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Am 31. Jänner 2018 hat die Kommission den überarbeiteten neuen Verhaltenskodex für EU-KommissarInnen vorgelegt. Das bestehende „Drehtüre“-Problem der EU-Kommission wird dadurch wohl nicht gelöst, sondern nur zeitlich etwas verzögert.

 

Als im Juli 2016 an die Öffentlichkeit drang, dass der ehemalige EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso nur knapp nach Ablauf der 18-monatigen Stillhaltefrist einen bedeutenden Job bei Goldman Sachs International angenommen hatte, verortete auch sein Nachfolger Jean-Claude Juncker Handlungsbedarf. Durch die mediale Berichterstattung und heftige Kritik unter Druck gekommen, erklärte Kommissionspräsident Juncker den bislang geltenden Verhaltenskodex aus 2011 für reformbedürftig.

 

Das Problem der „schwingenden Drehtüre“, des Seitenwechsels zwischen Wirtschaft und Politik, ist äußerst präsent, und die Regulierung (bislang) unzureichend: So hatte etwa Corporate Europe Observatory dokumentiert, dass selbst in der kurzen 18-monatigen Abkühlphase schon neun von 26 Ex-Mitgliedern der letzten scheidenden Kommission neue Jobs bei oder in enger Verbindung zu Großkonzernen angenommen hatten. Selbst nach den damals bestehenden Ethikregeln hätten die neuen Jobs von vier Ex-Kommissionsmitgliedern nicht genehmigt werden dürfen, da klare Interessenkonflikte bestanden.

 

Bereits 2016 angekündigt, nun in die Tat umgesetzt, wird die Abkühlphase von gegenwärtig 18 Monaten auf zwei Jahre für ehemalige Kommissionsmitglieder und auf drei Jahre für die/den Präsidenten/in der Kommission verlängert. Dies ist ein grundsätzlich richtiger, wenn auch nicht ausreichender Reformschritt. Während der Stillhaltephase besteht eine Informationspflicht bei Annahme einer neuen beruflichen Tätigkeit. Der Verhaltenskodex enthält zudem eine neu eingeführte Definition, die darlegen soll, wann ein „Interessenskonflikt“ vorliegt. Eine weitreichendere dreijährige Stillhaltephase für alle EU-KommissarInnen – wie sie zuletzt auch im Giegold-Bericht des EU-Parlaments vorgesehen war – sieht der neue Verhaltenskodex jedoch nicht vor.

 

Wie Beispiele aus der Vergangenheit zeigen, wäre eine strenge und unabhängige Überwachung sowie entsprechende Sanktionierung der Schlüssel zum Erfolg, um Jobwechsel, die einen Interessenkonflikt darstellen, zu verhindern. So übte das von Kommissionspräsident Juncker mit der Prüfung des Barroso-Falles beauftragte Ethikkomitee zwar scharfe Kritik an dessen Verhalten, sah sich jedoch nicht in der Lage, weitere Sanktionen zu verhängen. Genauso wenig zufriedenstellend war das Resümee im Fall der früheren Kommissarin für digitalen Wandel, Neelie Kroes, die vor und während ihrer aktiven Zeit als Kommissarin auch Direktorin einer Briefkastenfirma auf den Bahamas war, ohne dies offengelegt zu haben. Damaliges Resümee des Ethikkommitees: Ein Verstoß gegen den Verhaltenskodex der Kommission liege zwar vor, sei der Kommissarin aber wegen Unkenntnis über das Fortbestehen ihrer Nebentätigkeit nicht zurechenbar. Somit wurden auch in diesem Fall keine weiteren Sanktionen ergriffen.

 

Geschaffen wird anstatt des bisherigen „Ad hoc“-Ausschusses nunmehr ein sogenannter „unabhängiger Ethikausschuss“ – jedoch ist der neue Name leider nicht Programm: Der Ausschuss hat nach wie vor nur Beratungs- und Empfehlungsfunktion, ist auch weiterhin von der Kommission abhängig und kann nicht eigeninitiativ Untersuchungen starten. Neu wurde verankert, dass die Kommission – so nicht der Weg zum EuGH gewählt wird – bei Verstößen gegen den Kodex Verwarnungen aussprechen und diese veröffentlichen kann. Ob solche Maßnahmen Abschreckung für jobwechselnde Ex-KommissarInnen sein werden, mag bezweifelt werden.

 

Zu begrüßen ist, dass nach dem neuen Kodex auch die Reisekosten der Kommissionsmitglieder veröffentlicht werden. Hier waren einige EU-KommissarInnen wegen teurer privater Flüge in die Kritik gekommen. Ab Februar 2018 werden nun im Zwei-Monats-Abstand die Reisekosten der einzelnen KommissarInnen veröffentlicht.

 

Weiters wurde eine neue Bestimmung über finanzielle Investitionen eingeführt, nach welcher KommissarInnen jede Investition über 10.000 anzugeben haben. Der neue Verhaltenskodex verankert zudem in Zukunft auch die Möglichkeit, ohne Freistellung als KandidatIn für die Wahlen zum EU-Parlament zu kandidieren.

 

Weiterführende Informationen:

EK: Neuer Verhaltenskodex schafft strengere Ethikregeln für Kommissionsmitglieder, 31.1.2018

EK: Verhaltenskodex 2018

Corporate Europe Observatory: Juncker's unremarkable reform of Commissioners’ ethics rules, 5.12.2017

TI Europa: New code of conduct: a small step for the Commission, an even smaller step in ethics reform, 1.2.2018

Access Info Europe, European Commission formalises commitment to public travel expenses, 2.2.2018

AK Europa: Lobbying in Brüssel: Ein Schritt vor und zwei zurück?, 15.9.2016

AK-Broschüre „Lobbying in Brüssel“