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ZurückUm die Konsequenzen aus dem Fall Nidec zu diskutieren, fand am 2. Mai 2019 ein Termin von AK Steiermark-Präsident Josef Pesserl mit Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager statt. Noch vor wenigen Wochen hatte aufgrund des eingeleiteten Fusionskontrollverfahrens der Kommission ein Verlust von 400 Arbeitsplätzen in der Steiermark gedroht. Die Arbeiterkammer konnte sich mit ihrer Expertise und großem Engagement in der Sache einbringen. Der Fall Nidec zeigt auch tiefergehenden Reformbedarf im EU-Wettbewerbsrecht auf.
Auf Grund des Ende letzten Jahres von der Kommission eingeleiteten Fusionskontrollverfahrens zur Übernahme von Embraco - die Kühlkompressorensparte von Whirlpool - durch Nidec kam der Stein ins Rollen. Um dem Vorwurf der marktbeherrschenden Stellung zu entgehen, entschied Nidec sich zum Verkauf des Werkes in Fürstenfeld. Ein Verlust von 400 Arbeitsplätzen in der Oststeiermark, in einer grenznahen, strukturschwachen Region, war zu befürchten.
Engagement der Arbeiterkammer im Fall Nidec
Die Arbeiterkammer wandte sich mit mehreren Schreiben an die Kommission und brachte ihre Expertise ein. Bereits im März fand ein Termin von AK Steiermark-Präsident Josef Pesserl mit dem stv. Generaldirektor Cecilio Madero Villarejo statt. Im Mai folgte nun ein Termin mit Kommissarin Margrethe Vestager. Die nun von der Kommission für den Verkauf auferlegten Auflagen sollen den Standort des Werkes in Fürstenfeld und alle 400 Arbeitsplätze sichern. Der neue Eigentümer muss auch 24 Mio. Euro Investitionen in den Standort Fürstenfeld (und weitere 10 Mio. Euro in den Standort in der Slowakei) sowie eine Erhöhung des Eigenkapitals und Investitionen in Forschung und Entwicklung tätigen.
Dass es zu diesen Auflagen im Sinne der ArbeitnehmerInnen und der europäischen Standorte gekommen ist, ist auch dem Engagement der Arbeiterkammer geschuldet. In diesem Sinne wies auch AK Steiermark-Präsident Pesserl im Gespräch mit Kommissarin Vestager darauf hin: „Wenn Entscheidungen, die durch europäische Instanzen getroffen werden, dazu führen, dass Standorte und Arbeitsplätze aus Europa abgezogen werden, würde das das Vertrauen und den Glauben der Menschen in und an ein gemeinsames Europa dramatisch erschüttern“. Kommissarin Vestager zeigte sich hier sehr aufgeschlossen, und betonte, dass es auch das Ziel der Kommission sei, den europäischen Markt zu stärken.
Neues AK EUROPA Positionspapier: Reformbedarf im Wettbewerbsrecht
Das Fusionskontrollverfahren im Fall Nidec hat einmal mehr die Auswirkungen von Wettbewerbsentscheidungen auf die ArbeitnehmerInnen und den Standort verdeutlicht. Hier besteht somit auch Reformbedarf im EU-Wettbewerbsrecht, auf welchen die Arbeiterkammer in einem neuen AK EUROPA Positionspapier hinweist. Derzeit prüft die EU-Kommission Zusammenschlüsse vorwiegend unter Wettbewerbsaspekten. Die Arbeiterkammer tritt dafür ein, in Zukunft auch Industrie- und Arbeitsmarktpolitik stärker zu berücksichtigen, etwa indem diese Aspekte als Rechtfertigungsgründe in der Fusionskontrollverordnung aufgenommen werden.
Weiteres wäre eine institutionalisierte Einbindung der BelegschaftsvertreterInnen von grundlegender Bedeutung, beispielsweise etwa durch die frühzeitige Übermittelung der Anmeldeunterlagen und eine verpflichtende Einbeziehung in das Verfahren. Anleihe könnte hier bei bereits bestehenden europäischen Rechtsakten (Übernahmerichtlinie, Betriebsübergangsrichtlinie, neues Company-Law-Package) genommen werden, die bereits Informationspflichten vorsehen. Auch Kommissarin Vestager und ihr Stab zeigten sich im Gespräch überzeugt davon, dass die frühzeitige Einbindung der ArbeitnehmerInnenvertretung in Wettbewerbsentscheidungen sehr wichtig wäre.
Großer Handlungsbedarf bei digitalen Unternehmen
Reformbedarf im Wettbewerbsrecht besteht insbesondere auch vor dem Hintergrund der fortschreitenden Digitalisierung. Die wertvollsten Unternehmen sind mittlerweile digitale Plattformen aus den USA und China. Aus Sicht der Arbeiterkammer gilt es hier vor allem die Wechselbeziehung zwischen Marktmacht und Datenmacht stärker ins Blickfeld zu nehmen. So sollte auch die Datenmacht ein Kriterium in der Fusionskontrolle werden. Ein weiterer Aspekt ist, dass sich auch das Wettbewerbsrecht stärker an faktischen Gegebenheiten richten müsste. Etwa wäre – nach aktueller Definition – fraglich, ob Amazon, der in Europa mit Abstand größte Online-Händler, über eine marktbeherrschende Stellung verfügt. Hier bräuchte es auch eine gesamtheitliche Betrachtung der Marktmacht. Schließlich ist auch die Sicherstellung eines diskriminierungsfreien Zuganges zu Internetplattformen ein wichtiges Anliegen der Arbeiterkammer. Neben dem neuen Positionspapier hat die Arbeiterkammer auch eine Studie der TU-Wien in Auftrag gegeben, welche sich mit Markt- und Datenmacht der Plattformunternehmen und möglichen Wegen der Regulierung befasst.
Weiterführende Informationen:
AK Positionspapier: Wettbewerbspolitische Forderungen aus ArbeitnehmerInnen- und KonsumentInnensicht
Studie: Internet-Plattformen als Infrastrukturen des digitalen Zeitalters