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ZurückVor dem Hintergrund steigender Energiepreise und hoher Inflation haben Mindestsicherungssysteme EU-weit noch mehr an Bedeutung gewonnen. Als letztes Auffangnetz sind gut ausgebaute Mindestsicherungsleistungen essenziell, um Menschen aus der Armut zu helfen und drohende Armut abzuwenden. Die EU-Kommission hat nun einen Vorschlag vorgelegt, welche den Mitgliedstaaten als Leitlinie bei einer angemessenen und inklusiven Gestaltung ihrer Mindesteinkommensregelungen dienen soll.
Nach Angaben von Eurostat waren 2021 ca. 21,7 % der EU-Bevölkerung von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Um diese Menschen zu unterstützen und ihnen ein nach der europäischen Säule sozialer Rechte zustehendes würdevolles Leben zu gewährleisten, bedarf es eines umfassenden Systems der Mindestsicherung. Diese Leistungen können bei guter Ausgestaltung neben der konkreten Unterstützung der Betroffenen auch zum Abbau sozialer Ungleichheit beitragen. Hier möchte die EU-Kommission mit ihrem Vorschlag ansetzen.
Richtschnur zur Verbesserung der nationalen Mindestsicherungssysteme
Im Zentrum der Empfehlung steht das Ziel für die Mitgliedstaaten, bis spätestens 2030 angemessene Mindesteinkommenssysteme zu implementieren. Konkret soll dabei allen Menschen, die auf eine solche Unterstützung angewiesen sind, eine Mindestsicherung zukommen. Die Kriterien sind diesbezüglich transparent und diskriminierungsfrei zu gestalten, um nicht bestimmte Personengruppen auszuschließen oder zu vernachlässigen. Außerdem müssen den potenziell Betroffenen alle notwendigen Informationen über die Möglichkeit einer Mindesteinkommensunterstützung niederschwellig gegeben und Stigmatisierungen bekämpft werden, damit diese Hilfeleistungen auch tatsächlich in Anspruch genommen werden. Bezüglich des zeitlichen Horizonts ist eine Frist von 30 Tagen, innerhalb welcher ein Mindesteinkommensantrag beantwortet werden muss, vorgesehen.
Parallel zum Bezug von Mindestsicherungsleistungen soll aus Sicht der EU-Kommission auch sichergestellt werden, dass sich durch gezielte Aus- oder Weiterbildungsmaßnahmen die Möglichkeiten für einen (Wieder-)Einstieg in den Arbeitsmarkt verbessern. In diesem Zusammenhang ist auch der Dialog mit Arbeitgeber:innen erforderlich, um Einstellungsanreize zu schaffen. Auch auf eine Erleichterung des Zugangs zu sozialen Dienstleistungen wie Gesundheitsversorgung oder Kinderbetreuung wird im Vorschlag hingewiesen. Zuletzt sind auch auf Verwaltungsebene die zuständigen Behörden so auszustatten, dass genügend Kapazitäten zur zeitgerechten Umsetzung der Regelungen zur Verfügung stehen.
Hinsichtlich der Finanzierung solcher umfangreicher Mindesteinkommenssysteme verweist die EU-Kommission auf die vorhandenen EU-Mittel, welche den Mitgliedstaaten zur Verfügung stehen. So sollen mindestens 25 % der Zuweisungen aus dem Europäischen Sozialfonds Plus zur Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung eingesetzt werden.
AK: Mangelnde Verbindlichkeit als wesentlicher Schwachpunkt
Aus Sicht der AK ist die Initiative der EU-Kommission zu begrüßen und enthält inhaltlich viele sinnvolle Ansätze zur Verbesserung der sozialen Absicherung. Jedoch wäre eine Richtline wesentlich besser geeignet gewesen als eine rechtlich unverbindliche Ratsempfehlung. So fehlt es nach wie vor an verbindlich festgelegten Mindeststandards sowie Definitionen und Grundprinzipien hinsichtlich der Ausgestaltung von Mindestsicherungssystemen in den einzelnen Mitgliedstaaten. Die Annahme der Ratsempfehlung stellt diesbezüglich nur eine Orientierungshilfe dar.
Positiv hervorzuheben ist die explizite Erwähnung der Bedeutung von ergänzenden monetären Sozialleistungen im Vorschlag der EU-Kommission. Zudem behandelt der Kommissionsvorschlag auch den Zugang zu wichtigen Dienstleistungen. Die Schaffung einer umfassenden und qualitativ hochwertigen sozialen Infrastruktur ist eine notwendige Ergänzung zu Regelungen über Mindesteinkommen. Insbesondere der Zugang zu Gesundheitsversorgung, Wohnbeihilfen oder Möglichkeiten der Kinderbetreuung sind in diesem Zusammenhang anzuführen.
Neben der Empfehlung zu angemessenen Mindesteinkommensregelungen wäre es seitens der AK ebenso wünschenswert, auch auf die Wichtigkeit der präventiven Verhinderung von Armut und sozialer Ausgrenzung hinzuweisen. Dabei spielt vor allem eine gute Lohnentwicklung eine wichtige Rolle, welche durch flächendeckende Kollektivverträge maßgeblich beeinflusst werden kann.
Weiterführende Informationen:
Europäische Kommission: Minimum income – more effective support needed to fight poverty and promote employment (Nur in Englisch)
Europäische Kommission: Proposal for a Council Recommendation on adequate minimum income ensuring active inclusion (Nur in Englisch)