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ZurückNachdem die EU-Kommission am 23. Februar 2022 einen Richtlinienvorschlag für ein EU-Lieferkettengesetz vorgelegt hat, konnte sich am 1. Dezember 2022 der Rat der EU auf eine allgemeine Ausrichtung verständigen. Diese Einigung stellt zwar einen wichtigen Schritt im Gesetzgebungsprozess dar, aus Sicht der AK ist der Standpunkt des Rates aber nicht ambitioniert genug.
Insgesamt fanden im Zeitraum von Februar bis November 2022 zwölf Verhandlungen zwischen den Verteter:innen der Mitgliedstaaten statt, um eine gemeinsame Verhandlungsposition festzulegen. Der nun veröffentlichte Kompromiss gleicht in vielen Bereichen dem Vorschlag der EU-Kommission, enthält jedoch vor allem hinsichtlich des ohnehin zu engen Anwendungsbereichs weitere Einschränkungen. So soll der Finanzsektor ausgenommen werden und den Mitgliedstaaten lediglich die Möglichkeit offenstehen, diesen Sektor freiwillig den Sorgfalts- und Nachhaltigkeitspflichten zu unterwerfen. Während auch die Schwellenwerte unverändert hoch bleiben und damit weiterhin nur ein äußerst geringer Anteil der Unternehmen in der EU umfasst wäre, wird zusätzlich der zeitliche Horizont der Umsetzung ausgedehnt. Die Vorschriften sollen nach Ansicht des Rates nämlich erst vier bzw fünf Jahre (abhängig von der Größe der Unternehmen) nach Inkrafttreten der Richtlinie angewendet werden. Lediglich in Bezug auf sehr große Unternehmen mit 1000 Beschäftigten und mehr als 300 Millionen Euro Nettoumsatz wird die Anwendung der Vorschriften bereits drei Jahre nach Inkrafttreten befürwortet.
Als positiver Aspekt des Ratskompromisses kann hervorgehoben werden, dass Gewerkschaften nun explizit als Stakeholder:innen erwähnt werden. Die Einbeziehung der unterschiedlichen Interessenvertretungen in den gesamten Sorgfaltsprozess des Unternehmens bleibt jedoch weiterhin ausbaufähig.
Österreichs Rolle kritisch zu beurteilen
Auf nationaler Ebene brachte sich die AK gemeinsam mit dem ÖGB und Organisationen der Zivilgesellschaft aktiv in den Legislativprozess ein. Seitens der Ministerien erfolgten eine breite Einbindung und eine offen geführte Debatte, was von der AK ausdrücklich begrüßt wurde. Darüber hinaus unterstützt die AK auch die europäische Kampagne „Justice Is Everybody’s Business“ (Gerechtigkeit geht alle an), welche im September 2022 gestartet wurde und sich mit ihren Forderungen nach einem umfassenden und gerechten EU-Lieferkettengesetz an die europäischen Entscheidungsträger:innen wendet.
Im Vorfeld des entscheidenden Minister:innentreffens am 1. Dezember 2022 wandte sich AK-Präsidentin Renate Anderl auch persönlich an Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher und forderte ihn neben einer Zustimmung zum EU-Lieferkettengesetz auch zu einem Einsatz für eine starke Regelung, inklusive Aufnahme des Finanzsektors in den Anwendungsbereich des Lieferkettengesetzes, auf. Österreich enthielt sich jedoch bei der abschließenden Abstimmung im Rat und war somit nicht Teil der Länder, die die allgemeine Ausrichtung im Rat auf den Weg brachten. Insbesondere aufgrund der zuvor konstruktiven Arbeitsweise der zuständigen Ressorts sorgte die Enthaltung von Arbeits- und Wirtschaftsminister Kocher für Unverständnis und Enttäuschung bei den österreichischen Befürworter:innen des EU-Lieferkettengesetzes.
Die weiteren Schritte
Im EU-Parlament hat Berichterstatterin Lara Wolters (S&D) am 7. November 2022 im Rahmen einer Sitzung des zuständigen Rechtsausschusses (JURI) einen sehr ambitionierten Berichtsentwurf zum Richtlinienvorschlag der EU-Kommission vorgelegt. Die Abstimmung ist im JURI-Ausschuss im Frühjahr 2023 geplant, woraufhin in weiterer Folge auch das Plenum des EU-Parlaments über den Bericht entscheiden wird. Nachdem damit auch das EU-Parlament über eine offizielle Position abgestimmt haben wird, können anschließend die sogenannten „Trilogverhandlungen“ mit der EU-Kommission und dem Rat der EU beginnen. Ziel sollte es sein, das Dossier unbedingt noch in dieser Legislaturperiode - also bis Mai 2024 - abzuschließen, da andernfalls mit erheblichen Verzögerungen zu rechnen ist. Im Sinne der Opfer von Menschenrechtsverletzungen sollte das Ziel aller Verhandler:innen sein, möglichst schnell ein umfangreiches und schlagkräftiges EU-Lieferkettengesetz zu verabschieden.
Weiterführende Informationen:
Rat der Europäischen Union: Rat legt Standpunkt zu Sorgfaltspflichten von großen Unternehmen fest
AK Wien: AK-Anderl zu Kocher - „Stimmen Sie für ein gerechtes EU-Lieferkettengesetz!“