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ZurückNach den Erfahrungen der Finanz- und Wirtschaftskrise stehen Statistiken bei den PolitikerInnen nun hoch im Kurs: Mit dem Kommissionspräsidenten Barroso, Kommissar Potocnik und Kommissar Rehn referierten gleich drei Kommissionsmitglieder bei der vom Europäischen Statistikamt organisierten Veranstaltung zum Thema „Statistics for policymaking“. Die Statistikdiskussion weist insbesondere deswegen Brisanz auf, weil nun die Weichen gestellt werden, welche Statistiken und Indikatoren für die großen EU-Themenbereiche EU 2020-Strategie und die Economic Governance herangezogen werden sollen.
Kommissionspräsident Barroso wies in seiner Eröffnungsrede auf die wichtige Rolle des Europäischen Statistikamtes Eurostat hin. Die Krise habe nun eine Stärkung von Eurostat möglich gemacht. Viele Probleme hätten vermieden werden können, wäre Eurostat bereits früher entsprechend gestärkt worden. Eine hohe Qualität der Statistiken sei mit der EU 2020-Strategie und der Economic Governance noch wichtiger geworden. Kommissar Potocnik ergänzte, dass Eurostat eine wichtige Rolle habe, Daten als Grundlage für Politikentscheidungen zu liefern.
Der belgische Finanzminister Didier Reynders betonte, dass es wichtig sei, geeignete Maßnahmen zu den strukturellen Herausforderungen wie der demografischen Veränderung oder der Ressourcenknappheit zu finden. Auch Einkommensverteilungsaspekte müssten stärker berücksichtigt werden. Für die politische Entscheidungsfindung seien qualitativ hochwertige Statistiken notwendig. Mihaly Verga, ein Vertreter der ungarischen Präsidentschaft kritisierte, dass die StatistikerInnen nicht in der Lage gewesen wären, PolitikerInnen über die Entwicklungen zu warnen. Nun seien innovative Lösungen gefragt. Darüber hinaus sollten StatistikerInnen gegen den Einfluss der Politik geschützt werden.
Der Vertreter des niederländischen Wirtschaftsministeriums Berthold Leeftink kritisierte, dass viele Statistiken wenig aussagekräftig wären. Beispielsweise Spanien und Irland hätten vor der Krise eine sehr niedrige öffentliche Verschuldung gehabt, diese Zahlen hätten jedoch keine Voraussagekraft gehabt. Es müssten neue Indikatoren geschaffen werden, so Leeftink. Die Lohnstückkosten als Indikator begrüßte er, was ihm aber sogleich Kritik von einem Vertreter des Europäischen Gewerkschaftsinstituts einbrachte, der ihn fragte, ob sich die Niederlande bei den Lohnstückkosten nun an Bulgarien orientieren wollten. Diese belaufen sich nur auf ein Viertel des niederländischen Niveaus.
Beachtlich war der Vortrag des stellvertretenden Generalsekretärs Padoan von der OECD: Kennzahlen seien ihm zufolge genügend vorhanden nur würden sie teilweise unterschätzt, teilweise auch nicht verstanden. Es fehle insbesondere an einer statistischen Basis zu den sozialen Konsequenzen der Krise. Beispielsweise seien Jugendliche besonders von der Krise getroffen worden, es müsse auch mehr Untersuchungen zu Armut und zum Vertrauen der Bevölkerung geben. Im Industriesektor oder der Produktion gebe es mehr als ausreichend Statistiken, aber nur sehr wenig über den Wohlstand der Bevölkerung, so Padoan.
John Landefeld vom US-Wirtschaftsministerium äußerte sich zu den verfügbaren US-Statistiken kritisch. Zwar stünden in den USA viele Daten zur Verfügung, wichtige Statistiken fehlen aber laut seiner Aussage. Die Immobilienkrise wäre vorhersehbar gewesen. Das habe sich beispielweise am Verhältnis von Hauskosten zum Einkommen und den Schulden zum Einkommen gezeigt, die beide in wenigen Jahren stark gestiegen seien. Bei der Einkommensverteilung zeige sich stark, dass es ein Ungleichgewicht gebe: Während das US-BIP zwischen 2000 und 2007 im Durchschnitt um 2,4 % gewachsen sei, sei das Medianeinkommen der US-Haushalte nur um 1,2 % gestiegen. Finanzdaten zu Credit Default Swaps, Hedgefonds und dergleichen fehlen teilweise völlig so Landefeld.
Viele weitere RednerInnen machten auf die Wechselwirkung zwischen Politik und Statistik aufmerksam. Ein Vortragender appellierte, dass PolitikerInnen zumindest ein Grundwissen von Statistik haben sollten; Ein anderer meinte, dass PolitikerInnen simple Botschaften haben wollten. Die Qualität der Statistiken müsse hoch sein, die Daten müssen rascher verfügbar sein. Man müsse den Statistiken auch trauen können.
