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Seit Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im September 2015 im Rahmen seiner Rede zur „Lage der Union“ die Entwicklung einer europäischen Säule sozialer Rechte ankündigte, ist nicht nur die Europäische Kommission damit befasst, diese Ankündigung mit Inhalten zu füllen. Auch das Europäische Parlament hat nun über einen Bericht dazu abgestimmt.

 

Im Frühjahr 2016 hat die Kommission einen ersten, vorläufigen Entwurf vorgelegt, der auf wenig Begeisterung stieß. Im dazu verfassten Positionspapier der AK findet sich dazu der generelle Befund, dass darin über allgemeine Prinzipien hinausgehende Ansätze für eine substanzielle Stärkung der sozialen Dimension der EU kaum erkennbar seien, einzelne Vorschläge sogar das Gegenteil signalisierten.

 

Bei einer von der AK mitveranstalteten Podiumsdiskussion im Dezember 2016 stellte demzufolge Josef Wöss, Abteilungsleiter der Abteilung Sozialpolitik der AK Wien, auch klar, dass es für ein sozialeres Europa einen ganzheitlichen Ansatz aus sozialem Fortschrittsprotokoll, einer Neuausrichtung der Fiskalpolitik (Stichwort „Goldene Investitionsregel“) und eine aktive Bekämpfung von Ungleichheit braucht.

 

Nun hat auch der Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten des Europäischen Parlaments unter Berichterstatterin Maria João Rodrigues dem Plenum einen Bericht vorgelegt, der in eine ganz ähnliche Kerbe schlägt und deutlich über den eher wenig ambitionierten Entwurf der Kommission hinausgeht.
Positiv sticht hervor, dass er die Forderung nach einer Rahmenrichtlinie für angemessene Arbeitsbedingungen und einschlägige Mindeststandards beinhaltet, also rechtsverbindlich wirkt, und sich so von den Vorstellungen der Kommission, über Empfehlungen eine „politische Verbindlichkeit“ zu erreichen, deutlich abhebt.
Des Weiteren wird an mehreren Stellen des Berichts auf die Sinnhaftigkeit und dringende Notwendigkeit von „sozialen Investitionen“ verwiesen – Investitionen etwa in qualifizierte Kinderbetreuung, medizinische Versorgung, aktive Arbeitsmarktpolitik und last but not least die „Förderung digitaler Kompetenzen“, einen Bereich, in dem in vielen Ländern Europas großer Nachholbedarf besteht.


Im Zuge der voranschreitenden Digitalisierung, der sich dadurch schnell veränderten Erwerbsarbeitswelt und der mit ihr verbundenen Beschäftigungsformen (Stichwort „Atypisierung“) fordert der Bericht eine Umbasierung der sozialen Sicherungssysteme. Eine Umfinanzierung in Form einer Entlastung des Faktors Arbeit durch einen höheren Anteil steuerlicher – vorrangig erwerbsunabhängiger – Finanzierungsformen ließe positive Beschäftigungseffekte erwarten und könnte mit verteilungspolitisch und ökologisch erwünschten Anreizen verbunden werden. Der Bericht betont unter anderem auch, dass bei der Diskussion um eine Erhöhung des Renteneintrittsalters nicht nur die Lebenserwartung, sondern auch noch andere Faktoren berücksichtigt werden sollen, wie etwa die Entwicklungen in der Produktivität, der Belastungsquotient der Erwerbsbevölkerung sowie die unterschiedlichen Beschwerlichkeiten der ausgeübten Berufe.

 

Alles in allen bietet der Bericht des Parlaments einige positive Anknüpfungspunkte für eine tatsächliche „soziale Aufwärtskonvergenz“. Der Bericht wurde am Donnerstag, 19.1.2017 mit 396 zu 180 Stimmen im Plenum angenommen. Der Ball liegt nun wieder bei der Kommission. Man darf weiter gespannt bleiben...

 

Weiterführende Informationen:

Bericht zu einer europäischen Säule sozialer Rechte

Gemeinsame Erklärung von ÖGB, UNI Europa, GPA-djp zu Digitalisierung, Arbeit und Beschäftigung in der EU

Blog Arbeit & Wirtschaft: Konsultation über die Europäische Säule sozialer Rechte: Jetzt ein Zeichen setzen für ein soziales Europa

Blog Arbeit & Wirtschaft: Eine Europäische Säule sozialer Rechte: Chance für ein soziales Europa?

Blog Arbeit & Wirtschaft: Öffentliche Investitionen als zentrales Element einer sozial-ökologischen Erneuerung