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ZurückUnterbrochene Lieferketten führten während der Coronapandemie zu einem Mangel an Halbleiterchips. Dies hat in einer Vielzahl von Sektoren zur Schließung von Fabriken geführt und die Bedeutung von Halbleitern für die gesamte europäische Industrie und Gesellschaft verdeutlicht. Mit dem nun präsentierten Vorschlag für ein Europäisches Chip-Gesetz möchte die EU-Kommission die europäische Halbleiterindustrie unabhängiger machen.
Die EU-Kommission präsentierte am 8. Februar 2022 ihren Vorschlag für ein Europäisches Chip-Gesetz, welches ihr zufolge die Widerstandsfähigkeit und die technologische Souveränität der EU im Bereich der Halbleitertechnologien und -anwendungen stärken soll. Nachdem in der Vergangenheit die Mittel überwiegend in die Forschung flossen, sollen mit dem Maßnahmenpaket zukünftig verstärkt direkte Beihilfen für die Stärkung der europäischen Halbleiterindustrie möglich sein.
Europas Abhängigkeiten verringern
Die EU-Kommission erwartet sich, gemeinsam mit den EU-Mitgliedstaaten und internationalen Partner:innen bis 2030 mehr als 43 Mrd Euro an privaten und öffentlichen Geldern zur Stärkung der Halbleiterindustrie mobilisieren zu können. Um Europas Ziele für die digitale Dekade zu erreichen, soll der derzeitige Anteil am Weltmarkt bis 2030 auf 20 % verdoppelt werden. Das Europäische Chip-Gesetz soll es der EU ermöglichen, sich im Bereich fortgeschrittener Chips an die Weltspitze zu setzen. Dadurch soll die Abhängigkeit der europäischen Industrie von Halbleiterimporten einiger weniger Hersteller:innen verringert werden.
Europas Ressourcen bündeln und Innovationen fördern
Das Maßnahmenpaket der EU-Kommission – bestehend aus einer Mitteilung, zwei Verordungsvorschlägen und einer Empfehlung – beinhaltet die Initiative „Chips für Europa“, mit der die Ressourcen der EU, der Mitgliedstaaten und der an bestehenden Unionsprogrammen beteiligten Drittländer sowie des Privatsektors gebündelt werden sollen. Um dies zu erreichen, sieht der Vorschlag die strategische Neuausrichtung des bestehenden Gemeinsamen Unternehmens für digitale Schlüsseltechnologien vor. Ferner stellt die EU-Kommission zur Einrichtung von Pilotanlagen für die Erprobung von Prototypen und die Skalierung von Innovationen 11 Mrd Euro bereit. Neben einem neuen Rahmen zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit soll Start-ups der Zugang zu Finanzmitteln durch einen Chip-Fonds erleichtert werden. Zudem soll ein Mechanismus für die Koordinierung zwischen der EU-Kommission und den Mitgliedstaaten dazu dienen, das Angebot an Halbleitern zu überwachen, die Nachfrage abzuschätzen und so Engpässe zu bekämpfen.
Technologischen Autonomie Europas braucht gesellschaftliche Einbindung
Die Fraktionen im EU-Parlament begrüßten ausdrücklich das von der EU-Kommission vorgelegte Europäische Chip-Gesetz. Die S&D Fraktion betrachtet das Gesetzgebungspaket als einen wichtigen Schritt hin zu mehr technologischer Autonomie Europas. Allerdings gilt es nicht nur, die Abhängigkeit Europas bei Halbleitern zu verringern, sondern auch die Investitionen auf europäischer und nationaler Ebene zu erhöhen, um so auch kleine und mittlere Unternehmen zu erreicht. Die europäische Linke spricht sich für eine regional geförderte Verzahnung von Wissenschaft, Industrie und Politik sowie für die Knüpfung der Subventionen an Sozial- und Umweltziele aus. Die EVP betont, dass das europäische Chipgesetz auf der wissenschaftlichen Exzellenz Europas aufbauen soll, um Chips für die Zukunft zu sichern, einschließlich des damit verbundenen Wirtschaftswachstums. Dies sei insbesondere vor dem Hintergrund der Abhängigkeit einiger europäischer Sektoren von Chips von außerhalb der EU dringend notwendig.
Auch aus AK-sicht ist es grundsätzlich zu begrüßen, auf europäischer Ebene in Schlüsseltechnologien eine eigenständige Position und Unabhängigkeit zu sichern und insbesondere in Hochtechnologiebereichen, Know-How und Produktion wieder verstärkt in Europa selbst zu etablieren. Eine diesbezügliche Politik muss jedoch in eine gesamte Industrie- und Strukturwandelpolitik im Sinne eines sozial-ökologischen Wandels eingebettet sein. Der alleinige Fokus auf die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen wäre eine verpasste Chance. Industriepolitik braucht gesellschaftliche Einbindung, beispielsweise der Beschäftigten und ihrer Vertretungen, im Sinne einer sozial-ökologischen Wende.
Wie geht es weiter?
Das EU- Parlament und der Rat der EU werden den neuen Vorschlag der EU-Kommission zu einem europäischen Chips-Gesetz innerhalb ihrer Institutionen erörtern und eine gemeinsame Position erarbeiten. Sobald die Verordnung von beiden EU-Organen verabschiedet wurde, gilt sie unmittelbar in der gesamten EU.
Weiterführende Informationen:
A&W Blog: Chip, Chip, Hurra? Lehren der aktuellen Chipkrise
Europäische Kommission: Europäisches Chip-Gesetz – Fragen und Antworten
Europäische Kommission: European Chips Act