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ZurückDerzeit arbeitet die EU-Kommission an Leitlinien, die Direktvergaben im öffentlichen Verkehr deutlich erschweren würden. Zu diesem Thema lud AK EUROPA gemeinsam mit ÖGB, vida und der Europäischen Transportarbeiter:innenföderation ETF zu einem Webinar, in dem von den Sprecher:innen klar festgehalten wurde: Mitgliedstaaten müssen weiterhin die Wahl haben, ob sie Verkehrsdienste ausschreiben oder direkt vergeben wollen.
Die sogenannte PSO-Verordnung (Public Service Obligations) regelt EU-weit die Bestellung und Finanzierung des öffentlichen Verkehrs. Sie wurde 2016 novelliert, und die dazu gehörenden Übergangsfristen laufen bald aus. Bisherige Kommissionsentwürfe dieser Leitlinien würden Direktvergaben allerdings zu seltenen Ausnahmefällen machen.
Die AK hat diesbezüglich ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, das im Rahmen des Webinars vom Ersteller des Gutachtens, Rudolf Lessiak (Partner von „Lessiak & Partner Rechtsanwälte“ und Professor an der Universität Wien), vorgestellt wurde. Dieses kommt zum Schluss, dass die PSO-Verordnung den Mitgliedstaaten und Behörden nach wie vor das Recht einräumt, gleichermaßen zwischen Direktvergabe und Ausschreibung zu wählen und die Leitlinien somit nicht der Ausrichtung des Verordnungstextes entsprechen.
Davon zeigte sich Jan Scherp als Vertreter der Europäischen Kommission wenig überzeugt und hob hervor, dass diese Leitlinien lediglich die Ausnahmeregelungen präzisieren wollen, nach welchen in Zukunft Direktvergaben möglich sein sollen. Die Folgenabschätzung der Kommission habe ergeben, dass durch Ausschreibungen 21 bis 29 Mrd Euro eingespart werden könnten, ohne diese Zahl jedoch weiter zu erläutern.
Der Vorsitzende der vida, Roman Hebenstreit, betonte, dass aus Sicht der Gewerkschaften das Vergaberecht direkte Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten hat. Die Liberalisierungsschritte der letzten 15 Jahre zeigen deutlich, dass das Lohn- und Sicherheitsniveau sowie die Qualität der Ausbildung unter dem Einsparungsdruck massiv leiden. Der Wettbewerb bringt demnach keine Qualitätsverbesserungen, sondern nur einen Wettlauf nach unten, wie wir ihn auch aus der Luftfahrt kennen. Konkrete Beispiele von Konkursen von privaten Betreiber:innen in Ländern mit mehr Wettbewerb machen deutlich, dass die Direktvergabe die weitaus bessere Wahl ist.
Karima Delli, französische Abgeordnete der Grünen zum Europäischen Parlament und Vorsitzende des Verkehrsausschusses, erinnerte daran, dass bereits die Verhandlungen zur PSO-VO ab 2013 sehr heikel waren und sie schon damals die Position vertrat, dass mehr Wettbewerb keine Verbesserungen im Schienenverkehr bringe. Deshalb muss nun sichergestellt werden, dass die Kommission nicht den damals mühsam errungenen politischen Kompromiss zwischen EU-Parlament und Rat beschneidet und nun durch die Hintertür der Verordnungstext umgangen wird.
Der SPÖ-Abgeordnete zum Europäischen Parlament, Andreas Schieder, hielt fest, dass die derzeitigen Vorzeige-Bahnländer jene Staaten sind, die ihre Dienste direkt vergeben. Es sei bedauernswert, dass die Kommission versucht den damaligen Kompromiss zu umgehen. Weniger Direktvergabe bedeute weniger Flexibilität für Staaten, um auf die verschiedenen Herausforderungen wie den Klimawandel, gute Arbeitsrechte sowie die Zufriedenheit der Bahnkund:innen reagieren zu können. Wettbewerbliche Ausschreibungen sind nicht das geeignete Instrument, die notwendigen Änderungen im Eisenbahnsystem herbeizuführen.
Livia Spera, Generalsekretärin der ETF, beschrieb anhand von Beispielen aus dem Vereinigten Königreich und Deutschland wie sich die Liberalisierung negativ auf Arbeitsbedingungen der Beschäftigten sowie die Kund:innenzufriedenheit auswirkt. Staaten müssen bei Ausfällen von privaten Transportunternehmen einspringen, welche schon des Öfteren hohe Ausgaben für die öffentliche Hand mit sich brachte.