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ZurückÜber den Omnibus I, mit welchem die EU-Kommission vorgeschlagen hat, die EU-Lieferkettenrichtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD) erheblich einzuschränken, wird derzeit im EU-Parlament intensiv verhandelt. Dass auch das EU-Parlament für eine Verwässerung der CSDDD stimmen wird, zeichnet sich bereits im Vorfeld der Abstimmung ab. Dies ist sehr bedauerlich: Wie eine neue Studie unter Leitung von Prof. Johannes Jäger zeigt, böte die CSDDD die Chance, Menschenrechte durchzusetzen und gleichzeitig die europäische Wirtschaft zu stärken. Wird eine Verwässerung der CSDDD durch den Omnibus I beschlossen, würden die erwarteten positiven Auswirkungen wegfallen oder zumindest deutlich reduziert werden.
Darüber, wie genau das EU-Lieferkettengesetz ausgestaltet sein soll, wird derzeit intensiv im EU-Parlament verhandelt. Basis der Verhandlungen ist der Berichtsentwurf von MdEP Jörgen Warborn (EVP). Kernthemen der Diskussionen sind unter anderem, welche Unternehmen vom EU-Lieferkettengesetz umfasst sein sollen, ob ein Klimaübergangsplan erstellt werden muss, oder ob es ein zivilrechtliches Haftungsregime bei Rechtsverstößen geben wird. Strittig ist auch die Einbeziehung von Stakeholdern, etwa Gewerkschaften und NGOs und ob eine risikobasierte Sorgfaltspflicht für die Lieferkette eingeführt wird oder sich die Sorgfaltspflicht auf direkte Geschäftspartner beschränken soll.
Erhebliche Rückschritte beim EU-Lieferkettengesetz zu befürchten
Wie drastisch die Rückschritte beim EU-Lieferkettengesetz werden, hängt davon ab, welche Mehrheiten letztlich im EU-Parlament gefunden werden. Geplant ist, dass am 13. Oktober im JURI-Ausschuss und am 20. Oktober im Plenum des EU-Parlaments abgestimmt wird, um in der Folge die Trilogverhandlungen zu beginnen. Der Rat hat bereits im Juni seine Position festgelegt. Wie in nachfolgender Übersicht ersichtlich ist, schlagen der Rat und der Berichtsentwurf von EP-Berichterstatter MdEP Warborn sogar noch weitergehende Änderungen bei der CSDDD vor, die zu noch deutlicheren Rückschritten als im Omnibus I Kommissionsvorschlag führen würden.
Themenbereiche |
Aktuelle CSDDD |
Omnibus I Kommissionsvorschlagl |
Position Rat |
Warborn Berichtsentwurf (EP) |
Anwendungsbereich |
EU-Unternehmen mit > 1000 Mitarbeiter:innen und weltweitem Nettoumsatz von > 450 Mio Euro
Nicht-EU-Unternehmen mit EU-Nettoumsatz von > 450 Mio Euro |
Keine Änderungen vorgesehen |
EU-Unternehmen mit > 5000 Mitarbeiter:innen und weltweitem Nettoumsatz von > 1,5 Mrd Euro
Nicht-EU-Unternehmen mit EU-Nettoumsatz von > 1,5 Mrd Euro |
EU-Unternehmen mit > 3000 Mitarbeiter:innen und weltweitem Nettoumsatz von > 450 Mio Euro
Keine Änderungen für Nicht-EU-Unternehmen angegeben |
Sorgfaltspflichten |
Risikobasierte Sorgfaltspflicht in Bezug auf eigene Aktivitäten, Tochtergesellschaften und Geschäftspartner in den Aktivitätsketten.
- Mapping der eigenen Aktivitäten - Eingehende Bewertung |
1. Keine Änderung der Mapping-Phase
2. Eingehende Bewertung: Der Fokus wird auf die eigenen Aktivitäten des Unternehmens sowie auf die seiner Tochtergesellschaften und direkten Geschäftspartner (Tier 1) beschränkt. |
1. Übersicht verschaffen („scoping“) über eigene Aktivitäten des Unternehmens sowie auf die seiner Tochtergesellschaften und direkten Geschäftspartner (Tier 1) – basierend auf vernünftigerweise verfügbaren Informationen.
2. Eingehende Bewertung auf Grundlage der Ergebnisse des Scoping. |
Deutlich reduzierter risikobasierter Fokus bei der eingehenden Bewertung nur auf direkte Geschäftspartner. |
Zivilrechtliche Haftung |
Spezifische EU-weite Haftungsregelung: Unternehmen können für Schäden haftbar gemacht werden, die aus ihrer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung ihrer Sorgfaltspflichten zur Verhinderung oder Beendigung nachteiliger Auswirkungen resultieren.
Das zivilrechtliche Haftungsrecht der Mitgliedstaaten hat Vorrang, wenn andernfalls ausländisches Recht zur Anwendung käme.
