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ZurückDie Kommission hat eine Konsultation zur EU-Wettbewerbspolitik und ihrem Beitrag zur Erreichung des Grünen Deals gestartet. Aus Sicht der Arbeiterkammer steht fest, dass das Wettbewerbsrecht im Sinne eines sozialgerechten Übergangs zu einem klimafreundlichen Wirtschaftssystem ausgerichtet werden muss. Nur so kann eine breite Akzeptanz für diesen umfassenden Wandel erreicht werden, der alle AkteurInnen und StakeholderInnen einbindet.
Die Energie- und Klimawende ist eine globale Herausforderung und ein Kraftakt für Wirtschaft und Gesellschaft, der gerecht gestaltet werden muss. Denn die Energie- und Klimawende ist keine rein technische Frage, sondern vor allem auch eine soziale Herausforderung. Sie betrifft alle Politikbereiche, und auch das Wettbewerbsrecht muss hier einen Beitrag leisten.
Wettbewerbsrecht als Instrument für einen fairen Übergang
Da der Ausstieg aus fossilen Energieträgern Auswirkungen auf das gesamte Wirtschaftssystem hat, müssen im Sinne des Konzeptes einer Just Transition auch die Regelungen des Wettbewerbsrechts genutzt werden. Da Kosten und Nutzen der klima- und energiepolitischen Maßnahmen gerecht zu verteilen sind, gilt es daher, bei Instrumenten wie beispielsweise dem Beihilfen- und Kartellrecht oder der Fusionskontrolle, nicht nur die Interessen der Unternehmen, sondern vor allem jene der BürgerInnen, also auch von ArbeitnehmerInnen und KonsumentInnen, gleichermaßen zu berücksichtigen. Nur durch ein Zusammenwirken aller AkteurInnen wird es möglich sein, die erforderliche gesellschaftliche Akzeptanz sicherzustellen. Dies ist eine wichtige Voraussetzung, um die ambitionierten Energie- und Klimaziele erreichen zu können.
Es braucht klare und strikte Regeln für staatliche Beihilfen
Gerade das System der staatlichen Beihilfen kann wesentliche Impulse für das Erreichen der Energie- und Klimaziele geben und sollte daher so ausgestaltet sein, dass es die Ziele des Grünen Deals unterstützt. Regelungen des Beihilfenrechts müssen einer genauen Analyse hinsichtlich ihrer Wirkung unterzogen werden. Auf dieser Basis sollten die rechtlichen Grundlagen so adaptiert werden, dass sie ihren Beitrag zur Erreichung der Klima- und Energie-Ziele leisten. Jene Regelungen, die dies verhindern, müssen identifiziert und gestrichen werden.
Eine wesentliche Komponente der Transformation ist die Dekarbonisierung, also der sukzessive Ausstieg aus der Verwendung fossiler Energieträger (Kohle, Erdöl, Erdgas), sodass ab 2050 eine CO2-freie Energieversorgung gewährleistet ist. Dieser Prozess wird einen tiefgreifenden Wandel der Wirtschaft mit sich bringen. Neben ökologischen sind daher auch sozialpolitische Kriterien stärker in die Gestaltung staatlicher Beihilfen miteinzubeziehen – sowohl bei der Bekämpfung von Energiearmut als auch von Arbeitslosigkeit. Nicht nur in Folge der derzeitigen Corona-Pandemie, sondern vor allem in Folge der Transformation des Energiesystems. Hier könnte zum Beispiel die Einführung eines „sozialen Bonus“ für die Schaffung bzw den Erhalt von nachhaltigen und hochwertigen Arbeitsplätzen einen Anreiz schaffen.
Überarbeitung der Wettbewerbsregeln – Verhinderung klimaschädlicher Subventionen
Für den Bereich der staatlichen Beihilfen muss sichergestellt werden, dass nur jene Ausnahmen von der Finanzierung der Energiewende zugelassen werden, die sich positiv auf das Klima auswirken (wie zB im öffentlichen Verkehr oder bei der Steigerung der Energieeffizienz im sozialen Wohnbau) oder aus sozialpolitischen Erwägungen wesentlich sind (zB im Kampf gegen Energiearmut oder gegen Arbeitslosigkeit).
Die derzeitigen Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen lassen den Mitgliedstaaten viel Interpretationsspielraum, der – nicht nur im Sinne des Klimaschutzes – zu Fehlentwicklungen geführt hat. Außerdem beeinflusst es den zwischenstaatlichen Handel in negativer Weise, indem zB ein nationaler Wettlauf um die niedrigsten Kosten, wie zB Netzentgelte für stromintensive Unternehmen befeuert wird. Die Kosten dafür werden auf die privaten Haushalte überwälzt, die um ein Vielfaches mehr bezahlen als sie verbrauchen. Dies bestätigt eine Studie im Auftrag der AK , die die Verteilungswirkungen der Energiekosten analysiert hat.
Wichtig wäre es daher, die derzeitigen zahlreichen nationalstaatlichen Möglichkeiten für Umweltschutz- und Energiebeihilfen nur dann zuzulassen, wenn diese die Erreichung ökologischer oder sozialpolitischer Zielsetzungen unterstützen oder wenn es nachweislich massive Wettbewerbsnachteile energieintensiver Industriezweige gegenüber Drittstaaten gibt.
Verfahrensverordnung nicht nur für Unternehmensinteressen!
Die EU-Kommission führte 2015 betreffend Beihilfeverfahren die „individuelle Betroffenheit“ als Voraussetzung für eine Beihilfebeschwerde neu ein. Hierbei werden nur Unternehmen und deren Verbände als „individuell betroffen“ definiert, was zu einem Ausschluss der Berücksichtigung der Interessen der ArbeitnehmerInnen und KonsumentInnen führt. Dies ist nicht im Sinne des Grünen Deals, der auf eine breite Unterstützung aller aufbauen sollte. Hier braucht es eine entsprechende Klarstellung im Sinne der ArbeitnehmerInnenverbände und VerbraucherInnenorganisationen, damit auch sie ihre Beihilfenbeschwerden gleichberechtigt einbringen können.
Auch die Fusionskontrolle breiter denken
Die EU-Fusionskontrolle sollte ebenfalls die sich durch den Green Deal ergebenden Vorteile berücksichtigen und die bisher angewandte Praxis von individuellen VerbraucherInnenvorteilen – wie niedrige Preise und Produktauswahl – auf eine gesamtwirtschaftliche, nachhaltige Wohlfahrtsbetrachtung ausweiten. Insbesondere im Hinblick auf einen sozialgerechten Übergang im Sinne der von der Dekarbonisierung betroffenen Beschäftigten. Klare Handlungsspielräume gilt es auch für die kartellrechtliche Zusammenarbeit zu schaffen: Die wettbewerbsrechtlichen Möglichkeiten, die die Ziele des Grünen Deals unterstützen können, aber auch jene, die die Erreichung dieser Ziele behindern, sollten im Rahmen von Leitlinien erarbeitet werden.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: Mehr finanzielle Mittel für den sozial gerechteren Übergang
A&W Blog: „Just Transition“: Weil Klimapolitik eine soziale Frage ist!
Kommission: Call „Wettbewerbspolitik als Unterstützung des Grünen Deals“