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ZurückBereits seit 1999 verhandeln die EU und die Mercosur-Staaten (Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay) ein Abkommen. Nun konnte eine politische Einigung erzielt werden und die Vertragstexte wurden veröffentlicht. Die Arbeiterkammer (AK) spricht sich gegen das Abkommen aus.
Die EU-Kommission betont die Wichtigkeit des Abkommens, von dem 780 Millionen Menschen betroffen sind, da es in Zeiten von internationalen Handelsspannungen ein Bekenntnis zu einem regelbasierten Handelssystem ist. Neben dem Abbau der Zölle auf Industrie- und Agrarprodukte sieht das Abkommen auch eine Liberalisierung von Dienstleistungen und der öffentlichen Auftragsvergabe vor. In den veröffentlichten Vertragstexten bekennen sich zudem alle Vertragsparteien zur Förderung von Nachhaltigkeit und dem Schutz von Umweltstandards, Arbeits- und Menschenrechten. Trotz diesem Bekenntnis steht die AK dem Abkommen kritisch gegenüber, nicht zuletzt aufgrund der massiven Verschlechterung der menschenrechtlichen Situation in Brasilien.
Menschen- und Arbeitsrechte in Gefahr
In einem von AK Präsidentin Renate Anderl und ÖGB Präsident Wolfgang Katzian unterzeichneten Brief bezieht die AK zum geplanten Abkommen Stellung und warnt insbesondere vor zunehmenden Menschenrechtsverletzungen und Angriffen auf Minderheiten, LGBTIQ und die indigene Bevölkerung in Brasilien, die unter dem seit Jänner 2019 amtierenden rechtsextremen Präsidenten Jair Bolsonaro zu beobachten sind. Auf Soja- und Zuckerrohrplantagen und Rinderfarmen herrschen teils sklavenähnliche Arbeitsbedingungen und es gibt Berichte über Verstöße gegen die ILO-Kernarbeitsnormen. Bolsonaro hat außerdem angekündigt, jegliche Form von Aktivismus beenden zu wollen, wodurch die Arbeit von NGOs und Gewerkschaften massiv eingeschränkt wird und eine reale Gefahr vor Verfolgung droht.
Abholzung des Regenwalds
Bolsonaro, der mit dem Austritt aus dem Pariser Klimaschutzabkommen droht, stellt sich zudem auf die Seite der mächtigen Agrar- und Sojakonzerne und ebnet ihnen den Weg zur Abholzung des Regenwalds: Allein im Juni 2019 wurde in Brasilien 60 % mehr Regenwald abgeholzt als im Juni des Vorjahres. Insgesamt wurden im Juni 2019 762 Quadratkilometer gerodet, das entspricht der nicht ganz doppelten Fläche von Wien. Mit der Rodung des Regenwalds geht nicht nur einer der artenreichsten Lebensräume weltweit verloren, sondern sie ist auch ein irreversibler Rückschritt im Kampf gegen den Klimawandel.
Nachhaltigkeitskapitel ohne effektive Konsequenzen
Im veröffentlichten Nachhaltigkeitskapitel verpflichten sich zwar EU und die Mercosur-Staaten zur Einhaltung des Pariser Klimaschutzabkommens, der ILO-Konventionen und anderer Richtlinien zum Schutz von Arbeits- und Menschenrechten und der Umwelt. Allerdings gilt für dieses Kapitel, im Gegensatz zum restlichen Abkommen, ein speziellen Streitbeilegungsverfahren, welches zunächst Konsultationen auf Regierungsebene und im nächsten Schritt die Prüfung eines unabhängigen ExpertInnengremiums vorsieht. Somit gibt es im Falle von Verstößen gegen Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards keine effektiven Konsequenzen wie etwa Sanktionen, kritisiert die AK.
Gefahr für europäische KonsumentInnen
Aus KonsumentInnenperspektive ist die Situation rund um die Liberalsierungen im Agrar- und Lebensmittelbereich bedenklich. Denn die Hygienestandards in den Mercosur-Staaten sind bei weitem nicht so streng wie in der EU. Insbesondere in der Fleischindustrie werden auch Antibiotika verwendet, die in der EU nicht zugelassen sind. Anders als in der EU können in den Mercosur-Staaten alle Substanzen auf den Markt gebracht werden, solange es keine Beweise gibt, dass diese schädlich sind, erklärt AK-Experte Valentin Wedl, der das Abkommen in der jetzigen Form ablehnt.
Nächsten Schritte
Bevor es zum Abschluss des Abkommens kommt, erfolgt zunächst eine rechtliche Prüfung des Verhandlungstextes sowie eine Übersetzung in alle Amtssprachen der EU. Anschließend muss auch das EU-Parlament darüber abstimmen. Der Teil des Abkommens, in dem es um Investitionsgerichte geht, muss außerdem von den EU-Mitgliedsstaaten ratifiziert werden. In der Zwischenzeit formt sich eine breite Protestbewegung gegen das MERCOSUR-Abkommen: so fordern mehr als 340 Organisationen, darunter die AK, den Stopp der Verhandlungen.
Weitere Informationen:
AK EUROPA: Handelsabkommen mit Brasilien: Menschenrechte und Umwelt müssen geschützt werden!
AK EUROPA: EU-Handelspolitik: Erwartungen für die neue Legislaturperiode
Gemeinsamer Brief von AK und ÖGB zu EU-MERCOSUR Handelsabkommen
MERCOSUR: Warum die AK das Handelsabkommen ablehnt