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ZurückMit dem EuGH-Urteil vom 10. September 2024 zu Irlands Steuerbegünstigungen für Apple endet der jahrelange Rechtsstreit zwischen Apple, Irland und der EU-Kommission. Damit wurde ein wesentlicher Gewinn für die EU-Bürger:innen und in Sachen Steuergerechtigkeit in Europa erzielt. Apple muss Steuernachzahlungen in Höhe von 13 Milliarden Euro an Irland leisten. Was bedeutet das Urteil für die Zukunft der Steuergerechtigkeit in Europa?
Bereits 2016 stufte die EU-Kommission Irlands Steuerbegünstigungen für Apple in einem förmlichen Prüfverfahren als wettbewerbsverzerrende unzulässige Beihilfe ein, wogegen Irland und Apple sich mit Nichtigkeitsklagen gemeinsam zur Wehr gesetzt haben. 2020 gab das Europäische Gericht (EuG) dem Unternehmen recht, nachdem es zwar eine lückenhafte Steuergesetzgebung, allerdings keine unzulässige Bevorteilung erkannt hatte. Nach weiteren rechtlichen Schritten unter Einbeziehung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) teilt dieser jüngst jedoch endgültig die Einschätzung der EU-Kommission: Irlands Steuergesetzgebung stellt eine unrechtmäßige Steuerbegünstigung dar, die es Apple erlaubte, in den Jahren 1991-2014 rund 13 Milliarden Euro zu wenig an Steuern zu entrichten. Da eine Steuerregelung in dieser Form nur Apple gewährt wurde, lag damit ein wettbewerbsverzerrender „selektiver Vorteil“ vor.
Apples Unternehmensstruktur und staatliche Beihilfen durch Irland
Apple Inc. hat in Irland Zweigniederlassungen von Apple Sales International Ltd. (ASI) und Apple Operations Europe Ltd. (AOE). Apple argumentierte, dass die irischen Niederlassungen primär den Verkauf und Vertrieb in Europa und anderen Regionen wie Indien regelten, alle anderen Arbeitsschritte zur Gestaltung und Produktion der Geräte jedoch überwiegend in den USA vorgenommen würden. Auf dieser Basis erließ die irische Finanzverwaltung Steuervorbescheide an diese beiden Gesellschaften (ASI, AOE) in den Jahren 1991 und 2007, in denen die steuerpflichtigen Gewinne als Prozentsatz lediglich der Betriebskosten der Niederlassungen festgelegt wurden. Diese Gesellschaften galten steuerlich allerdings nicht in Irland als ansässig. Und dank dieser Begründung, dass die Verwaltungssitze dieser beiden Gesellschaften sich nicht in Irland befinden würden, blieb ein Großteil der Gewinne faktisch unversteuert. Wegen dieses Konstrukts lag die effektive Gewinnsteuerrate der irischen Tochterfirmen des Technologiegiganten beispielsweise im Jahr 2011 bei lediglich 0,05 % und im Jahr 2014 sogar nur mehr bei 0,005 %.
Reaktionen auf das Urteil
Nach einigen Fehlschlägen vor dem EuGH konnte Margrethe Vestager kurz vor dem Ende ihres Mandats als EU-Kommissarin für Wettbewerb doch noch einen Erfolg erzielen. Sie sieht das Urteil als Bestätigung ihrer langjährigen Bestrebungen im Kampf gegen Steuervermeidung. Sie hält fest, dass es sich für Unternehmen mehr lohne, sich an die Regeln zu halten und dass faire Wettbewerbsbedingungen die Innovation fördern würden. Die EU-Kommission werde jedenfalls weiter gegen Unternehmen, die gegen die Regeln verstoßen, vorgehen.
