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ZurückAngesichts des nach wie vor breiten Widerstands gegen den Abschluss des EU-Mercosur-Abkommens plant die EU-Kommission künftig die Zerteilung von Assoziierungsabkommen. Dies würde im Moment vorrangig das EU-Mercosur-Abkommen betreffen, wo der umstrittene Handelsteil trotz berechtigter Kritik schneller und ohne Zustimmung der einzelnen nationalen Regierungen bzw Parlamente in Kraft gesetzt werden könnte. Mehr als 200 Organisationen der Zivilgesellschaft, darunter auch die AK, kritisieren dieses Vorhaben in einem offenen Brief und fordern die Entscheidungsträger:innen auf, die demokratische Mitbestimmung der einzelnen Mitgliedstaaten nicht zu gefährden.
Konkret möchte die EU-Kommission bereits verhandelte umfassende Abkommen mit Drittstaaten, in denen politische Fragen der Zusammenarbeit, Handelsbeziehungen oder Investitionsregeln vereinbart wurden, für die Beschlussfassung in die jeweiligen Bereiche aufteilen. Dieses Vorgehen, welches auch als „Splitting“ bezeichnet wird, hätte zur Folge, dass etwa beim EU-Mercosur-Abkommen der umstrittene Handelsteil nicht mehr mit Einstimmigkeit im Rat beschlossen werden müsste und auch keine Zustimmung der nationalen Parlamente – wie bei gemischten Abkommen vorgesehen – mehr notwendig wäre.
Durch die Änderung der Verfahrensregeln möchte die EU-Kommission sicherstellen, dass das von ihr ausgehandelte EU-Mercosur-Abkommen trotz der Kontroversen über Abholzung, Klimawandel und Menschenrechtsverletzungen schnell in Kraft tritt. Das Abkommen gibt allerdings nicht die notwendigen Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit, sondern stellt sowohl für das Weltklima als auch für Beschäftigte eine Gefahr dar. So sind massive Beschäftigungsverluste in der Industrie in den südamerikanischen Staaten des Mercosur zu befürchten, ebenso wie die noch stärkere Abholzung des Amazonas-Regenwaldes. Damit sich das Abkommen für die Staaten Südamerikas lohnt, müssten sie noch mehr landwirtschaftliche Produkte in die EU exportieren. Dies wäre aber nur möglich, wenn weitere landwirtschaftliche Anbauflächen durch die Rodung des Amazonas gewonnen werden. Insgesamt widerspricht das geplante Abkommen somit dem Ziel nachhaltiger Handelspartnerschaften.
Zulässige Bedenken sollen umgangen werden
Hintergrund des Vorstoßes der EU-Kommission sind wiederholt geäußerte Bedenken unterschiedlicher Regierungen gegen das Abkommen mit den südamerikanischen Staaten. Der österreichische Nationalrat hat sich bereits im Jahr 2019 mit den Stimmen aller Parlamentsparteien, mit Ausnahme der NEOS, gegen den Abschluss des Abkommens ausgesprochen. Damit wurde die Regierung verpflichtet, dem Abkommen auf EU-Ebene nicht zuzustimmen. Auch in den Niederlanden und den belgischen Regionen Wallonien und Brüssel-Hauptstadt ist derzeit keine Zustimmung der Parlamente zum Abkommen zu erwarten, weshalb die EU-Kommission nun den dargelegten Weg einschlagen möchte.
Breite Kritik am geplanten Vorgehen
Aus Sicht der AK ist der Plan der EU-Kommission, umfassende Assoziierungsabkommen aufzuspalten und damit die Zustimmung der einzelnen Mitgliedstaaten zu umgehen, strikt abzulehnen. AK-Präsidentin Renate Anderl äußerte sich besorgt und rief Wirtschaftsminister Martin Kocher dazu auf, demokratisches Vorgehen auf EU-Ebene einzumahnen. Sollte sich die EU-Kommission mit ihrem Plan durchsetzen, würde der österreichische Nationalrat seine Entscheidungsrechte in diesem Bereich verlieren. Gemeinsam mit mehr als 200 anderen Organisationen der Zivilgesellschaft fordert die AK deshalb in einem offenen Brief die zuständigen Entscheidungsträger:innen auf, von einer Zerteilung von Assoziierungsabkommen abzusehen und die demokratischen Teilhaberechte nicht zu untergraben.
Auch im Europäischen Parlament regt sich Widerstand gegen das Vorhaben der EU-Kommission. In einem von Marie-Pierre Vedrenne (Renew) verfassten und von 40 weiteren Parlamentarier:innen unterzeichneten Brief an Handelskommissar Valdis Dombrovskis wird die geringe Wertschätzung des Vorhabens gegenüber dem demokratischen Prozess hervorgehoben und kritisiert. Die EU-Kommission dürfe demnach nicht über die Mitgliedstaaten bzw die nationalen Parlamente hinweg über das Zustandekommen bestimmter Abkommen entscheiden.
Weiterführende Informationen:
AK Wien: AK warnt – EU-Kommission will Klimakiller Mercosur am Nationalrat vorbei schummeln
Politico: Brussels launches power grab to fast-track EU trade deals (Nur in Englisch)