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ZurückDie Europäische Kommission treibt ihre Handelsagenda weiter voran. Ihr aktuellstes Unterfangen ist die Aufnahme von Verhandlungen mit Australien und Neuseeland über zwei neue Handelsabkommen. Zwar bekommen beide Abkommen vorerst keine Investitionsschutzkapitel, zahlreiche Mängel sind aber dennoch vorhanden. Aus ArbeitnehmerInnensicht müssen die Einhaltung sowie der Ausbau von Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards festgeschrieben werden. Nur so kann es einen fairen Handel für alle tatsächlich geben.
Im Zuge der Rede zur Lage der Union von Kommissionspräsident Juncker veröffentlichte die Kommission ein umfangreiches Paket zum Thema Handel. Neben Vorschlägen zum Investment Screening und der Ausgestaltung eines Multilateralen Schiedsgerichtshofs beinhaltet das Paket auch zwei Entwürfe zur Aufnahme von Verhandlungen für bilaterale Handelsabkommen zwischen der EU und Australien, respektive Neuseeland. Beide Übereinkünfte werden sich somit in die Reihe der EU-Handelsabkommen der neuen Generation einordnen, welche durch umfangreiche Liberalisierungen verschiedenster Bereiche sowie die Inkludierung eines Nachhaltigkeitskapitels gekennzeichnet sind.
Nach einer genauen Analyse der Entwürfe zu den Handelsabkommen mit Australien und Neuseeland durch ExpertInnen der AK werden eine Reihe von Schwachstellen offenbart. Die Formulierung der Bestimmungen zur Regulierungszusammenarbeit sind, wie auch schon in anderen EU-Handelsabkommen, unzureichend. In Folge dessen muss durch eine Harmonisierung von Regeln tendenziell eine Absenkung von Standards befürchtet werden. In diesem Zusammenhang hat eine dezidierte Verankerung des europäischen Vorsorgeprinzips, genauso wie die Einbindung von SozialpartnerInnen und zivilgesellschaftlichen Organisationen bei der Regulierungszusammenarbeit durchgesetzt zu werden. Im Bereich der Liberalisierung von Dienstleistungen muss die Ausnahme von sensiblen Sektoren, wie z.B. die Daseinsvorsorge, garantiert werden. Hierbei soll der sogenannte Positivlistenansatz zur Anwendung kommen. Dieser sieht die explizite Auflistung jener öffentlichen Dienstleistungen vor, die in den Anwendungsbereich der Handelsabkommen fallen sollen. Darüber hinaus gibt es auch beim Entwurf zum Nachhaltigkeitskapitel schwerwiegende Mängel. Die Hauptkritikpunkte, wie auch schon in einer AK-Stellungnahme zum Diskussionspapier der Kommission über die mögliche künftige Ausgestaltung von Nachhaltigkeitskapiteln festgehalten, betreffen im konkreten Fall das Fehlen eines Sanktionsmechanismus sowie die verpflichtende Ratifikation, Umsetzung und Anwendung aller acht ILO-Kernarbeitsnormen durch die Vertragsparteien vor Aufnahme der Verhandlungen. Schließlich fehlt bei den Handelsmandaten eine umfangreiche Folgenabschätzung. Momentan veranschlagt die Kommission lediglich ein langfristiges Wachstum von 0,02%. Dies stellt kein starkes Argument für den wirtschaftlichen Nutzen der Abkommen dar.
Investitionsschutz - vorerst ausgeklammert
In den Entwürfen zu beiden Handelsmandaten ist der Investitionsschutz bis dato explizit ausgenommen. Die Beweggründe der Kommission kein Investitionsschutzkapitel einzubauen, ergeben sich einerseits aus den Erfahrungen beim Ratifikationsprozess für CETA, andererseits aus dem sogenannten Singapur-Urteil des EuGHs. Letzteres brachte juristische Klarheit über die Kompetenzverteilung bei der Unterzeichnung von EU-Handelsabkommen. Der Investitionsschutz ist eindeutig eine geteilte Kompetenz zwischen der EU und den Mitgliedsstaaten. Daher müssen auch alle nationale Parlamente Handelsabkommen mit Investitionsschutzkapiteln ratifizieren, damit diese in Kraft treten können. Da dies, wie am Beispiel CETA zu sehen, ein langwieriges und konfliktbehaftetes Unterfangen ist, geht die Kommission im Fall von Australien und Neuseeland den Weg der „Split Agreements“. Somit wird der Investitionsschutz aus den Abkommen ausgenommen und könnte möglicherweise in einem getrennten Abkommen zu einem späteren Zeitpunkt geregelt werden. Das eigentliche Handelsabkommen fällt damit in die ausschließliche Kompetenz der EU-Institutionen und bedarf keiner Ratifizierung durch die nationalen Parlamente.
Die generelle Notwendigkeit eines überstaatlichen Schiedsgerichts, abseits der nationalen Rechtsrahmen, ist jedoch grundsätzlich zu hinterfragen. Auch wenn von Seiten der EU ein multilateraler Schiedsgerichtshof anstelle des alten ISDS-Mechanismus priorisiert wird, geht die Kommission im neuen System nicht davon ab, multinationalen Konzernen privilegierte Klagsrechte einzuräumen und Entscheidungen dieses Gerichtshofs unter Umständen über demokratisch legitimierte Gesetze zu stellen. Aus Sicht der AK braucht es auf internationaler Ebene vorrangig effektive Durchsetzungsmöglichkeiten für Grundrechte generell, nicht aber eine weitere Verfestigung und Ausweitung von privilegierten Klagsrechten für Konzerne.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: Europäische Handelspolitik – Zerren um die Durchsetzbarkeit von ArbeitnehmerInnenrechten
AK EUROPA: CETA und die Zukunft europäischer Freihandelsabkommen
AK EUROPA: Arbeitsstandards endlich sanktionsfähig in Handelsabkommen etablieren!
AK-Stellungnahme: Multilaterale Reform der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit
Blog Arbeit & Wirtschaft: Post-Singapur-Architektur der europäischen Handelspolitik