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ZurückNach 22 Jahren steht wieder eine Frau an der Spitze des Europäischen Parlaments: Roberta Metsola ist mit absoluter Mehrheit zur neuen Präsidentin gewählt worden. Aus österreichischer Sicht ist besonders erfreulich, dass neben dem EVP-Abgeordneten Othmar Karas auch die S&D-Abgeordnete und Gewerkschafterin Evelyn Regner zu einer der 14 Vizepräsident:innen gewählt wurde.
Am 18. Jänner 2022 wählten die Mitglieder des Europäischen Parlaments Roberta Metsola von der Europäischen Volkspartei zur Präsidentin für die zweite Hälfte der laufenden Wahlperiode. Mit 458 von 616 abgegebenen Stimmen erreichte Metsola im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit. Die aus Malta stammende Konservative ist die dritte Frau in dieser Position und mit 43 Jahren die jüngste Präsidentin der Geschichte. Metsola folgt David Sassoli, der am 11. Jänner 2022 kurz vor Ende seiner regulären Amtszeit im Alter von nur 65 Jahren gestorben ist. Neben Metsola standen noch Alice Bah Kuhnke von den schwedischen Grünen und die spanische Abgeordnete der Linken, Sira Rego, zur Wahl. Zu den Aufgaben der Präsidentin zählt unter anderem die Leitung aller Tätigkeiten des Plenums, die Ordnungswahrung während der Sitzungen und Unterzeichnung von Gesetzen.
Zwei Vizepräsident:innenposten für Österreich
Neben der Präsidentin wurden vom Parlament auch die insgesamt 14 Vizepräsiden:innen gewählt. Dabei ist erfreulich, dass zwei österreichische Abgeordnete zu Vizepräsident:innen gewählt wurden: Neben dem EVP-Abgeordneten Othmar Karas, der diese Funktion bereits von 2012 bis 2014 innehatte und erneut seit Juli 2019 Vizepräsident ist, wurde Evelyn Regner, S&D-Abgeordnete und Vorsitzende des Parlaments-Ausschusses für die Rechte der Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter, erstmals zur Vizepräsident:in gewählt. Sie bezeichnet sich als glühende Gewerkschafterin und engagiert sich vor allem für Steuergerechtigkeit und für die Rechte von Arbeitnehmer:innen und Frauen in der EU: „Als Vizepräsidentin will ich mich besonders für ein transparentes und diverses EU-Parlament einsetzen. Ein EU-Parlament, das als Arbeitgeber allen Menschen die gleichen Chancen bietet und Europas Vielfalt abbildet.“
Prioritäten der neuen Parlamentspräsidentin
Die neu gewählte Parlamentspräsidentin Metsola gibt sich selbst als Verfechterin des Rechtsstaats und als Kämpferin gegen Korruption. Ihre Prioritäten will sie auch auf die Senkung der Kohlendioxidemissionen, Digitalisierung der Wirtschaft, Stärkung des Militärs und auf der strengeren Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit in der EU legen. Bei ihrer ersten Rede vor dem Parlament forderte Metsola, dass keine Anstrengung gescheut werden dürfe, um EU-Bürger:innen wieder für das Europäische Projekt zu begeistern. Dabei stehe der Konferenz zur Zukunft Europas besondere Bedeutung zu. Auch die Gleichstellung der Geschlechter betrachtet sie prioritär, denn „vor 22 Jahren wurde Nicole Fontaine zur Präsidentin gewählt, 20 Jahre nach Simone Veil, und es wird keine weiteren zwei Jahrzehnte dauern, bis die nächste Frau hier steht!“
Metsola auch polarisierend
Jedoch ist Metsola mit ihren Standpunkten unter Parlamentarier:innen nicht unumstritten: Sie setzt sich zwar einerseits für die Rechte der LGBTQIA+ Community ein, spricht sich aber vehemente gegen Abtreibung aus. So lehnte Metsola mehrere Berichte und Entschließungen ab, die den Zugang zu sicheren Abtreibungsdiensten forderten und gesetzgeberische Maßnahmen zur Einschränkung dieses Zugangs verurteilten. Gerade aufgrund des neuen restriktiven Abtreibungsgesetzes in Polen ist das ein sehr brisantes Thema in der EU.
Kritik an politischer Abmachung
Im Zuge der Vorbereitungen für die Präsidentschaftswahl wurde auch Kritik am Modus laut, da der Wechsel der Präsidentschaft von den Sozialdemokrat:innen zu den Christdemokrat:innen politisch vereinbart worden war. Bei der Bekanntgabe der neu gewählten Präsidentin bezeichnete der Ko-Vorsitzende der Grünen-Fraktion, Philippe Lamberts, die Wahl der Präsidentin als nicht ruhmreich für das Parlament. So schade die Vereinbarung zwischen den großen Fraktionen bezüglich der Verteilung von Posten den kleinen Fraktionen. Er forderte Metsola daraufhin auf, eine Reform der Geschäftsordnung der Statuten des Parlaments einzuführen und in den Rechtstexten die Minderheitenrechte festzuschreiben.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: David-Maria Sassoli neuer EU-Parlamentspräsident
EU-Parlament: Roberta Metsola zur neuen Präsidentin des Europäischen Parlaments gewählt