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ZurückDer Vorschlag der EU-Kommission zum Mehrjährigen Finanzrahmen 2028 bis 2034 stieß auf viel Kritik, teils aus gegensätzlichen Gründen. Auch wenn noch viele Fragen offen sind, dürfte eine Aufstockung der Mittel in den Bereichen Förderung der Wettbewerbsfähigkeit, Verteidigung sowie Forschung und Innovation sicher sein. Aus gewerkschaftlicher Perspektive wird kritisiert, dass soziale Ziele keine eigenständige Kategorie mehr bilden und so mit anderen Bereichen in Konkurrenz geraten könnten. Eine Aushöhlung des wichtigen Sozialbereichs wird befürchtet.
Am 16. Juli wurde von der EU-Kommission ein Vorschlag für die Gestaltung des zukünftigen Mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) präsentiert. Damit wurde ein erster Aufschlag gemacht für eine Debatte, die die EU-Politik nun zwei Jahre lang begleiten wird. Angesichts massiver Finanzierungsherausforderungen und großer politischer Interessensgegensätze im EU-Parlament und zwischen den Mitgliedstaaten wird mit einem mühsamen Verhandlungsprozess gerechnet. Nach der Zustimmung des Parlaments bedarf es im Rat der Zustimmung aller Mitgliedstaaten. Dies gilt auch für die Vorschläge zu neuen Eigenmitteln, wo es ebenso teils eine Ratifizierung in den nationalen Parlamenten braucht.
Der – laut EU-Kommission – „ehrgeizige und dynamische“ EU-Haushalt soll sich für den Zeitraum 2028 bis 2034 auf fast zwei Billionen Euro belaufen, was 1,26% des Bruttonationaleinkommens der EU entspricht. Vorgeschlagen wird eine „grundlegende Neugestaltung“, wobei die Anzahl der Programme von etwa 52 auf 16 reduziert werden soll. Insgesamt lässt sich der vorgeschlagene neue EU-Haushalt wie folgt einteilen, wobei Verwaltungsaufgaben in Höhe von 117 Mrd. Euro eine vierte Rubrik bilden.
Rubrik 1: Wirtschaftlicher, sozialer und territorialer Zusammenhalt, Landwirtschaft, ländlicher Raum, Meere, Wohlstand und Sicherheit
Fast die Hälfte des MFR bzw. 1 Mrd. Euro fällt in diese Rubrik und soll mittels nationaler und regionaler Partnerschaftspläne abgewickelt werden. Dabei knüpft man an die Methode der Aufbau- und Resilienzfazilität an, wo die Auszahlung der Mittel an die Erfüllung zuvor festgelegter Meilensteine gebunden ist. Die Pläne sollen zwischen Kommission, Mitgliedstaaten, Regionen, lokalen Körperschaften und Stakeholdern konzipiert und gemeinsam umgesetzt werden. Ziel ist es, dass ein einziger Plan pro Mitgliedstaat alle Maßnahmen für Arbeitnehmer:innen und Landwirt:innen, Städte und ländliche Gebiete, Regionen und die nationale Ebene umfasst. Die Kommission hofft, damit die Abwicklung zu vereinfachen und Transparenz und Kontrolle zu erhöhen.
Es sollen so 14 bestehende Fonds zusammengeführt werden, einschließlich der bedeutsamen Fonds für Landwirtschaft (fast 300 Mrd. Euro) und Kohäsion (453 Mrd. Euro). 14% der in den Plänen erfassten Mittel sollen dem Sozialbereich gewidmet werden, also zur Finanzierung von Reformen und Investitionen verwendet werden, mittels derer „Kompetenzen verbessert, Armut bekämpft, die soziale Inklusion gefördert und ländliche Gebiete vorangebracht werden.“ Neben der Fischerei sollen sich auch die Bereiche Migration, Grenzmanagement und Sicherheit in den Plänen widerspiegeln. Im Bereich des Migrationsmanagements, der Stärkung der EU-Außengrenzen und der inneren Sicherheit soll es zu einer Aufstockung der Mittel aufs Dreifache bzw. auf 74 Mrd. Euro kommen. Ebenso in diese Rubrik fällt die Rückzahlung von NextGenerationEU (NGEU).
Rubrik 2: Förderung von Wettbewerbsfähigkeit, Wohlstand und Sicherheit
Insgesamt beläuft sich diese Rubrik auf knapp 590 Mrd. Euro. Zentral ist der neue Europäische Fonds für Wettbewerbsfähigkeit in Höhe von 409 Mrd. Euro, der darauf abzielt, die Umsetzung des Kompasses für Wettbewerbsfähigkeit zu unterstützen und die Autonomie der EU in Schlüsselsektoren zu verbessern. Es sollen private und öffentliche Investitionen in den folgenden vier Politikbereichen angekurbelt werden: erstens Energiewende und Dekarbonisierung der Industrie, zweitens digitale Führungsrolle, drittens Gesundheit, Biotechnologie, Landwirtschaft und Bioökonomie und viertens Resilienz und Sicherheit, Verteidigungsindustrie und Weltraum (aufgestockt um das Fünffache auf 131 Mrd. Euro). Der Fonds für Wettbewerbsfähigkeit soll in Synergie mit dem ebenso erhöhten Forschungsrahmen Horizont Europa umgesetzt werden, für den nunmehr 175 Mrd. Euro vorgesehen sind.