Ein Großteil der EU-Parlamentarier:innen begrüßte das Urteil. Sie sprachen sich für eine faire Besteuerung von Unternehmen zur Förderung des fairen Wettbewerbs im Binnenmarkt, der Wettbewerbsfähigkeit und der Finanzierung von öffentlichen Ausgaben aus. Evelyn Regner (S&D) sieht das Urteil als „bahnbrechend im Kampf gegen Steuervermeidung, denn damit ist klar: Steuertricks sind nicht nur moralisch verwerflich, sondern jetzt auch illegal. Damit trocknen wir die Steuersümpfe Europas mehr und mehr aus.“ Andere finden das Urteil an und für sich zwar erfreulich, betonten aber, dass es dabei lediglich um Beihilfen gehe, und die Mitgliedsstaaten die Entscheidungshoheit bei Steuerregelungen behalten müssen. Die EU-Kommission und EU-Gerichte greifen in dieser Angelegenheit nicht direkt in die Steuerregelungen der Mitgliedsstaaten ein, sondern prüfen, ob die bestehenden Steuerrechtssysteme national einheitlich auf Unternehmen angewandt werden.
Tove Maria Ryding vom European Network on Debt and Development (Eurodad) merkt an, dass das Urteil und die Verfahrensdauer zeigen, wie komplex und unfair es in diesem Bereich zugehe: „Wenn wir ein faires, transparentes und effektives globales Steuersystem hätten, würde es keine 10 Jahre dauern um festzustellen, ob es für ein Unternehmen legal ist, deutlich weniger als 1% Steuern zu entrichten.“
Die Folgen von aggressiver Steuervermeidung
Manche EU-Mitgliedsstaaten ermöglichen aggressive Steuerplanung, um ihre Standorte attraktiver für große multinationale Unternehmen zu machen, so auch im vorliegenden Fall. Die Handlungsweise Irlands legt nahe, dass das Land nicht daran interessiert war, Apple höher zu besteuern, um den Standort des Unternehmens im Land zu behalten. Irland hatte schließlich sogar gemeinsam mit Apple gegen den Beschluss der EU-Kommission geklagt. Diese Art der Steuervermeidung geschieht auf Kosten anderer Mitgliedsstaaten, die eine faire Besteuerung von Unternehmen anstreben, und führt zu Wettbewerbsverzerrungen. Kleine und mittlere Unternehmen, die ihren angemessenen Steuerbeitrag leisten, sind dadurch kostenmäßig im Nachteil.
Wie geht es weiter mit der Steuergerechtigkeit?
Zwar haben Irland und andere Mitgliedsstaaten mittlerweile ihre Steuerstrukturen so verändert, dass solche Fälle nicht mehr möglich sind. Es braucht aber auch gemeinsame globale und EU-weite Initiativen, um einen „Wettlauf nach unten“ in der Steuergesetzgebung für Unternehmen zu verhindern. Die AK fordert schon lange effektivere Maßnahmen im Kampf gegen Steuersümpfe. Die OECD-Erklärung und darauffolgende EU-Richtlinie zur Mindestbesteuerung großer Konzerne sind ein guter Anfang. Von der EU-Kommission gibt es einen aktuellen Vorschlag für harmonisierte Verrechnungspreisvorschriften. Auch die Vereinten Nationen verhandeln über eine neue Global Tax Convention. Zur Finanzierung von Infrastruktur, Bildung, Sozialwesen, öffentlicher Gesundheit oder Reparaturen von Katastrophenschäden wie sie bei den diesjährigen Unwettern entstanden sind, werden schließlich öffentliche Einnahmen dringend gebraucht. Aus Sicht der AK müssen auch große Unternehmen ihren Beitrag in Form von fairen Steuern leisten.
Weiterführende Informationen
EuGH: Urteil C-465/20 P, EU-Kommission gegen Irland, Apple
EU-Kommission: Remarks by Executive Vice-President Vestager (nur Englisch)
AK EUROPA: Mindestbesteuerung großer Konzerne wird Realität
AK: Mein Recht auf ein gerechtes Steuersystem
A&W-Blog: Internetgiganten sind ein Fall für das EU-Missbrauchsrecht
Social Europe: Ireland, the EU and the Apple tax case (nur Englisch)
Euractiv: Top EU court orders Apple to pay €13 billion tax bill (nur Englisch)
Forbes: Getting To The Core Of The Apple State Aid Decision (nur Englisch)