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ZurückMindestens 10 Prozent der weltweiten Entwaldung stehen im Zusammenhang mit dem Import bzw Export von Produkten in bzw aus der EU. Ein neues EU-Gesetz soll diese Abholzungen zukünftig verhindern. Der Umweltausschuss des EU-Parlaments hat sich am 12. Juli 2022 klar für eine Verschärfung des Kommissionsvorschlags zu den entwaldungsfreien Lieferketten ausgesprochen. Demgegenüber hat der Rat als zweiter Gesetzgeber der Union den Kommissionsentwurf stark verwässert.
Ein Fußballfeld alle 90 Sekunden – so viel tropischer Wald verschwindet, weil die Länder der Europäischen Union Produkte wie Soja, Palmöl, Rindfleisch, Holz, Kakao oder Kaffee importieren. Laut einem Gesetzesentwurf der EU-Kommission vom November 2021 sollen europäische Unternehmen dazu verpflichtet werden, "entwaldungsfreie Lieferketten" sicherzustellen. Anhand von Geolokalisierungsdaten sollen Importeure und große Händler den Ursprung ihrer Rohstoffe nachweisen. Außerdem müssen sie Informationen über Entwaldungsrisiken und damit verbundene Menschenrechtsverletzungen in ihren Lieferketten sammeln und dagegen tätig werden. Ansonsten drohen Geldstrafen, die Einziehung nicht konformer Produkte, oder der vorübergehende Ausschluss von Vergabeverfahren für diese Produkte.
Ende Juni 2022 hat der Rat seine Verhandlungsposition (allgemeine Ausrichtung) für die Trilog-Verhandlungen mit dem EU-Parlament festgelegt, welche aus Sicht der AK jedoch einen massiven Rückschritt zum ursprünglichen Kommissionsvorschlag bedeutet. Im Gegensatz dazu hat sich der Umweltausschuss des EU-Parlaments am 12. Juli 2022 klar für für eine ambitioniertere Vorgangsweise ausgesprochen. So sollen einerseits die Lieferketten von mehr Produktgruppen als bisher von der Verordnung erfasst werden, wie etwa Geflügel und Kautschuk. Außerdem sollen nicht nur Wälder, sondern auch andere Ökosysteme abgedeckt werden. Zudem fordert der Ausschuss den besseren Schutz der Rechte indigener Völker.
AK fordert Nachbesserungen insbesondere bei Menschen- und Arbeitsrechten
Während die Ratserklärung lediglich die Einhaltung der einschlägigen Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes vorsieht, fordert die AK gemeinsam mit NGOs die Einhaltung aller international anerkannten Menschen- und Arbeitsrechte (zB die IAO-Kernarbeitsnormen) in die Verordnung direkt aufzunehmen. Denn die Abholzung und Schädigung von Wäldern geht oft unmittelbar mit gravierenden Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen einher. Die Herstellung von Produkten „gemäß den einschlägigen Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes“, wie es die Position des Rates vorsieht, würde hingegen bedeuten, dass die Produktionsbedingungen je nach Erzeugerland und Rechtssystem anders zu beurteilen wäre. Diese Formulierung würde die Einhaltung völlig unterschiedlicher Regelungen je nach Erzeugerland bedeuten und keinen einheitlichen Schutzstandard für Arbeitnehmer:innen schaffen. Die Verordnung sollte zudem um eine zivilrechtliche Haftung für Schäden ergänzt werden, die durch eine Missachtung der Sorgfaltspflichten verursacht wurden.
„Waldschädigung“ soll für alle Wälder gelten
Der in der Verordnung verwendete Begriff "Waldschädigung" muss laut AK so definiert werden, dass er wissenschaftlich begründet ist und für alle Wälder gilt, nicht nur Primärwälder. Für eine solch starke Definition von Waldschädigung haben sich kürzlich auch zahlreiche Wissenschaftler:innen in einem gemeinsamen Brief an das Europäische Parlament ausgesprochen.
Verordnung muss mehr Produkte und mehr Ökosysteme miteinbeziehen
Die Ratsposition sieht nicht vor, dass auch die Zerstörung anderer hoch biodiverser und klimarelevanter Ökosysteme wie Savannen und Feuchtgebiete von der Verordnung umfasst wird. Außerdem kann es aufgrund der jetzigen Formulierung zu einer Verlagerung der Entwaldung von erfassten auf nicht-erfasste Rohstoffe und Produkte kommen. Um dies zu verhindern, braucht es einen umfassenden Ansatz, der Ökosysteme schützt und alle relevanten Rohstoffe (auch Kautschuk und Mais) sowie alle relevanten Produkte (zum Beispiel auch Geflügel- und Schweinefleisch) berücksichtigt.
Rückverfolgbarkeit und Geolokalisierung von Produkten verbessern
Weiters hat der Ratsvorschlag die Geolokalisierung geschwächt, indem bei Flächen unter 10 Hektar nur noch eine einzige Geokoordinate zur Lokalisierung angegeben werden soll. Dies macht es unmöglich, klar zu identifizieren, ob für die Erzeugung der Rohstoffe und Produkte entwaldet wurde oder nicht. Daher muss das sogenannte “Polygon-Mapping” aufgenommen werden, damit die Umgrenzungen aller Landflächen, die zur Produktion genutzt werden, klar angegeben werden können. Nur so sind eine wirkliche Rückverfolgbarkeit und Prüfung möglich.
Wie geht es weiter?
Im September wird das EU-Parlament endgültig über das Vorhaben entscheiden und mit dieser Position in die Trilog-Verhandlungen mit dem Rat und EU-Kommission gehen. Bis dahin gilt es, weiterhin Druck auszuüben, insbesondere auf die schwache Position des Rates.
Weiterführende Informationen:
EU-Parlament: Climate change – new rules for companies to stop EU-driven deforestation globally (nur Englisch)
ETH Zürich: Scientist Letter on forest degradation (nur Englisch)