Nachrichten
ZurückNie wieder Alkohol! Zu diesem Schluss kommen viele, die an den Feiertagen zu tief ins Glas geschaut haben und nun die Folgen spüren. Oft folgt darauf der Vorsatz, den ganzen Jänner auf Alkohol zu verzichten. Doch der „Dry January“ ist leichter gesagt als getan, denn Alkohol hat in unserer Gesellschaft einen hohen Stellenwert. Das ist auch auf den Einfluss der Alkoholindustrie auf die Gesetzgebung zurückzuführen. Politische Entscheidungsträger:innen sollten aber vor allem dafür sorgen, dass Lebensmittel für die Konsument:innen sicher sind. Dazu gehört auch, dass alkoholische Getränke zuverlässig gekennzeichnet werden. Damit befasste man sich kürzlich im Rahmen einer Veranstaltung im EU-Parlament.
Die Veranstaltung Alcohol Labeling - The Right to Know, mit welcher die Vertreter:innen der European Alcohol Policy Alliance (Eurocare) die Aufmerksamkeit der politischen Entscheidungsträger:innen auf das Thema lenken wollten, fand während der European Awareness Week on Alcohol Related Harm statt. Zusätzlich wurde eine temporäre Ausstellung im EU Parlament gezeigt. Dort wurden die Besucher:innen nicht nur mit Fakten über alkoholbedingte Schäden konfrontiert, sondern auch über die aktuelle rechtliche Lage der Kennzeichnungspflicht von alkoholischen Getränken informiert. Die Ausstellung wurde von Vytenis Povilas Andriukaitis, EU-Abgeordneter (S&D) und ehemaliger EU-Kommissar für Gesundheit, eröffnet. Beim anschließenden Empfang riefen die Mitveranstalter:innen von der United European Gastroenterology (UEG), der European Association for the Study of the Liver (EASL), Green Crescent, EuroHealthNet und dem WHO-Regionalbüro für Europa zu politischem Handeln auf. In seiner Rede fand der Präsident von Eurocare, Peter Rice, auch lobende Worte für die jüngsten Entwicklungen in Irland, das 2023 als erstes EU-Land eine umfassende Kennzeichnung für alkoholische Getränke eingeführt hat.
Ernüchternde Tatsache: Europa hat ein Alkoholproblem
Der Alkoholkonsum ist im europäischen Raum tief verwurzelt. In vielen europäischen Ländern ist Alkohol fester Bestandteil des sozialen Lebens und bei Feierlichkeiten kaum wegzudenken. Damit verbunden sind aber auch gesundheitliche und soziale Probleme wie Alkoholabhängigkeit und -missbrauch. Nach Angaben des WHO European Framework for Action on Alcohol ist Alkoholkonsum jedes Jahr für einen von zehn Todesfällen in der Europäischen Region verantwortlich, was einer Gesamtzahl von fast einer Million entspricht. Demnach besteht auch ein starker Zusammenhang zwischen Alkoholmarketing und Alkoholkonsum, wobei junge Menschen besonders gefährdet sind. In der Oslo Declaration fordern führende Gesundheitsorganisationen die Mitgliedstaaten unter anderem dazu auf, Maßnahmen gegen diese gezielte Vermarktung von Alkoholprodukten zu setzen.
Die Bedeutung, die alkoholischen Getränken in einigen Mitgliedstaaten beigemessen wird, zeigt sich unter anderem darin, dass es in der EU geographische Ursprungsbezeichnungen gibt, die das Ansehen, eine bestimmte Qualität oder ein sonstiges Merkmal dieser Produkte schützen (z.B. bei Wein). Dass Alkohol in der EU insgesamt ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor ist, verdeutlichen auch die Exportzahlen: Allein zwischen Jänner 2024 und September 2024 wurden Wein und weinhaltige Produkte im Wert von mehr 12,6 Mrd. Euro, Bier, Cider und andere Getränke im Wert von 8,3 Mrd. Euro und Spirituosen und Liköre im Wert von 6,5 Mrd. Euro aus der EU exportiert. In allen Fällen zeigt die Handelsbilanz einen deutlichen Überschuss.
Wie stark ist der politische Wille, alkoholbedingte Schäden zu verringern?
