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ZurückAm 13. März 2019 erzielten die EU-Institutionen eine Einigung über neue Regelungen im Bereich grenzüberschreitender Unternehmensverlagerungen in der EU. In diesem Zusammenhang wird auch ein notwendiger Schritt zur Bekämpfung von Steuervermeidung und zur Wahrung der Mitbestimmungsrechte von Beschäftigten gesetzt.
Die Ausgangslage zum Gesellschaftsrechtspaket der EU-Kommission war denkbar schlecht: In der „Polbud-Entscheidung“ vom Herbst 2017 hat der EuGH eine Sitzverlegung für grundsätzlich zulässig erklärt, selbst dann, wenn sie ohne wirtschaftliche Tätigkeit im Zielland erfolgt. Es war somit klar, dass sich ohne entsprechende Regelungen auf EU-Ebene die Tür für „regime-shopping“ mit all seinen negativen Konsequenzen weit öffnet. Spätestens seit der Entscheidung des EuGHs bestand dringender Handlungsbedarf, damit vor dem Hintergrund der europäischen Niederlassungsfreiheit die Mitbestimmungsrechte nicht auf der Strecke bleiben.
Das sogenannte Company Law Package besteht nun aus zwei Gesetzesinitiativen, welche Vereinfachungen für Unternehmen in der Europäische Union bringen sollen. Die Richtlinie betreffend den Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht verpflichtet die Mitgliedstaaten, die Online-Gründung von Gesellschaften verbindlich zu ermöglichen. Der zweite Teil des Pakets umfasst die Richtlinie zu grenzüberschreitenden Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen von Unternehmen, bei der es nun in den Verhandlungen zwischen Europäischer Kommission, Rat und Parlament zu einer Einigung gekommen ist. Das Ziel dieser Richtlinie ist es, die Unternehmensmobilität in der EU zu fördern und weiter auszubauen.
Um jedoch eine missbräuchliche Verwendung zu vermeiden und in diesem Zuge auch offene Gesetzeslücken zu schließen, hat sich insbesondere das Europäische Parlament in den Verhandlungen mit dem Rat und der Kommission gegen Steuervermeidung und für die Wahrung der Rechte von ArbeitnehmerInnen eingesetzt. Die sozialdemokratische Chefverhandlerin im EU-Parlament, Evelyn Regner, sagte dazu in einer abschließenden Konferenz, dass es nun erstmals gelungen sei, sich auf ein Unternehmensrecht zu einigen, das durch ein harmonisiertes Verfahren auf EU-Ebene Briefkastenfirmen und Steuervermeidungskonstrukten den Kampf ansagt. Sie betonte auch, dass durch diese harmonisierten Regeln erstmals Konsultations- und Mitbestimmungsrechte im Unternehmensrecht für betroffene Beschäftigte geschaffen werden.
Rechte der ArbeitnehmerInnen müssen künftig gewahrt werden
Beschäftigte haben nun ein umfassendes Recht auf Information und Konsultation, wenn das Unternehmen den Sitz in ein anderes Land verlagert. Insbesondere muss den Angestellten ein detaillierter Bericht über die Auswirkungen der grenzüberschreitenden Unternehmensverlegung auf ihr Arbeitsverhältnis vorgelegt werden. Dies umfasst auch alle Maßnahmen zur Sicherung des Beschäftigungsverhältnisses und alle finanziellen Auswirkungen. Die Angestellten werden daraufhin das Recht haben, Meinungen und Stellungnahmen zum Bericht abzugeben, auf die das Unternehmen begründend antworten muss. Die Richtlinie gewährleistet, dass bestehende Mitbestimmungsrechte im Zuge von Verlagerungen erhalten bleiben. Die Forderung der AK, dass wesentliche Änderungen nach der Gründung – etwa das Erreichen von bestimmten Schwellenwerten, die eine Mitbestimmung auslösen würden – bei der Frage der Mitbestimmung berücksichtigt werden, wurde nicht in die Richtlinie aufgenommen.
Künftig Genehmigung erforderlich
Die Behörde jenes Staates, aus dem das Unternehmen den Sitz ins Ausland verlegen will, hat eine Entscheidung über die Genehmigung der Unternehmensverlagerung zu treffen. Für das Verfahren wurden eine Reihe von Indikatoren festgelegt, wodurch geprüft werden soll, ob das Unternehmen die Verlagerung oder die Unternehmensspaltung aus einem missbräuchlichen Grund durchführt. Bisher bekannt ist, dass die Prüfung auch den Bericht an die Beschäftigten, inklusive aller Kommentare und Meinungen, umfasst. Die prüfende Behörde wird aber auch die Möglichkeit haben, andere Behörden in das Verfahren miteinzubeziehen und zusätzliche Informationen vom Unternehmen zu verlangen, sofern sie dies für erforderlich hält.
Fazit
Vor dem Hintergrund der EuGH-Entscheidung ist das Ergebnis aus Sicht der AK ein guter Kompromiss, wenngleich sich zentrale Forderungen der AK nicht in der Richtlinie finden. Die Praxis wird zeigen, wie die Anti-Missbrauchsklausel in den Mitgliedstaaten von den zuständigen Behörden exekutiert wird und ob es gelingt, durch den vorgesehenen Maßnahmenkatalog Briefkastenfirmen wirkungsvoll zu bekämpfen. Die Einigung über die neuen Regelungen muss allerdings noch vom EU-Parlament und von den Mitgliedsstaaten bestätigt werden.
Weiterführende Informationen:
Positionspapier: Gesellschaftsrechts-Paket der Europäischen Kommission