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ZurückIm Laufe des Augusts wurden immer mehr Namen der Kandidat:innen für die neue EU-Kommission bekannt, diese Woche folgten die letzten Nominierungen. Entgegen dem Wunsch der designierten EU-Kommissionspräsidentin spielten Fragen der Geschlechterparität dabei keine große Rolle, nur Bulgarien reichte einen Zweiervorschlag ein. Mitte nächster Woche will Ursula von der Leyen nun ihren Vorschlag präsentieren, wie die nächste EU-Kommission aussehen soll. Die Anhörungen in den Fachausschüssen des EU-Parlaments sollen Mitte Oktober folgen.
Nachdem Ursula von der Leyen am 18. Juli 2024 auf der Grundlage ihrer politischen Leitlinien als Präsidentin der EU-Kommission wiedergewählt wurde, galt es – mit Ausnahme von Kaja Kallas, die bereits als künftige EU-Außenbeauftragte feststand –, die Kandidat:innen für die neue EU-Kommission zu finden. Das Vorschlagsrecht liegt bei den Mitgliedstaaten, wobei sich die Mitglieder der EU-Kommission laut EU-Vertrag durch ihre allgemeine Befähigung, ihren Einsatz für Europa und ihre Unabhängigkeit auszeichnen. Damit soll sichergestellt werden, dass die EU-Kommission ihre zentralen Aufgaben erfüllen kann. Dazu gehören die Überwachung der Anwendung des Unionsrechts und die Erarbeitung von Gesetzesvorschlägen.
Um diesen Aufgaben nachzukommen, beschließt die EU-Kommissionspräsidentin die interne Organisation der Kommission und ernennt aus dem Kreis der Kommissionsmitglieder die Vizenpräsident:innen. Ursula von der Leyen strebte dabei bereits in ihrer ersten Amtszeit eine nach Geschlechtern ausgewogen besetzte EU-Kommission an. Im Spitzengremium, bestehend aus der EU-Kommissionspräsidentin und den Exekutiv-Vizepräsident:innen, wurde dieses Kriterium eingehalten. Die direkten Stellvertreter:innen der Präsidentin waren Frans Timmermans (European Green Deal, ab August 2023 ersetzt durch Maroš Šefčovič), Margrethe Vestager (Europa für das digitale Zeitalter) und Valdis Dombrovskis (Wirtschaft im Dienste der Menschen). Auch insgesamt war das Geschlechterverhältnis seit August 2020, als die irische Kommissarin Mairead McGuinness für Phil Hogan nachrückte, ausgewogen.
Unausgewogenes Geschlechterverhältnis
Geht es nach den Vorschlägen der Mitgliedstaaten, nähert sich dieses Verhältnis wieder jenem der vorhergehenden Legislaturperioden unter José Manuel Barroso und Jean-Claude Juncker an. Nur Bulgarien ist dem Wunsch von der Leyens nachgekommen, sowohl eine Frau als auch einen Mann zu nominieren. Bis zum Ablauf der Frist am 30. August waren sieben Frauen nominiert (Bulgarien, Estland, Finnland, Kroatien, Portugal, Schweden und Spanien), zu Beginn dieser Woche kamen zwei weitere hinzu (Belgien und Rumänien). Und noch ein Verhältnis verschiebt sich deutlich: Aufgrund des gestiegenen Gewichts der Europäischen Volkspartei (EVP) auf Ratsebene) ist eine deutliche Mehrheit der Kandidat:innen von der Leyens eigener Parteienfamilie zuzurechnen (siehe unten).
Die EU-Kommissionspräsidentin führt nun mit allen Kandidat:innen Einzelgespräche, Mitte nächster Woche möchte sie das gesamte Kollegium mit den jeweiligen Rollen und der Ressortverteilung vorstellen. Ob jene Mitgliedstaaten, die auf Frauen setzen, dabei einen Startvorteil haben, wird sich in einer Woche zeigen. Bisher gibt es nur Gerüchte über die künftige Struktur. Demnach könnte von der Leyen in ihrer nächsten Amtszeit die Zahl der Exekutiv- Vizepräsident:innen auf 5 oder 6 erhöhen und im Gegenzug auf die sonstigen Vizepräsident:innen verzichten. Und sie wird bei der Bestellung der Exekutiv-Vizepräsident:innen wohl besonders auf einen Ausgleich zwischen den europäischen Parteien achten. Mit dem italienischen Kandidaten Raffale Fitto wird voraussichtlich erstmals ein Vertreter der Partei der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) zum Zuge kommen.