Wie Eurocare in seinem Positionspapier zur Alkoholkennzeichnung feststellt, kennzeichnen Getränkehersteller ihre Softdrinks korrekt, geben also Zutaten und Nährwerte auf der Verpackung an. Enthält ein Getränk mehr als 1,2 Volumenprozent Alkohol, fehlen diese Angaben. Das hat den Grund, dass alkoholische Getränke über diesem Wert von der EU-Verordnung zur Information der Verbraucher über Lebensmittel (FIC) ausgenommen sind. Ein Widerspruch, der auch der EU-Kommission bewusst ist: Im Jahr 2017 kam sie zu dem Schluss, dass sie keine objektiven Gründe für die derzeitige Ausnahme alkoholischer Getränke von der Kennzeichnungspflicht finden könne. Im Rahmen des Europäischen Plans zur Krebsbekämpfung, der im Februar 2021 angenommen wurde, hat die Kommission daher präventive Maßnahmen zur Verringerung der durch schädlichen Alkoholkonsum verursachten Krebserkrankungen vorgeschlagen und die Überarbeitung der bestehenden EU-Verordnung in Aussicht gestellt. Geplant war, separate Vorschläge für die Einführung der verpflichtenden Angabe der Inhaltsstoffe auf den Etiketten aller alkoholischen Getränke bis Ende 2022 und für Gesundheitswarnungen auf den Etiketten bis Ende 2023 vorzulegen. Beides ist bisher nicht geschehen.
Was letztlich kam, sind digitale Etiketten, zumindest für Wein. Die Verordnung zur Weinkennzeichnung, welche am 8. Dezember 2023 in Kraft getreten ist, beinhaltet die Angabe der Kcal auf der Flasche und den Rest der Nährwertangaben zur selbstständigen Ermittlung durch die Konsument:innen via QR-Code. Während digitale Etiketten die Verfügbarkeit von Produktinformationen erleichtern können, stehen sie auch in der Kritik, vor allem dann, wenn sie die direkte Kennzeichnung auf der Verpackung ersetzen sollen. Digitale Kompetenzen, Internetzugang und Handybesitz sind nur einige der Bedingungen, die dazu führen können, Konsument:innen vom Recht auf Information auszuschließen.
Starke Lobby. Der große Einfluss der Alkoholindustrie auf die Gesetzgebung
Die Lobbyarbeit der Alkoholindustrie ist nicht zu unterschätzen. Eine Studie über deren Einfluss auf nationale Gesundheitspolitiken zeigt, dass mehr als die Hälfte (55,2%) von 212 untersuchten Stellungnahmen, die von Mitgliedstaaten bei den Treffen des Ausschusses für technische Handelshemmnisse (TBT Committee) der Welthandelsorganisation (WTO) zu Alkoholkennzeichnungsinitiativen einzelner Mitgliedstaaten (u.a. Thailand, Israel, Türkei, Mexiko, Indien, Irland, Südkorea) vorgebracht wurden, auf Argumente der Alkoholindustrie zurückzuführen waren. Der Studie zufolge würde die Alkohollobby Schäden infolge von Alkoholkonsum in Zweifel ziehen, gegen potenziell wirksame Maßnahmen argumentieren und die Vorteile eines „moderaten Konsums“ betonen. Kurz gesagt, die Alkohollobby würde die Verantwortung allein bei den Verbraucher:innen sehen.
Es ist nicht verwunderlich, dass sich die Alkoholindustrie gegen eine Kennzeichnungspflicht für alkoholische Getränke wehrt. Angesichts der gesundheitlichen und sozialen Folgeschäden des Alkoholmissbrauchs wären diese jedoch von Vorteil. Da der Einfluss der Alkoholindustrie Maßnahmen gegen die Folgeschäden des Alkoholkonsums massiv behindern würde, sind manche der Ansicht, dass ein internationaler Rahmen ähnlich dem Rahmenübereinkommen der WHO zur Eindämmung des Tabakkonsums, der den Ausschluss der Tabakindustrie von der Politikgestaltung vorschreibt, auch im Hinblick auf die Alkohollobby sinnvoll wäre.
Konsument:innen müssen wissen, was drin ist!
Die AK unterstützt die verpflichtende Kennzeichnung von alkoholischen Getränken und erkennt das Recht der Konsument:innen an, informierte Entscheidungen zu treffen. Konsument:innen dürfen nicht im Unklaren gelassen werden und müssen zu jedem Zeitpunkt nachvollziehen können, was in ihren Getränken enthalten ist. Die AK fordert daher genaue Nährwertangaben auf der Vorderseite aller verpackten Lebensmittel, einschließlich alkoholischer Getränke.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: Bessere Kennzeichnungspflichten für EU-Lebensmittel
AKEUROPA: Better Food Information for better Health of Humans and the Planet (nur Englisch)
EU-Kommission: Europäische Plan zur Krebsbekämpfung
WHO: European Framework for Action on Alcohol 2022-2025 (nur Englisch)
Oslo Declaration: Towards reducing alcohol harms (nur Englisch)
EASL: Policy Statement on Reducing Alcohol Harms 2023 (nur Englisch)
Eurocare: Alcohol Labelling & Health Warnings (nur Englisch)
EU Parliament: Briefing on Alcohol Labelling (nur Englisch)