In dieser Rubrik sind darüber hinaus auch die Connecting Europe Facility (CEF) zur Finanzierung transeuropäischer Netze im Energie- und Verkehrsbereich enthalten. Hierbei wird die militärische Mobilitätskomponente verzehnfacht. Die Fazilität wird somit neben zivilen Investitionen in die Infrastruktur mit doppeltem Verwendungszweck unter anderem auch Investitionen in Cybersicherheit und die Entwicklung der Verteidigung insgesamt unterstützen. Beim Programm zur Förderung der Bildungsmobilität Erasmus+ ist eine leichte Steigerung vorgesehen, während ein starkes AgoraEU-Programm zur Förderung der Demokratie, kulturellen Vielfalt und Rechtsstaatlichkeit vorgeschlagen wird.
Rubrik 3: Europa in der Welt
In dieser Rubrik geht es um den Aufbau von Partnerschaften für ein global stärkeres Europa. Die internationalen Aktivitäten der EU sollen mit Hilfe des Programms „Europa in der Welt“ gefördert werden, wo die Mittel auf 200 Mrd. Euro aufgestockt und somit verdreifacht werden. Ziel ist es, die Wirkung der EU-Aktivitäten in den Partnerländern zu verbessern und die Kandidatenländer in der Vorbereitung des Beitritts zu unterstützen. Neben der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) ist außerdem auch eine Reservekapazität für unvorhergesehene Krisen geplant. Insgesamt beläuft sich dieser Teil auf 215 Mrd. Euro.
Zusätzlich sollen Darlehen in Höhe von 400 Mrd. Euro mittels eines Krisenmechanismus im Fall schwerer Krisen an die Mitgliedstaaten vergeben werden können. Für die Ukraine sollen – außerhalb des MFR – von 2028 bis 2034 100 Mrd. Euro mobilisiert werden, während für militärische Unterstützung die Europäische Friedensfazilität zu Verfügung steht.
Neue Eigenmittel zur Finanzierung des gemeinsamen Haushalts
Die Kommission möchte die EU außerdem mit „modernen und diversifizierten“ Einnahmequellen ausstatten. Folgende neue Eigenmittel werden vorgeschlagen: erstens das EU-Emissionshandelssystem (EHS) mit möglichen jährlichen Einnahmen in Höhe von 9,6 Mrd. Euro, zweitens das CO2-Grenzausgleichssystem (CBAM) mit 1,4 Mrd. Euro, drittens eine Abgabe auf Elektrogeräte (E-Waste) mit Einnahmen von 15 Mrd. Euro, viertens eine Tabaksteuer mit Einnahmen von 11,2 Mrd. Euro und fünftens ein Pauschalbetrag für Unternehmen mit einem Nettojahresumsatz von mindestens 100 Mio. Euro mit Einnahmen von 6,8 Mrd. Euro. Gemeinsam mit weiteren Elementen soll so ein Eigenmittelpaket mit Einnahmen von etwa 58,5 Mrd. Euro pro Jahr (zu Preisen von 2025) geschnürt werden.
Viele offene Fragen, sowie Kritik und Ablehnung
Zwei Billionen Euro mögen zwar sehr hoch erscheinen. Zieht man jedoch die ab 2028 fälligen Rückzahlungen für die gemeinsame Schuldaufnahme im Rahmen von NGEU ab, so handelt es sich nur um eine geringe Erhöhung gegenüber dem aktuellen MFR. Da jedoch einerseits die Mittel im Verteidigungsbereich aufgestockt wurden und andererseits die EU vor massiven Finanzierungsherausforderungen steht, dürfte der budgetäre Spielraum der EU äußerst knapp werden. Auch besteht nicht zuletzt angesichts der Neugestaltung des MFR große Unklarheit, wie weit die verschiedenen Politikziele tatsächlich gefördert werden sollen, etwa im Bereich der Klimapolitik. Kritik und Absagen an die Vorschläge der Kommission kommen aus Richtung einzelner Mitgliedstaaten und Interessenvertretungen. Das EU-Parlament befürchtet eine Aushöhlung seiner Mitwirkungsrechte.
Auch aus gewerkschaftlicher Perspektive besteht massive Skepsis. Im Vorfeld der Präsentation des MFR wurde nachdrücklich ein Fortbestehen des EU Sozialfonds (ESF+) gefordert. Nun wird jedoch befürchtet, dass die Zusammenführung der sozialen Ziele mit einer Reihe anderer Ziele ohne konkrete Programmvorgaben dazu führen könnte, dass soziale Anliegen ins Hintertreffen geraten. Positives kann dem Vorschlag im Bereich der neuen Eigenmittel abgewonnen werden, insbesondere dem Vorschlag zu einer EU-weiten Abgabe für Großunternehmen mit über 100 Millionen Jahresumsatz.
Weiterführende Informationen:
EU-Kommission: Ein ehrgeiziger Haushalt für ein stärkeres Europa: 2028-2034
EU-Kommission: U-Haushalt 2028-2034
EU-Parlament: Der langfristige EU-Haushalt: Alles, was Sie wissen müssen