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ZurückDas Europäische Semester dient zur Koordinierung der wirtschafts- und sozialpolitischen Agenden der Mitgliedstaaten entlang vereinbarter Regeln. Die jüngsten Krisen führten auch zur Anpassung im Semesterprozess. Insgesamt braucht es eine umfassende Reform und eine verstärkte Einbindung auch der Sozialpartner, zivilgesellschaftlicher Organisationen und der Parlamente. Dies unterstrich auch der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss in seiner kürzlich verabschiedeten Stellungnahme.
Wirtschaftspolitische Abstimmung in der EU – Vieles ist in Bewegung
Im Jahr 2011 wurde erstmals das Europäische Semester als eine Reaktion auf die damalige Krise im Euroraum umgesetzt. Dabei standen vor allem die öffentlichen Finanzen im Mittelpunkt. Inzwischen wurde das Semester zu einem vielschichtigen Prozess, in dem die Mitgliedstaaten entlang von auf EU-Ebene vereinbarten Regeln ihre haushalts-, wirtschafts-, beschäftigungs-, sozial- und auch umweltpolitische Handlungsweise koordinieren. Der Zyklus beginnt mit dem Herbstpaket, wo unter anderem der Jahresbericht zum nachhaltigen Wachstum, in welchem die Kommission ihre Prioritäten für das kommende Jahr darlegt, und der Gemeinsame Beschäftigungsbericht vorgestellt werden. Nach umfassenden Abstimmungsprozessen erfolgen im Frühjahrspaket die Länderberichte und die länderspezifischen Empfehlungen an die Mitgliedstaaten.
Im Zuge der Pandemie und des Krieges sah man es als erforderlich an, die Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten weiter zu stärken. Es kam zur Schaffung der Aufbau- und Resilienzfazilität, welche über das Europäische Semester abgewickelt wird und nun einen großen Teil desselben einnimmt. Darüber hinaus wurde auch die wirtschaftspolitische Steuerung – und hier vor allem die Fiskalregeln – einer Überprüfung unterzogen, was im April im Gesetzesvorschlag der EU-Kommission für eine zukunftsfähige wirtschaftspolitische Steuerung ihren jüngsten Niederschlag fand. (Dazu mehr im kommenden Newsletter).
Eine gründliche Reform des Europäischen Semesters
Der Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) unterzieht das Europäische Semester seit geraumer Zeit einem kritischen Blick; und das völlig zu Recht, geht es doch um bedeutsame politische Weichenstellungen. Im Zuge der Erarbeitung seiner jüngsten Stellungnahme wurden Sozialpartner und Zivilgesellschaft in den Mitgliedstaaten befragt und die Ergebnisse in einem umfassenden Annex gesammelt. Außerdem wurden auch Studien und nationale Debatten berücksichtigt.
Der EWSA spricht sich darin insgesamt für eine gründliche Reform aus, vor allem im Hinblick auf Förderung von Demokratie und Transparenz. Dies soll in Verbindung mit folgenden Zielen erfolgen: Wirtschaftswachstum und hochwertige Beschäftigung, sozialer Zusammenhalt und Konvergenz zwischen den Mitgliedstaaten sowie Beschleunigung des ökologischen und digitalen Wandels. Bestehende Indikatorensysteme sollen überprüft, ergänzt und abgestimmt werden. Es wird darauf hingewiesen, dass die mangelhafte Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen auch auf eine zu starke Ausrichtung auf öffentliche Finanzen und eine vergleichsweise dürftige Integration der Europäischen Säule Sozialer Rechte zurückzuführen sei.
Unzureichende Einbeziehung von Parlamenten, Sozialpartnern und Zivilgesellschaft
Der EWSA kommt zum Schluss, dass es im Rahmen des Semester-Verfahrens zu keiner zufriedenstellenden Einbeziehung der Bürger:innen kommt. Ausmaß und Qualität der Beteiligung sind in den meisten Mitgliedstaaten – trotz einiger Verbesserungen - unzureichend. Der EWSA betont, „dass die Einbeziehung der Sozialpartner und der Organisationen der Zivilgesellschaft sowie der nationalen Parlamente und der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften zu einer der Säulen dieses überarbeiteten Europäischen Semesters werden muss.“ Außerdem sollten die Befugnisse des Europäischen Parlaments so ausgedehnt werden, dass es bei den Grundzügen der Wirtschaftspolitik und die EU betreffenden Vorschlägen mitentscheiden kann.
Die Vorschläge des EWSA zur Überarbeitung des Europäischen Semesters
Der EWSA schlägt außerdem vor, dass unter anderem die Sozialpartner durch ein strukturiertes förmliches Konsultationsverfahren einbezogen werden. Die Merkmale einer solchen dauerhaften Einbeziehung in die verschiedenen Phasen des Semesters sollen per EU-Verordnung festgelegt werden. Dies soll Zeitpläne, Struktur der Sitzungen, einen rechtzeitigen Zugang der Öffentlichkeit zu Unterlagen und Protokollen, die öffentliche Mitteilung von Vorschlägen, die Reaktionen der Regierung sowie einen Fahrplan für die Umsetzung der Vereinbarungen betreffen. Neben einem ständigen Konsultationsmechanismus soll der bestmögliche Zugang zu Daten und Statistiken gewährleistet sein. Außerdem sollen die länderspezifischen Empfehlungen einen Zeitraum von drei Jahren mit jährlichen Evaluierungen abdecken. Diese Vorschläge des EWSA können durchaus auch aus Perspektive der Arbeitnehmer:innen in Erwägung gezogen werden. Höchste Vorsicht ist jedoch beim Ansinnen geboten, die Umsetzung der Länderspezifischen Empfehlungen mit dem EU-Haushalt zu verknüpfen.
Weiterführende Informationen:
EWSA: Broad consultation of organised civil society highlights the need for solid reform of the European Semester (nur Englisch)
EWSA: Annex to the own initiative opinion: The EESC´s recommendations for a solid reform of the European Semester (nur Englisch)
EU-Kommission: Kommission schlägt neue Vorschriften für eine zukunftsfähige wirtschaftspolitische Steuerung vor
AK EUROPA: Reformvorschlag der Europäischen Fiskalregeln: besser, aber nicht gut