältnis angenommen und nicht wie bisher eine selbstständige Tätigkeit. Arbeitnehmer:innen - sowie deren Vertreter:innen - haben die Möglichkeit, bei einem Verdacht auf Scheinselbständigkeit die zuständigen Behörden zu informieren. Die Plattformunternehmen müssen dann beweisen, dass es sich nicht um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis handelt. Die Beweislast liegt damit bei diesen und nicht bei den Arbeitnehmer:innen. Ebenso wird Gewerkschaften und Kollektivvertragsverhandlungen eine zentrale Rolle in der sich entwickelnden Plattformökonomie zugeschrieben.
Vom Entwurf bis zur Richtlinie
Im Dezember 2021 hat die Europäische Kommission auf der Grundlage eines Berichts einen Vorschlag für eine Richtlinie vorgelegt. Diesem Bericht zufolge sind von den 28 Mio. Menschen, die auf Plattformen arbeiten, etwa 5,5 Mio. Personen fälschlicherweise als Selbstständige eingestuft. Diese Falscheinstufung hat beträchtliche Auswirkungen auf die einzelnen Arbeitnehmer:innen und die gesamte Arbeitswelt. Mühsam erkämpfte Arbeitsrechte gelten nur mehr selektiv. Die AK warnt seit Jahren vor den Folgen dieser Prekarisierung der Arbeit.
Der von der Kommission vorgelegte Entwurf wurde im Europäischen Parlament im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten (EMPL) behandelt. Im Februar 2023 verabschiedeten die EU-Abgeordneten offiziell ihren Bericht, der Rat im Juni desselben Jahres. Die ersten Trilogverhandlungen begannen kurz darauf im Juli. Die AK hat den Gesetzgebungsprozess von Anfang an mitverfolgt und auf die für Arbeitnehmer:innen wichtigen Punkte hingewiesen. Am 13. Dezember wurde die vorläufige Einigung zwischen den beiden Institutionen erzielt.
Wie geht es weiter?
Der vereinbarte Text muss nun vom EU-Parlament und vom Rat formell angenommen werden, um in Kraft zu treten. Normalerweise ist dies nur ein formaler Akt, allerdings ist dieses Dossier unter den Mitgliedern des Rates äußerst umstritten. Die dazu wegweisende Sitzung des Rates findet am 22. Dezember statt und wird für die Zukunft der Plattformarbeiter:innen entscheidend sein.
Weiterführende Informationen:
EU-Parliament: Platform work: deal on new rules on employment status (Nur Englisch)
Rat: EU-Vorschriften zur Plattformarbeit
Open letter: Platform Work Directive trilogues: An opportunity to make a difference (Nur Englisch)
ETUC: Platform deal should end ‘wild west’ in workers’ rights (Nur Englisch)
AK EUROPA: Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit
A&W Blog: Höchste Zeit für faire Arbeit in der Plattformwirtschaft
AK EUROPA: Plattformarbeit: digital und prekär
FEPS: THE PLATFORMISATION OF WORK IN EUROPE (Nur Englisch)