Worauf wird das EU-Parlament achten?
Anders als bisher muss die EU-Kommissionspräsidentin dem EU-Parlament nicht über nur die Geschäftsbereiche, sondern auch über die geplante Struktur und das Geschlechterverhältnis informieren. Es bleibt abzuwarten, wie die EU-Abgeordneten die vorgeschlagenen Kandidat:innen bewerten werden. Erst nach einer genauen Prüfung durch das Parlament können die Kandidat:innen schlussendlich vereidigt werden. Im Zuge dessen werden neben der fachlichen Eignung auch die persönlichen Finanzen der Kandidat:innen und mögliche Interessenskonflikte überprüft. Die fachlichen Anhörungen im EU-Parlament sollten eigentlich bereits im September beginnen, werden sich aber voraussichtlich verzögern. Erst wenn alle designierten Kommissar:innen von den zuständigen Ausschüssen bestätigt wurden, kann das EU-Parlament über das gesamte Kollegium abstimmen. Sollten einzelne Kandidat:innen nicht bestehen, kommt es zu weiteren Verzögerungen. Aus heutiger Sicht wird die neue EU-Kommission voraussichtlich am 1. Dezember ihr Amt antreten.
Die Kandidat:innen
Belgien: Hadja Lahbib (Außenministerin, ALDE)
Bulgarien: Ekaterina Sachariewa (Ex-Außenministerin, EVP) und Julian Popow (Ex-Umweltminister)
Dänemark: Dan Jørgensen (Minister für Entwicklungszusammenarbeit und Globale Klimapolitik, SPE)
Estland: Kaja Kallas (designierte EU-Außenbeauftragte, ALDE)
Finnland: Henna Virkkunen (EU-Abgeordnete, EVP)
Frankreich: Thierry Breton (Binnenmarktkommissar)
Griechenland: Apóstolos Tzitzikóstas (ehem. Präsident des Europ. Ausschusses der Regionen, EVP)
Irland: Michael McGrath (Finanzminister, ALDE)
Italien: Raffaele Fitto (Minister für Europäische Angelegenheiten, EKR)
Kroatien: Dubravka Šuica (EU-Kommissarin für Demokratie und Demografie)
Lettland: Valdis Dombrovskis (EU-Kommissionsvizepräsident und Kommissar für Handel)
Litauen: Andrius Kubilius (EU-Abgeordneter, EVP)
Luxemburg: Christophe Hansen (ehem. EU-Abgeordneter, EVP)
Malta: Glenn Micallef (bisher ranghöchster Mitarbeiter des Premierministers, SPE)
Niederlande: Wopke Hoekstra (EU-Klimakommissar, EVP)
Österreich: Magnus Brunner (Finanzminister, EVP)
Polen: Piotr Serafin (EU-Botschafter, EVP)
Portugal: Maria Luísa Albuquerque (ehem. Finanzministerin, EVP)
Rumänien: Roxana Mînzatu (EU-Abgeordnete, SPE)
Schweden: Jessika Roswall (Europaministerin, EVP)
Slowakei: Maroš Šefčovič (EU-Kommissionsvizepräsident)
Slowenien: Tomaž Vesel (ehem. Rechnungshofpräsident)
Spanien: Teresa Ribera (Ministerin für ökologischen Wandel, SPE)
Tschechien: Jozef Síkela (Industrieminister, EVP)
Ungarn: Olivér Várhelyi (Erweiterungskommissar)
Zypern: Costas Kadis (ehem. Minister, Professor für Biodiversität)
Weiterführende Informationen
Euractiv: Herausforderung für von der Leyen: Auswahl der neuen EU-Kommissare
AK Infobrief EU & International: Wer gibt in Brüssel den Ton an?
EU-Parlament: Timeline to new EU institutional leadership (nur Englisch)
EU-Parlament: European Commission. Facts and Figures (nur Englisch)
POLITICO: The full lineup for the new EU Commission (nur Englisch)
POLITICO: Ursula von der Leyen’s second term from hell (nur Englisch)
POLITICO: European Parliament’s scheduling fiasco risks delaying commissioner hearings (nur Englisch)