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ZurückSeit Ursula von der Leyen zur neuen Kommissionspräsidentin gewählt wurde, betont sie ihre Priorität für eine nachhaltige Klimapolitik. Ein entscheidender Hebel dafür ist der zukünftige EU-Haushalt 2021-2027, der bis spätestens Ende 2020 beschlossen werden muss. Zu diesem Zweck lud AK Europa gemeinsam mit dem ÖGB Europabüro am 9. September zu einer Diskussion mit der Frage, welchen Beitrag das EU-Budget im Kampf gegen den Klimawandel leisten kann.
Einleitend betonte Margit Schratzenstaller (WIFO) die Wichtigkeit des EU-Budgets: Der Mehrjährige Finanzrahmen der EU (MFF) sei ein „zentraler Hebel“, um fortschrittliche Klimapolitik umzusetzen. Dabei gelte es im Blick zu behalten, dass das EU-Budget zahlreiche Sektoren berührt. Ein Blick auf den aktuellen Mehrjährigen Finanzrahmen verdeutlicht, was ein zukünftiger „MFF+“ besser machen muss: Es müssen explizit klimaschädliche Subventionen umgeschichtet werden. Die finanzielle Restrukturierung betrifft besonders die Gemeinsame Agrarpolitik, deren Anteil im aktuellen Finanzrahmen satte 39 % beträgt. Lediglich ein Viertel dieser Gelder kommen nachhaltiger Landwirtschaft zu Gute – durch Umschichtung und Kontrolle kann ein ‚greening‘ dieser Säule einfach erreicht werden. Fossile Energieträger sollten im Gegenzug nicht mehr gefördert werden. Der zweitgrößte Haushaltsposten betrifft die Kohäsionspolitik, deren Prioritäten ebenfalls zu sehr auf Infrastrukturprojekte ausgelegt sind, die eine ökologische und klimafreundliche Dimension oft vermissen lassen. Ein weiteres Puzzleteil besteht in der Reform der Eigenmittel. Durch die Plastiksteuer, Einnahmen aus dem Handel mit Emissionszertifikaten und der Gemeinsamen Konsolidierten Körperschaftssteuer kann ein European green added value geschaffen werden.
Günther Sidl, neu gewähltes Mitglied des Europäischen Parlaments (SPÖ) unterstrich das Momentum der Veranstaltung und mahnte, die Machbarkeit und Durchsetzungsfähigkeit von allen Vorschlägen im Blick zu behalten. Gebot der Stunde sei es, die Glaubwürdigkeit nicht zu verlieren und Maßnahmen mutig umzusetzen. Schließlich seien Budgetfragen besonders hart umkämpft und mit Widerstand behaftet. Nachhaltige Klimapolitik sollte als Querschnittsmaterie behandelt werden. Auch Sidl betonte fehlgeleitete Subventionen in der Landwirtschaft. Des Weiteren müsse der Sozialverträglichkeit von Maßnahmen hohe Priorität eingeräumt werden, ebenso regionalen Disparitäten und den Bedürfnissen besonders ausgedünnter Regionen. Sidl plädierte dafür, BürgerInnen konkrete Angebote zu machen, wie zum Beispiel den Ausbau oder die Subventionierungen von öffentlichem Personennahverkehr im Gegenzug zu den vorgeschlagenen Steuern auf Emissionen. Sidl betonte dabei die Rolle der Mitgliedsstaaten – schließlich könne der Mehrjährige Finanzrahmen nur so gut werden, wie die Mitgliedsstaaten es zuließen.
Samuel Kenny von Transport and Environment hob hervor, dass es sich beim EU-Budget um öffentliche Gelder handle, die dementsprechend zum Erhalt und Ausbau des Gemeinwohles eingesetzt werden müssen. Dabei sprach er sich u.a. für eine Kerosinsteuer aus, die längst überfällig sei. Kenny kritisierte auch, dass lediglich 20 % des Budgets für klimafreundliche Maßnahmen reserviert sind und stellte die Frage, was mit den übrigen 80 % sei. In Hinblick auf Mobilität müsse die Zielvorgabe ganz klar eine zero emission mobility sein.
Darauf reagierte Bernhard Windisch, Repräsentant der Kommission in der Runde, der die Betrachtung von 20% der Mittel in klimarelevanten Maßnahmen grundlegend in Frage stellte. So werden im Mehrjährige Finanzrahmen Ausgaben finanziert, die – so Windisch – ohne Auswirkungen auf das Klima bleiben, allerdings einen lohnenden Beitrag zur Kohäsion leisten – zum Beispiel Gelder, die dem Thema Migration gewidmet sind oder das ERASMUS-Programm. Eine enge Definition von klimafreundlich vs. klimaschädlich (also 20 % zu 80 %) sei für die Diskussion wenig hilfreich.
Frank Ey komplettierte die Runde und brachte die Perspektive von ArbeitnehmerInnen ein. So müssen die massiven Auswirkungen des Klimawandels auf Arbeitsbedingungen und Arbeitsplätze Teil der Diskussion sein – ArbeitnehmerInnen in der Tourismusbranche seien hier besonders betroffen. Er resümierte, dass es bereits viele gute politische Ansätze gebe, beispielsweise die Europäische Säule sozialer Rechte oder die Arbeiten des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses. Die goldene Investitionsregel müsse dringend angewendet werden und diesbezügliche Hemmschuhe wie die Defizitgrenze müssen abgeschafft werden. Er erinnerte daran, dass sich europäische Klimaziele ebenso in den europäischen Handelsbeziehungen wiederfinden müssen. Mit Blick auf das Mercosur-Abkommen müsse sich die Prioritätensetzung einer nachhaltigen Politik in Handelsabkommen mit Drittstaaten wiederspiegeln.
European Green Deal als Priorität der neuen Kommission
Der European Green Deal gehört zu den vorrangigen Prioritäten der Kommission. Das wird nicht nur aus den bisherigen Reden der neuen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen deutlich, sondern auch aus dem Umstand, dass der niederländische Sozialdemokrat Frans Timmermans, seines Zeichens der designierte erste exekutive Vizepräsident, diese Agenda übernehmen wird. Um jedoch diesen „grünen Deal“ umsetzen zu können und die angekündigte Nachhaltigkeitswende zu schaffen, ist der Mehrjährige Finanzrahmen für die Jahre 2021-2027 von zentraler Bedeutung. Die Kommission möchte die Verhandlungen bis Ende 2019 abschließen, BeobachterInnen gehen aber vielmehr davon aus, dass die derzeit noch weit divergierenden Positionen der Mitgliedstaaten einen Abschluss erst im Laufe des nächsten Jahres realistisch machen.
Weiterführende Informationen:
AK Positionspapier: Mehrjähriger EU-Finanzrahmen 2021 – 2027: Ein Haushalt, der Europa eint
AK EUROPA: Auf dem Weg zu einem nachhaltigen Europa bis 2030
AK EUROPA: Europa klimaneutral bis 2050 – Präsentation von Margit Schratzenstaller (WIFO)