Nachrichten
ZurückDie Europäische Säule sozialer Rechte enthält 20 Grundsätze in den Bereichen Chancengleichheit und gleichberechtigter Zugang zum Arbeitsmarkt, faire Arbeitsbedingungen sowie Sozialschutz und Inklusion. Anlässlich der bevorstehenden Wahlen zum EU-Parlament hat AK EUROPA am 12. Februar 2024 gemeinsam mit dem European Policy Centre, der Foundation for European Progressive Studies, Social Platform und Solidar eine Veranstaltung organisiert, um die bisherige Umsetzung der Europäischen Säule sozialer Rechte kritisch zu reflektieren und Impulse für die kommende EU-Legislaturperiode zu geben.
Zu Beginn der Veranstaltung wies Judith Vorbach, Leiterin von AK EUROPA, im Hinblick auf die Wahlen zum EU-Parlament am 9. Juni 2024 darauf hin, dass Demokratie eine unabdingbare Voraussetzung für die Durchsetzung sozialer Rechte sei. Laura de Bonfils, Generalsekretärin von Social Platform, betonte die Notwendigkeit, soziale, wirtschaftliche und ökologische Politiken zusammenzudenken und für die nächste EU-Legislaturperiode eine starke soziale Agenda einzufordern.
Aktuelle Studie zur Europäischen Säule sozialer Rechte
AK EUROPA hat gemeinsam mit der Foundation for European Progressive Studies (FEPS), Social Platform und Solidar eine Studie in Auftrag gegeben, die von einem Autor:innenteam des European Policy Center (EPC) erarbeitet wurde. Tommaso Grossi, einer der Autor:innen, präsentierte die Studie mit dem Titel „The Social Pillar and the Future of the EU Social Agenda“ und gab Politikempfehlungen für die nächste EU-Legislaturperiode. Er schlug unter anderem eine EU-Initiative für bessere Arbeitsbedingungen, Maßnahmen für einen gerechten grünen Übergang, die Förderung von Chancengleichheit, ein soziales Schutzpaket, ausreichende finanzielle Mittel sowie verbesserte politische Entscheidungsprozesse vor.
Gekommen, um zu bleiben
In der anschließenden Podiumsdiskussion, moderiert von Aline Hoffmann, Abteilungsleiterin im Europäischen Gewerkschaftsinstitut ETUI, zogen Vertreter:innen aus unterschiedlichen Bereichen ihr Resümee über die bisherige Umsetzung der Europäischen Säule sozialer Rechte und legten ihre Sichtweise zur zukünftigen Weiterentwicklung der EU-Sozialpolitik dar. Fabien Dell, Abteilungsleiter in der Generaldirektion EMPL (Beschäftigung, Soziales und Integration) der EU-Kommission, hielt eingangs fest, dass die Europäische Säule sozialer Rechte ein wegweisender Kompass und ein starkes und stabiles Instrument darstelle, das gekommen sei, um zu bleiben. Genau jetzt sei der richtige Zeitpunkt, der Kommission Empfehlungen für weitere Umsetzungsschritte zu geben.
Herausforderungen und Lösungsvorschläge
MdEP Agnes Jongerius, Mitglied des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten des EU-Parlaments (S&D), kritisierte den Sparzwang im Rahmen der wirtschaftspolitischen Steuerung, der im Widerspruch zu einer effektiven EU-Sozialpolitik stehe. Zur Bewältigung der Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt im Zuge der grünen und digitalen Transformation müsse den Menschen die Angst genommen werden. Es brauche faire Arbeitsmobilität und die Sichtbarmachung von menschenunwürdigen Arbeitsplätzen und Ausbeutung, um diesen ein Ende zu bereiten. Tea Jarc, Vorstandsmitglied des Europäischen Gewerkschaftsbundes, betonte, dass die kommende EU-Kommission die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen verbessern müsse, damit die grüne Transformation gelingen und dem Fachkräftemangel entgegenwirkt werden könne. Eine Arbeitszeitverkürzung und das Recht auf kostenlose Weiterbildung am Arbeitsplatz während der Arbeitszeit seien notwendig. Im digitalen Wandel solle die menschliche Kontrolle erhalten bleiben und nicht an Algorithmen abgegeben werden.
Verantwortung auch bei den EU-Mitgliedstaaten
Francesco Corti, Berater des belgischen Ministers für Soziales und Gesundheit Frank Vandenbroucke, verortete die Verantwortung zur Umsetzung der Europäischen Säule sozialer Rechte auch bei den EU-Mitgliedstaaten. Die belgische EU-Ratspräsidentschaft rücke die soziale Agenda ins Zentrum. Im April 2024 werde eine hochrangige Konferenz zur Europäischen Säule sozialer Rechte veranstaltet, gemeinsam mit Sozialpartnern und NGOs. Björn Hacker, Professor für Europäische Wirtschaftspolitik an der HTW Berlin, hielt im Hinblick auf das „Social Scoreboard“ im Rahmen des Europäischen Semesters fest, dass Indikatoren nicht ausreichend seien. Darüber hinaus brauche es klare Ziele, die auch auf nationaler Ebene verfolgt werden müssen. Dafür sei kein gemeinsamer Sozialstaat in Europa erforderlich, sondern ein gemeinsamer Rahmen, der für alle Länder, unabhängig von Unterschieden in der Wirtschaft oder im Sozialsystem, umsetzbar ist.
Zeit für eine neues Kapitel in der EU-Sozialpolitik
AK EUROPA veröffentlichte anlässlich der Veranstaltung ein Policy Brief zum Thema soziale Mindeststandards in Europa. Zu den Bereichen, in denen aus AK-Sicht rasch Schritte gesetzt werden müssen, zählen unter anderem effektive Mindeststandards für die Arbeitslosenversicherungs- und Mindestsicherungssysteme sowie die Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping.
László Andor, Generalsekretär von FEPS und ehemaliger EU-Kommissar für Beschäftigung, Soziales und Inklusion, nahm in seinen Schlussworten Bezug auf Karl Polanyis Werk „Die große Transformation“. Es sei an der Zeit, ein neues Kapitel aufzuschlagen, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und angesichts des spürbaren Rechtsrucks in Europa die richtigen Schritte zu setzen. Die wirtschaftliche Integration des Binnenmarktes müsse mit sozialer Politik und sozialem Dialog einhergehen.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: Die Europäische Säule sozialer Rechte in die Praxis umsetzen
AK EUROPA et al: Die Soziale Säule und die Zukunft der sozialpolitischen Agenda der EU
AK EUROPA: Auf dem Weg zu starken sozialen Mindeststandards für den sozialen Fortschritt in Europa
Europäischer Gewerkschaftsbund: Präsentation des Manifests für die Europawahl 2024
EU-Kommission: Die Europäische Säule sozialer Rechte
EU-Kommission: Aktionsplan zur Europäischen Säule sozialer Rechte