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ZurückDie Schaffung einer EU Arbeitsplatzgarantie könnte Langzeitarbeitslosigkeit entgegenwirken, Armut bekämpfen und gleichzeitig zum grünen und gerechten Übergang beitragen. AK EUROPA hat im Februar 2024 in Brüssel eine Veranstaltung organisiert, um die Debatte dazu auf EU-Ebene voranzubringen. Bestehende Modelle der Jobgarantie sowie Herausforderungen und Chancen ihrer Umsetzung wurden diskutiert.
Der Anteil an Menschen in Langzeitarbeitslosigkeit an der gesamten Arbeitslosigkeit lag in der EU zwischen 2005 und 2022 zwischen 35 und etwa 50 Prozent. Die aktuelle Schätzung der von Arbeitslosigkeit Betroffenen beträgt 13,1 Millionen Menschen, sodass davon ausgegangen werden muss, dass mehrere Millionen Menschen in der EU langzeitarbeitslos sind. Das ist oft auch mit Armut und sozialer Ungleichheit verknüpft. Im Rahmen der Veranstaltung wurde die Frage aufgeworfen, wie eine Jobgarantie zur Entschärfung dieser Problemlage beitragen kann.
Dirk Ehnts, Ökonom der Samuel-Pufendorf-Gesellschaft für politische Ökonomie, nahm einen volkswirtschaftlichen Blickwinkel ein. Arbeitslosigkeit sei ein wirtschaftliches Problem, denn wenn die Nachfrage nach Gütern zu gering ist, gebe es auch einen niedrigeren Bedarf an Arbeitskräften. Während Arbeitslosigkeit im Allgemeinen mit Hilfe einer Erhöhung der öffentlichen Ausgaben bzw. Stärkung der Nachfrage bekämpft werden könne, stoße man damit bei Langzeitarbeitslosigkeit an Grenzen. Insbesondere in wirtschaftlich guten Zeiten könne hier eine Jobgarantie Abhilfe schaffen.
Es gibt mehrere Erfolgsbeispiele
Simon Theurl, Forscher und Arbeitsmarktexperte der AK Wien, stellte einige regionale Projekte zur Jobgarantie vor. Das österreichische Modellprojekt Gramatneusiedl Marienthal (MAGMA) bot von 2020 bis 2023 rund 80 Menschen einen Arbeitsplatz in der Gemeinde oder in sozioökonomischen Betrieben. Dadurch konnte die Langzeitarbeitslosigkeit gesenkt werden, während es zu keiner Verdrängung von Jobs im privaten Sektor kam. Die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen verbesserten sich. MAGMA wurde leider nicht verlängert. Beim französischen Projekt „Territoires Zéro Chômeur de Long Durée“ (TZCLD) wurden in 60 Gemeinden rund 3.900 Arbeitsplätze geschaffen. TZCLD wird von der Zivilgesellschaft getragen und die Arbeitsplätze werden von Sozialpartnern, Gemeinden und arbeitslosen Menschen organisiert. Bei einem 2022 in der belgischen Wallonie gestarteten Projekt sollen bis 2026 mindestens 750 Arbeitsplätze entstehen. Es wird zur Hälfte mittels EU-Förderung finanziert.
Yonnec Polet, stellvertretender Bürgermeister von Berchem-Sainte-Agathe in Brüssel und Mitglied im Ausschuss der Regionen (AdR), beschrieb das Pilotprojekt seiner Gemeinde. Dabei verfolgt man ebenso wie in Frankreich einen Bottom-Up-Ansatz. Grundlegend sei auch das Prinzip der Freiwilligkeit. Laut Polet müsse ein Paradigmenwechsel angestoßen werden, wonach Arbeitslosigkeit nicht mehr in individueller Verantwortung gesehen wird, sondern Lösungen auf gesellschaftlicher Ebene angeboten werden. Er verwies auf einen Initiativbericht des AdR, in dem Kommission und Rat aufgefordert werden, Langzeitarbeitslosigkeit aktiv zu bekämpfen. Dazu brauche es aber den politischen Willen und finanzielle Mittel. Dirk Ehnts berichtete von einem Jobgarantieprojekt in Argentinien, welches in einer Zeit enorm hoher Arbeitslosigkeit eingeführt worden sei. Die Menschen wurden finanziell entlastet und ihr Selbstwert gestärkt. In Indien wurden 120 Millionen Menschen durch eine Arbeitsplatzgarantie beschäftigt, vor allem im Bereich der Klimawandelanpassung. Auch die Gleichstellung von Frauen wurde unterstützt.
Eine gute Gestaltung der Jobgarantie
Tea Jarc, Vorstandsmitglied des Europäischen Gewerkschaftsbundes, betonte die Prinzipien, die einer Jobgarantie zugrunde liegen müssen: Es müsse allen Menschen, die arbeiten möchten, Beschäftigung geboten werden. Zudem sei sicherzustellen, dass dauerhafte und qualitativ hochwertige Arbeitsplätze geschaffen und soziale Standards erfüllt werden. Es müsse auch eine Entlohnung gegeben sein, die den Kollektivverträgen entspricht. Sie unterstrich außerdem die notwendige Einbindung der Sozialpartner und insbesondere der Gewerkschaften und arbeitenden Menschen. Auch von AK Seite wird darauf verwiesen, dass die Qualität, der im Rahmen der Jobgarantie geschaffenen Arbeitsmöglichkeiten, hoch sein müsse. Darüber hinaus sollten diese Arbeitsplätze vor allem in Bereichen entstehen, die der Gesellschaft zugutekommen und/oder einen Beitrag zu einem gerechten Übergang leisten. Darunter fallen Tätigkeiten im Pflege- und Sozialbereich, Green Jobs, Lebensmittelsicherheit sowie Bildungsarbeit.
Eine Europäische Jobgarantie
Beim Thema der EU Jobgarantie wurde auch über die Frage der Finanzierung diskutiert. Vorgeschlagen wird eine finanzielle Unterstützung seitens der EU, damit die Mitgliedstaaten Jobgarantie-Programme einführen können. Als Möglichkeiten wurden Sozialbonds nach dem Vorbild von SURE oder das ESF+ Programm im Rahmen des EU-Haushalts genannt. Öffentlich finanzierte Beschäftigungsprogramme finden eine breite Unterstützung in der Bevölkerung. Die Umsetzung einer Jobgarantie auf EU-Ebene wird besonders begrüßt, wenn auch auf nationaler und regionaler Ebene realistischer betrachtet. Mit Hilfe einer EU Jobgarantie könnte insbesondere in Zeiten von Krisen und Rechtsruck ein wichtiges Zeichen für die Menschen in Europa gegeben werden. Dem Paradigma, niemanden zurückzulassen, könnte damit einem Schritt näherkommen.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: EU Job Guarantee – a commitment to full employment and decent work
A&W-Blog: Warum Österreich eine gemeinwohlorientierte Jobgarantie braucht
A&W-Blog: Europa braucht eine Arbeitsplatzgarantie
A&W-Blog: Eine Jobgarantie schafft sinnvolle Beschäftigung
European Job Guarantee Coalition - Für eine Jobgarantie!
FEPS: A Job Guarantee For Europe
Social Europe: Insecure Europe – a job guarantee needed