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ZurückUm über Rückschläge gegen die Rechte der Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter in der EU zu sprechen, lud der gleichnamige Ausschuss unter anderem InitiatorInnen des österreichischen Frauenvolksbegehren 2.0 ein. Die Bilanz ist niederschmetternd, doch die anschließende Abstimmung zur Entschließung gibt einen kleinen Lichtblick.
Aufgrund von Rückschlägen bei der Gleichstellung der Geschlechter, bei sexueller Gesundheit und Reproduktionsarbeit in einigen Mitgliedstaaten der EU hat der Ausschuss für die Rechte der Frauen und der Gleichstellung (FEMM) eine Entschließung formuliert, die diese Entwicklungen benennt und die Mitgliedsstaaten auffordert, Gegenmaßnahmen zu setzen. Für einen Informationsaustausch und eine Aussprache wurden VertreterInnen feministischer Organisationen aus verschiedenen Ländern der EU eingeladen, um von ihren Erfahrungen und über ihre Analysen zu berichten.
Lena Jäger und Christian Berger, InitiatorInnen des Frauenvolksbegehren 2.0 thematisieren im Großen drei Bereiche, in denen Frauen in ganz Europa mit Rückschritten konfrontiert sind. Erstens, die wirtschaftliche Schlechterstellung unter der Frauen und Minderheiten seit der Wirtschaftskrise 2008 durch neoliberale Politiken unter dem Deckmantel der Austeritätspolitik leiden. Während und nach der Wirtschafts- und Finanzkrise haben Sparmaßnahmen Großteils Frauen dominierte Branchen getroffen, während staatliche Konjunkturprogramme wie die Abwrackprämie männerdominierten Sektoren zugutekam. Der Anteil an unentdeckter Arbeitslosigkeit und unfreiwilliger Teilzeitarbeit ist bei Frauen um ein Vielfaches höher als bei Männern. Nicht nur in der Wirtschaft und auf dem Arbeitsmarkt, werden die Rechte von Frauen eingeschränkt, sondern auch die körperliche Integrität, wie die InitiatorInnen als zweiten Punkt genauer analysieren. Hier betonen sie, dass der größte Teil der Gewalt genderbasiert sei. Trauriges Ergebnis einer 2014 veröffentlichen Studie sei, dass jede 3. Frau in Europa körperliche und/oder sexuelle Gewalt erfahren hat und jede 20. Frau im Laufe ihres Lebens statistisch gesehen vergewaltigt würde. Lena Jäger und Christian Berger erläutern weiter, dass rechtsextreme und rechtspopulistische Regierungen wie in Ungarn, Österreich und Polen patriarchale Rechte zementieren. Als Beispiel nennen sie Polens Vorstoß zur Einschränkung des Rechts auf Abtreibung, den österreichischen Fall von Hate Speech gegen Sigi Maurer und die in Irland Skandalurteil um eine Vergewaltigung. Als dritten Bereich der Rückschritte identifizieren sie, dass Menschenrechte keine Frauenrechte seien. Die Entwicklung an politischer Partizipation in Ungarn und Österreich führen sie als bitteres Beispiel an, da die österreichische Regierung beispielsweise die öffentliche Konsultationsperiode bei Rechtsakten von 6 Wochen abgeschafft habe. Dies treffe zwar nicht nur Frauen, da diese aber in den politischen Gremien unterrepräsentiert sind, trifft sie der Entzug der Teilhabe schwerer. Aber auch das neues Arbeitszeitgesetzt (12h-Tag) und die Finanzkürzungen von Organisationen, die für Frauenrechte eintreten, wirken sich negativ auf die Teilhabe und somit die Rechte der Frauen aus.
Katrin Thomasen vom Zentrum für reproduktive Rechte, erinnert daran, dass alle EU Mitgliedsstaaten auf Grund der Unterzeichnung des Völkerrechts an die Gleichstellung von Frauen und Männer gebunden seien, was auch ein Verbot für Rückschritte beinhalte. Staaten dürfen somit keine Maßnahmen ergreifen, die das Schutzniveau bei Reproduktionsarbeit oder sexueller Gesundheit (z.B. Zugang zu Verhütung) mindern und sie dürfen keine neuen Hürden schaffen. Hier sieht sie einen klaren Verstoß der Länder gegen ihre Verpflichtungen.
Virginija Langbakk vom European Institute for Gender Equality meint, dass die Themen (1) Menschenrechte sind Frauenrechte und (2) parallel diskutiert werden müssen, da Verstöße gegen (1) klar erkennbar seien und deshalb Maßnahmen ergriffen werden können, nicht so jedoch bei der Zurückdrängung der Geschlechtergleichstellung. Daher brauche es in Bezug auf die Geschlechtergerechtigkeit klare Maßstäbe und Kennzahlen um Fortschritte und Rückschritte zu messen und sich zur Wehr setzen zu können.
Der zuständige Berichterstatter João Pimenta Lopes (GUE/NGL) betont, dass er nicht nur die Probleme benennen, sondern auch die Ursachen erkunden möchte. Er fordert konkrete Maßnahmen, die einhergehen müssen mit Investitionen in Soziales, Aufwertung der Beschäftigungsverhältnisse, Verbesserung der Lebensbedingungen und einer angemessenen Sexualerziehung. Auch wenn der FEMM Ausschuss mit 17 Pro-Stimmen und 5 Gegenstimmen ein klares Zeichen für eine progressive Frauenpolitik gesetzt hat, bleibt der bittere Beigeschmack, dass die Entschließung lediglich Empfehlungen an die Mitgliedsstaaten ausspricht. Es liegt nun an bestehenden und neuen Frauenrechtsorganisationen und Protestbewegungen sich Gehör zu verschaffen und Druck auf allen Ebenen aufzubauen.
Weiterführende Informationen:
Die feministische Perspektive auf die Finanz- und Wirtschaftskrise
Die geschlechtsspezifischen Folgen der Finanzkrise
Gleichstellungspolitik in der Krise