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ZurückIn Ländern wie Deutschland und Frankreich stirbt alle drei Tage eine Frau durch Gewalt ihrer Partner oder Ex-Partner. In Österreich waren es im Jahr 2019 bislang 19 Frauen. Der 25. November erinnert Jahr für Jahr daran, dass Gewalt gegen Frauen und Mädchen auf konstant hohem Niveau bleibt. Die Ratifizierung der sogenannten Istanbul-Konvention auf EU-Ebene könnte helfen.
Das „Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“, die sogenannte Istanbul-Konvention, zielt darauf ab, Frauen vor allen Formen von Gewalt zu schützen und Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt präventiv zu verhindern, zu verfolgen und zu beseitigen. Die Istanbul-Konvention ist der aktuell umfassendste Text im Kampf gegen Gewalt gegen Frauen und geschlechtsspezifischer Gewalt. Letztere wird explizit als Menschenrechtsverletzung erfasst, die physische, psychische und ökonomische Folgen für Überlebende hat. Die völkerrechtlich bindende Konvention verpflichtet die VertragspartnerInnen, umfassende Strategien zur Prävention, zum Opferschutz und zur Strafverfolgung von Tätern einzuführen. Darüber hinaus sieht die Konvention die Erhebung von Daten über geschlechtsspezifische Gewalt vor und nimmt alle AkteurInnen in die Pflicht: Von Medien, die stereotype Rollenbilder propagieren, bis hin zu Behörden und Justiz, die Überlebende von geschlechtsspezifischer Gewalt nur unzureichend unterstützen.
Was muss auf EU-Ebene geschehen?
Obwohl die Istanbul-Konvention bereits 2014 in Kraft trat, hat sie die EU erst im Juni 2017 unterzeichnet, aber immer noch nicht ratifiziert. Konkret bedeutet dies, dass der Beschluss zur Ratifizierung der Konvention auf EU-Ebene noch im Rat feststeckt, bevor das Europäische Parlament zustimmen könnte. Letzteres hat sich immer wieder für eine rasche Ratifizierung eingesetzt. Schuld an der Blockade sind unter anderem die Mitgliedsstaaten, die die Konvention selbst nicht ratifiziert haben, namentlich Bulgarien, Tschechien, Ungarn, Lettland, Litauen, die Slowakei und Großbritannien. Einige von diesen Mitgliedsstaaten haben eine Ratifizierung von vornherein abgelehnt, würde die Konvention doch Vehikel der „Genderideologie“ sein und die traditionellen Werte von Geschlecht und Familie in Frage stellen. Ob Gewalt gegen Frauen und Frauenmorde, genannt Femizide, in Bulgarien, der Slowakei und Tschechien als „traditionelle Werte“ gelten, wird nicht weiter spezifiziert.
Die Ratifizierung der Istanbul-Konvention ist mit Nichten ein Garant für das Ende der Gewalt gegen Frauen oder geschlechtsspezifischer Gewalt, die überdies Trans-Personen überproportional betrifft. Allerdings würde die EU mit der Ratifizierung der Istanbul-Konvention ein starkes und verbindliches Zeichen an die Mitgliedsstaaten senden, die sich vor der Verantwortung drücken und oftmals offen frauen- und LSBTI-feindliche Positionen unterstützen.
Parlament leuchtet in Orange, FeministInnen auf den Straßen
Europaweit kam es dieser Tage zu Massendemonstration, um – wie jedes Jahr – gegen Gewalt gegen Frauen, geschlechtsspezifische Gewalt und Femizide zu protestieren und politische Antworten, wie beispielsweise die finanzielle und personelle Aufstockung von Frauenhäusern, einzufordern. Auch das Europäische Parlament beschäftigte sich mit dem Thema. Die Plenarwoche begann mit einer Schweigeminute für die Opfer von geschlechtsspezifischer Gewalt. Im Rahmen einer Aussprache unter Teilnahme des Finnischen Ratsvorsitzes verurteilte die SPÖ-Abgeordnete und Vorsitzende des Ausschusses für Geschlechtergerechtigkeit, Evelyn Regner, die mediale Bagatellisierung von Gewalt gegen Frauen als „Familiendramen“ und verdeutlichte, dass Gewalt gegen Frauen vor allem zu Hause, hinter verschlossenen Türen geschehe. Abgesehen von der extremen Rechten sprachen sich die zumeist weiblichen Parlamentarierinnen klar für ein Ende von toxischen Männlichkeitsbildern und ungleich verteilten Machtressourcen aus, die geschlechtsspezifischer Gewalt zu Grunde liegen.
Gewalt findet offline und online statt
FeministInnen weisen seit jeher darauf hin, dass physische Gewalt bis hin zu Mord mit Sicherheit die extremste Äußerung von Gewalt gegen Frauen ist, es sich dabei aber nur um die Spitze des Eisbergs handelt. Beleidigungen und Drohungen sind aber ebenso Äußerung von frauenverachtender Kultur und einer hilflos bis offen frauenfeindlich agierenden Justiz. Besonders online sind viele Frauen strafrechtlich relevanten Tatbeständen wie Beleidigungen und Androhung von Gewalt ausgesetzt. Betroffen sind vor allem jene Frauen, die sich politisch äußern oder Amtsträgerinnen sind. Einschüchterungen oder Bedrohungen verfolgen das Ziel, Frauen aus öffentlichen Räumen zu vertreiben. In Großbritannien haben sich 18 Parlamentarierinnen nicht mehr für die kommende Parlamentswahl zur Wahl gestellt - auf Grund von erlebter Hasskriminalität in Netz. Dass die Grenzen zwischen online- und offline-Welt teilweise verschwimmen, beweist die brutale Ermordung der britischen Labour-Politikerin Joe Cox im Juni 2016.
Helena Dalli verspricht Ende der Blockade
Im Rahmen einer von den Frauen der Sozialdemokratischen Partei Europas organisierten Konferenz zum Thema Hass und Frauenfeindlichkeit im Netz bekräftigte die Gleichstellungs-Kommissarin Helena Dalli, das Thema geschlechtsspezifische Gewalt während ihrer Amtszeit zur Chefinnen-Sache zu machen. Dies bedeute auch, die Istanbul-Konvention endlich zu ratifizieren, sowie die eine umfassende Gender-Strategie auf den Weg zu bringen.
Weiterführende Informationen:
Europäisches Parlament: Gewalt gegen Frauen in der EU: Aktueller Stand