Die Mitgliedstaaten müssen den Zugang zum Recht gewährleisten. |
Entfällt: - die EU-weite Regelung zur zivilrechtlichen Haftung, - die zwingende Anwendung der zivilrechtlichen Haftung, - die Bestimmung zur Vertretungsklage durch Dritte.
Jede Angelegenheit wird an die Mitgliedstaaten delegiert. |
Wie im Vorschlag der Kommission |
Wie im Vorschlag der Kommission |
Übergangsplan für den Klimawandel |
Unternehmen müssen einen Übergangsplan zur Eindämmung des Klimawandels (CTP) verabschieden und umsetzen. |
Annahme erforderlich, aber keine Verpflichtung zur Umsetzung von CTPs (Umsetzungsmaßnahmen sollten in CTPs enthalten sein) |
Annahme erforderlich, aber keine Verpflichtung zur Umsetzung von CTPs |
Alle Bestimmungen im Zusammenhang mit CTPs gestrichen |
Quelle: Gekürzte Übersicht aus der Studie „Wirtschaftliche Effekte der EU-CSDDD unter Berücksichtigung des Omnibus-Prozesses“ von Prof. Johannes Jäger (u.a.) (siehe ausführliche Liste auf Seite 16-21 der Studie)
Studie: CSDDD fördert Menschenrechte und Wettbewerbsfähigkeit
Die Studie über die wirtschaftlichen Auswirkungen der EU-CSDDD bewertet die zu erwartenden Folgen des Omnibus-Prozesses und analysiert die Positionen der EU-Kommission, des Rates und des Berichtsentwurfs von MdEP Warborn. Dabei kommt die Studie zu dem Schluss, dass durch die CSDDD in der aktuellen Fassung erhebliche positive Auswirkungen auf die wirtschaftliche Wohlfahrt im Globalen Süden und positive Auswirkungen für die europäische Wirtschaft zu erwarten sind. Stärken würde die CSDDD die Position der Arbeitnehmer:innen nicht nur im Globalen Süden, sondern auch in der EU. Primärer Fokus der CSDDD ist der Schutz der Menschenrechte ist, doch stellt sie auch kein Hindernis für die Wettbewerbsfähigkeit dar und würde die europäische Wirtschaft fördern. Etwa fördere die Richtlinie zukunftsorientierte Spezialisierung, die dazu beiträgt, auf Unternehmensebene Gewinne zu erzielen und positive Ausstrahlungseffekte für die Gesamtwirtschaft erzeugt. Auch würde durch die CSDDD ein neuer globaler Standard geschaffen und dadurch ein entscheidender Schritt hin zu verbindlichen internationalen Sozial- und Umweltvorschriften gemacht, welche die langfristige Wirtschaftsleistung Europas verbessern würden.
Schwächung der CSDDD verringert positive Effekte erheblich
Die Schwächung der CSDDD durch die vorgeschlagene Omnibus-Richtlinie, einschließlich einer erheblichen Verringerung der Anzahl der Unternehmen, die der Gesetzgebung unterliegen, würde die positiven wirtschaftlichen Auswirkungen der CSDDD deutlich reduzieren. Auch jene Bestimmungen der aktuellen Omnibus-Vorschläge der Kommission, des Rates und des Berichtsentwurfs des JURI-Ausschusses des EU-Parlaments, welche die Sorgfaltspflichten weitgehend auf direkte Geschäftspartner beschränken und die Bestimmungen zur zivilrechtlichen Haftung schwächen, dürften die Wirksamkeit der CSDDD drastisch verringern.
Insgesamt – so Studienautor Prof. Johannes Jäger in einer unter anderem von CIDSE und dem EGB organisierten, dieswöchigen Veranstaltung im EU-Parlament – untergraben die Omnibus-Vorschläge die Wirksamkeit der CSDDD. Sie verursachen ähnliche Kosten, ohne dass sich daraus nennenswerte reale Vorteile ergeben. Die Position der EU als globaler Standardsetzer in Sachen Wettbewerbsfähigkeit aufzugeben, birgt, so Jäger, die Gefahr, eine strategische Chance für die europäische Wirtschaft zu verpassen und Unternehmen dem unlauteren Wettbewerb durch ausländische Unternehmen auszusetzen, die Sozial- und Umweltdumping betreiben. Im Hinblick auf die anstehenden Abstimmungen im EU-Parlament und die darauf folgenden Trilog-Verhandlungen, ergibt sich aus der Studie ein dringlicher Appell an einer CSDDD mit hohen Standards festzuhalten.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: Economic effects of the EU CSDDD considering the Omnibus process (Nur Englisch)
ETUC: New study launched on the economic benefits of the corporate sustainability due diligence directive (Nur English)
CIDSE: Ökonomische Auswirkungen der EU-CSDD unter Berücksichtigung des Omnibus-Prozesses
AK EUROPA: Nachhaltigkeits-Omnibus. Vereinfachung der Lieferkettenrichtlinie oder Abschwächung von Menschenrechtsverpflichtungen?
AK EUROPA: Rules to Protect. Kritik an den Omnibus-Paketen der Kommission und Alternativen zur Deregulierung
AK EUROPA: Omnibus I