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ZurückDie UN-Mitgliedsstaaten haben vor 3 Jahren 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung definiert. Ein Ziel: Geschlechtergleichheit. Wie steht es heute um die Stellung der Frau und was ist bis 2030 noch zu erwarten?
Die Zeitschrift „Frauen*solidarität“ berichtet ausführlich in ihrer aktuellen Ausgabe über die, von 193 UN-Mitgliedsstaaten beschlossene, „Agenda 2030“. Dort werden nachhaltige Ziele und Unterziele definiert, um die Zukunftsaussichten und Lebensperspektiven aller Menschen zu verbessern, die sogenannten Sustainable Development Goals (SDG). Diese wurden unter anderem von VertreterInnen der Wissenshaft, Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft entworfen und richten sich nicht alleine an die Länder des Globalen Südens, sondern an alle Staaten.
Doppelziel: Geschlechtergleichheit
Zu den Zielen gehören unter anderem die Bekämpfung von Armut und Hunger, Zugang zu hochwertiger Bildung und Gesundheitssystemen, Maßnahmen zu Klimaschutz und Frieden und die Geschlechtergleichheit. Genderthemen werden häufig hitzig diskutiert, da schnell jede und jeder etwas beizutragen weiß. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass Geschlechtergerechtigkeit auf viele Bereiche wirkt und die meisten Bereiche Einfluss auf die Lebensrealität von Frauen und Männern haben. Sei es die ökonomische Situation (Gehaltsunterschied, Karrierechancen, Zugriff auf Familienvermögen), seien es Bereiche der (unbezahlten) Kinderbetreuung oder Altenpflege, die Gesundheitsversorgung bei Schwangerschaft und Abtreibung oder die Klimaüberhitzung, die die Lebens- und Fluchtsituationen von Frauen weltweit beeinflussen. Aufgrund dieser enormen Spannweite von Einflussfaktoren auf das Leben und die Rechte von Frauen, verfolgten viele feministische NGOs und auch die UN Women ein „Doppelziel“ in der Agenda 2030. Das heißt, sie setzten sich dafür ein, Geschlechtergerechtigkeit als eigenständiges Ziel in die Agenda 2030 zu schreiben bei gleichzeitiger Verankerung von Geschlechtergleichstellung in den anderen 16 Zielen. Trotz gewaltigem Einsatz und Zeitaufwand, gelang die Erreichung dieses Doppelziels jedoch nicht vollständig.
Daten und Fakten
Wer in der Statistik nicht vorkommt wird vergessen. Was nicht in Zahlen ausgedrückt werden kann, kann nicht in einer Statistik enthalten sein. Dies zeigt sich unter anderem am Fall der Diskussion zu unbezahlter Arbeit, welche einen Unterpunkt im Ziel der Geschlechtergerechtigkeit darstellt. Schlagkraft bekommen haben die Argumente von feministischen Vereinen erst als schwarz auf weiß feststand: Frauen leisten 2/3 der unbezahlten Arbeit und je nach Land und Berechnung bringt die unbezahlte Arbeit die gleiche Wertschöpfung wie das nationale BIP. Alle 10 Jahre führte Österreich hierfür eine Zeitverwendungsstudie durch, um eine Unterfütterung der Lage mit Daten zu sichern. Dieses Mal wird aber die Studie weder vom Familien- noch vom Sozialministerium in Auftrag geben. Der Rückschritt der österreichischen Regierung wirkt doppelt, da die dringende Notwendigkeit besteht einen Schritt weiter zu gehen, da komplexe Berechnungen benötigt werden, um weitere Kategorien mit dem Geschlecht zu verknüpfen. Denn die Wahrscheinlichkeit der Diskriminierung von Frauen unterscheidet sich zum Beispiel durch Religions- oder Klassenzugehörigkeit. Um eine Geschlechtergerechtigkeit zu erreichen braucht es also mehr, nicht weniger Genderforschung!
Wohin geht der Weg?
Die Daten im Global Gender Gap Report 2017 des Weltwirtschaftsforums prognostizieren: Bei gleichbleibendem Reformtempo würde Geschlechtergerechtigkeit in 217 Jahren erreicht werden. Der Bericht „Den Versprechen Taten folgen lassen“ der UN Women zeigt, dass in 18 Ländern Ehemänner in Übereinstimmung mit geltendem Recht ihre Ehefrauen daran hindern können einer Lohnarbeit nachzugehen, 49 Länder kein Gesetz haben, das die Frauen vor häuslicher Gewalt schützt, dass 19% der Frauen und Mädchen in den 12 Monaten vor Berichtslegung physische und/oder sexualisierte Gewalt durch einen Intimpartner erfahren haben, dass 750 Millionen Frauen unter 18 Jahren verheiratet sind und 200 Millionen Frauen in 30 Ländern Opfer von Genitalverstümmelung wurden. Wie langsam der Fortschritt ist, zeigt auch die asiatische Region: Trotz des enormen Wirtschaftswachstums in Asien und der Reduktion der Betroffenen von extremer Armut, fällt die Evaluation über den Fortschritt der Umsetzung der SDGs durch die UN-ESCAP überraschen kritisch bis negativ aus. Durch die steigende Ungleichheit innerhalb und zwischen den Ländern, sowie die Expansionen der Textil und Elektrobranchen, arbeiten viele Frauen in gesundheitlich gefährlichen Industriezweigen bei gleichzeitig eingeschränktem Zugang zu medizinischer Versorgung. Doch auch in der EU läuft es nicht rund. Anfang Dezember 2018 sprachen verschiedene NGOs im Europäischen Parlament über die besorgniserregenden Rückschläge bei der Gleichstellung der Geschlechter in einigen Mitgliedstaaten und die EU selbst, die das Motto „Leaving no one behind“ proklamiert sieht im Mehrjährige Finanzrahmen (MFF) nicht einmal ein Genderbudget vor.
Nun gilt es alle nationalen und supranationalen Kräfte zu bündeln und für die Gleichberechtigung einzutreten und schnell konkrete Maßnahmen zu setzen! Oder sollen wir wirklich in diesem Tempo weitermachen und noch 217 Jahre warten?
Weiterführende Informationen:
Zeitschrift Frauen*solidarität, Ausgabe 4/18
The Global Gender Gap Report 2017
AK EUROPA: Frauenrechte unter Beschuss