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ZurückAm 8. November 2021 fand im Europäischen Parlament eine öffentliche Anhörung mit Facebook-Whistleblowerin Frances Haugen statt. Haugen erhob erneut schwere Vorwürfe gegen Facebook und bezeichnete die Plattformen des Konzerns als Bedrohung für die Demokratie. Haugen begrüßte daher eindringlich die Bemühungen der EU, Tech-Konzerne einer verstärkten Regulierung zu unterwerfen.
Basierend auf den Enthüllungen der ehemaligen Facebook-Mitarbeiterin Frances Haugen publizierte die amerikanische Tageszeitung The Wall Street Journal Anfang September 2021 die sogenannten Facebook Files. Facebook stelle den eigenen Profit wiederholt über die Sicherheit der Nutzer:innen und das Wohl der Gesellschaft, so der Vorwurf. Die Enthüllungen fallen zeitlich mit verstärkten Bemühungen seitens der EU zusammen, große Tech-Konzerne und deren digitale Dienstleistungen endlich einer umfassenden Regulierung zu unterwerfen.
Im Dezember 2020 hatte die EU-Kommission hierzu zwei legislative Vorschläge vorgestellt: Einerseits das Gesetz über digitale Dienste, welcher durch Rechenschafts- und Transparenzregeln Nutzer:innen auf Online-Plattformen schützen und fairen Wettbewerb ermöglichen soll, und andererseits das Gesetz über digitale Märkte, welcher die Marktmacht großer Tech-Konzerne einzugrenzen sucht. Derzeit werden die beiden Gesetzesvorschläge im EU-Parlament sowie innerhalb des Rates behandelt. Die Enthüllungen über Facebook sind in diesem Sinne auch für die Abgeordneten des EU-Parlaments von besonderem Interesse. Daher wurde Frances Haugen am 8. November 2021 zu einer öffentlichen Anhörung ins EU-Parlament geladen, um dort ihre Eindrücke zu schildern und Fragen der Abgeordneten zu beantworten. Die Anhörung erfreute sich hierbei regem Interesse sowohl von Parlamentarier:innen als auch Journalist:innen.
In ihrem Eingangsstatement brachte es Haugen unmissverständlich auf den Punkt: „Die Facebook-Plattform schadet heute der Sicherheit und dem Wohlergehen unserer Gemeinschaften und bedroht die Integrität unserer Demokratien“. Über Facebook werde die Spaltung der Gesellschaft vorangetrieben, so Haugen. So werden durch Facebooks Algorithmus jene Inhalte bevorzugt, welche die Interaktionen seitens der User:innen maximieren. Dies führe jedoch dazu, dass sich polarisierende Meldungen, Fake News sowie auch zu Gewalt aufrufende Inhalte rasant auf Facebook verbreiten, vor allem in nicht-englischsprachigen Ländern. Des Weiteren sei die Nutzung von Facebook-Produkten – zu denen auch Instagram zählt – besonders schädlich für Jugendliche und vor allem weibliche Teenager. Der zentrale Vorwurf Haugens: Facebook wusste von all diesen Missständen sowie den negativen Auswirkungen seiner Produkte, entschied sich jedoch in Abwägung mit den eigenen profitzentrierten Interessen bewusst gegen zielführende Lösungsmaßnahmen. Kurz gesagt: Facebook hat seine Profite wiederholt und wissentlich über das Wohl der Menschen gestellt.
Im Angesicht dieser drängenden Problematik begrüßte Haugen explizit die rechtlichen Vorstöße der EU im Bereich der Digitalpolitik. „Das Gesetz über digitale Dienste [...] hat das Potenzial, ein globaler Goldstandard zu sein“, so Haugen. Auf Nachfrage der Abgeordneten äußerte Haugen außerdem diverse Handlungsempfehlungen für die europäische Gesetzgebung. Um die Effektivität des Gesetzes über digitale Dienste sicherzustellen, sei es zentral, Schlupflöcher zu schließen: Beispielsweise dürfe es keine Ausnahmeregelungen für Medieninhalte und die Wahrung von Geschäftsgeheimnissen geben. Des Weiteren betonte Haugen die Wichtigkeit von umfassender Transparenz, vor allem was die gesammelten Daten sowie die Algorithmen angehe. In weiterer Folge sollten diese Informationen nicht nur ausgewählten Expert:innen zugänglich gemacht werden, sondern der gesamten Zivilgesellschaft. Außerdem befürwortete Haugen die Einrichtung einer EU-weiten Regulierungsbehörde. Auf die Frage, wie sie zum Thema personalisierter Werbung stehe, sprach sich Haugen für opt-in Optionen anstatt eines umfassenden Verbots aus. Allerdings befürworte sie ein Verbot von sogenannten Dark Patterns; hierbei handelt es sich um Designelemente sozialer Medien und Websiten, welche User:innen zu Handlungen verleiten, welche nicht in deren Interesse sind.
Nach der Anhörung ist klar: Es braucht ambitionierte Gesetze, um Tech-Konzerne und deren Dienstleistungen effektiv zu regulieren und Konsument:innen zu schützen. Aus Sicht der Arbeiterkammer gehen die Gesetzesvorschläge zu Gesetz über digitale Dienste und Gesetz über digitale Märkte in die richtige Richtung. Es bedarf jedoch in einigen Bereichen noch substanzieller Nachschärfungen, wie die AK in ihren zwei Positionspapieren darlegt. Nur dann wird es möglich sein, das gesellschaftliche Wohlergehen über die Einzelinteressen von Konzernen zu stellen.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA Positionspapier: Gesetz über digitale Dienste
AK EUROPA Positionspapier: Digital Markets Act
Wall Street Journal : The Facebook Files (nur Englisch)
Netzpolitik.org: Frances Haugen: Was die Facebook-Whistleblowerin der EU rät