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ZurückEin weitreichender und vorab nicht unbedingt zu erwartender Erfolg ereignete sich am 31. Jänner 2019 im EU-Parlament. Die Abgeordneten sprachen sich für den Bericht des britischen MEP Richard Corbett (S&D) zur Überarbeitung der Verfahrensordnung des EU-Parlaments aus, welcher wesentliche Verbesserungen hinsichtlich der Transparenz von Lobbying im EU-Parlament beinhaltet. Gerade einmal 4 Stimmen gaben den Ausschlag.
Die EU-Abgeordneten haben beschlossen, dass einflussreiche MEPs ihre Treffen mit InteressenvertreterInnen und LobbyistInnen offenlegen müssen. Darunter fallen BerichterstatterInnen und Schatten-BerichterstatterInnen für das jeweilige Dossier sowie Aussschussvorsitzende. Auch anderen Abgeordneten wird nahegelegt, ihre Termine offenzulegen. Dies ist ein sehr wichtiger Schritt in Richtung eines transparenteren Gesetzgebungsprozesses. Im EU-Parlament haben in der Vergangenheit nämlich nur einzelne Abgeordnete auf freiwilliger Basis ihre Treffen mit LobbyistInnen offengelegt. Die Kommission gibt immerhin seit November 2014 ihre Termine mit InteressenvertreterInnen bekannt, bislang jedoch nur auf höchster Verwaltungsebene.
Die AK fordert schon seit Jahren die Einführung eines „legislativen Fußabdruckes“ und hat sich auch im Vorfeld der Abstimmung an die Abgeordneten gewandt und für den Bericht geworben. Aus Sicht der BürgerInnen muss es nachvollziehbar sein, wer Einfluss auf europäische Rechtsakte nimmt. Durch die letztwöchige Abstimmung hat das EU-Parlament nun im Hinblick auf die anstehenden EU-Wahlen ein wichtiges demokratiepolitisches Zeichen an die europäischen BürgerInnen gesandt.
Absurderweise fand die Abstimmung über dieses wichtige Dossier zum Thema Transparenz in geheimer Abstimmung statt. Dies hatte die EVP-Fraktion im Vorfeld der Stimmabgabe mittels Antrags durchgesetzt. In Reaktion auf die geheime Abstimmung hielten zahlreiche Abgeordnete im EU-Parlament Schilder hoch, durch welche sie ihre Zustimmung auch öffentlich dokumentierten. Schließlich sprachen sich 380 MEPs für und 224 Abgeordnete gegen den Bericht aus, 26 MEPs enthielten sich. Für das Erreichen der absoluten Stimmmehrheit, welche bei dieser Abstimmung erforderlich war, gaben somit lediglich 4 Stimmen den Ausschlag.
In einem nächsten Schritt geht es darum, den nun erreichten Abstimmungserfolg auch in der Praxis zu implementieren. Ab Beginn der kommenden Parlamentsperiode (2. Juli 2019) treten die neuen Regelungen in Kraft, wonach Treffen mit InteressenvertreterInnen zu den aktuell verhandelten Dossiers veröffentlicht werden müssen.
Auch ist zu hoffen, dass die Abstimmung frischen Wind in die Verhandlungen zwischen den drei Institutionen Kommission, EU-Parlament und Rat über ein gemeinsames Transparenzregister bringen kann. Bereits 2016 hatte die Kommission hierfür den Vorschlag unterbreitet, und noch 2018 wurde zunächst noch das Ziel verkündet, bis Jahresende zum einem Abschluss der Verhandlungen zu kommen. Aufgrund fehlender Fortschritte setzte die Kommission das Dossier schlussendlich jedoch aus.
Vor allem beim Rat gibt es mittlerweile drängenden Handlungsbedarf im Hinblick auf verstärkte Transparenz. Dem gemeinsamen EU-Transparenzregister (zur Zeit Kommission und EU-Parlament) hat sich der Rat bislang nicht angeschlossen. Auch bei der Veröffentlichung von Terminen mit LobbyistInnen sind nun die beiden anderen Institutionen in Vorlage getreten. Auch eine neue, diese Woche erschienene Publikation von Corporate Europe Observatory zum Einfluss von Konzernen auf die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten zeigt den erheblichen Handlungsbedarf auf Seiten des Rates.
Weiterführende Information:
Presseaussendung des EU-Parlaments
ALTER-EU Bericht zur Abstimmung
AK EUROPA: Mehr demokratische Kontrolle! Gekaperte Gesetzgebung in Europa
AK EUROPA: Verhandlungen der drei Institutionen über ein „verpflichtendes“ Lobbyregister
CEO: Captured states: when EU governments are a channel for corporate interests