Abschließend informierte der Generaldirektor von Eurostat, Walter Radermacher, dass es auf der Eurostat-Homepage bereits einen eigenen Link zu „Europa 2020-Indikatoren“ gebe. Allgemein forderte er präzise Daten, man solle auch auf die Primärquellen schauen. Das Vertrauen in die Statistiken sei äußert wichtig. Daher appellierte er auch für mehr Transparenz: Nicht nur die Daten sollen veröffentlicht werden, sondern auch das Design der Indikatoren solle dargestellt werden. Bezüglich der aufgeworfenen Frage der Kosten für die Erstellung von Indikatoren und Statistiken forderte er mehr Effizienz ein, wodurch Kosten gespart werden könnten.
Kommissar Rehn unterstrich in seinem Abschlussstatement, dass zuverlässige und richtige Statistiken nötig seien. Diese seien die Grundlage für die Economic Governance und die EU-2020-Strategie, so der Wirtschaftskommissar.
Es bleibt abzuwarten, ob sich Politik und Statistikämter nun verstärkt Wohlstandsindikatoren und den bisher vernachlässigten Finanzmarktdaten widmen werden, wie von einigen Vortragenden gefordert. Hoffnung geben die sechs Prioritäten der EU 2020-Strategie und dem von Eurostat eingerichteten Link zu entsprechenden EU 2020-Kennzahlen. Besorgniserregend hingegen sind Äußerungen der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel und anderer PolitikerInnen, die Lohnstückkosten als das Maß aller Dinge betrachten.
Weiterführende Informationen:
Programm und Präsentationen zur Eurostat-Konferenz (nur auf Englisch verfügbar)
Europa 2020 Indikatoren von Eurostat
Der belgische Finanzminister Didier Reynders betonte, dass es wichtig sei, geeignete Maßnahmen zu den strukturellen Herausforderungen wie der demografischen Veränderung oder der Ressourcenknappheit zu finden. Auch Einkommensverteilungsaspekte müssten stärker berücksichtigt werden. Für die politische Entscheidungsfindung seien qualitativ hochwertige Statistiken notwendig. Mihaly Verga, ein Vertreter der ungarischen Präsidentschaft kritisierte, dass die StatistikerInnen nicht in der Lage gewesen wären, PolitikerInnen über die Entwicklungen zu warnen. Nun seien innovative Lösungen gefragt. Darüber hinaus sollten StatistikerInnen gegen den Einfluss der Politik geschützt werden.
Der Vertreter des niederländischen Wirtschaftsministeriums Berthold Leeftink kritisierte, dass viele Statistiken wenig aussagekräftig wären. Beispielsweise Spanien und Irland hätten vor der Krise eine sehr niedrige öffentliche Verschuldung gehabt, diese Zahlen hätten jedoch keine Voraussagekraft gehabt. Es müssten neue Indikatoren geschaffen werden, so Leeftink. Die Lohnstückkosten als Indikator begrüßte er, was ihm aber sogleich Kritik von einem Vertreter des Europäischen Gewerkschaftsinstituts einbrachte, der ihn fragte, ob sich die Niederlande bei den Lohnstückkosten nun an Bulgarien orientieren wollten. Diese belaufen sich nur auf ein Viertel des niederländischen Niveaus.
Beachtlich war der Vortrag des stellvertretenden Generalsekretärs Padoan von der OECD: Kennzahlen seien ihm zufolge genügend vorhanden nur würden sie teilweise unterschätzt, teilweise auch nicht verstanden. Es fehle insbesondere an einer statistischen Basis zu den sozialen Konsequenzen der Krise. Beispielsweise seien Jugendliche besonders von der Krise getroffen worden, es müsse auch mehr Untersuchungen zu Armut und zum Vertrauen der Bevölkerung geben. Im Industriesektor oder der Produktion gebe es mehr als ausreichend Statistiken, aber nur sehr wenig über den Wohlstand der Bevölkerung, so Padoan.
John Landefeld vom US-Wirtschaftsministerium äußerte sich zu den verfügbaren US-Statistiken kritisch. Zwar stünden in den USA viele Daten zur Verfügung, wichtige Statistiken fehlen aber laut seiner Aussage. Die Immobilienkrise wäre vorhersehbar gewesen. Das habe sich beispielweise am Verhältnis von Hauskosten zum Einkommen und den Schulden zum Einkommen gezeigt, die beide in wenigen Jahren stark gestiegen seien. Bei der Einkommensverteilung zeige sich stark, dass es ein Ungleichgewicht gebe: Während das US-BIP zwischen 2000 und 2007 im Durchschnitt um 2,4 % gewachsen sei, sei das Medianeinkommen der US-Haushalte nur um 1,2 % gestiegen. Finanzdaten zu Credit Default Swaps, Hedgefonds und dergleichen fehlen teilweise völlig so Landefeld.
Viele weitere RednerInnen machten auf die Wechselwirkung zwischen Politik und Statistik aufmerksam. Ein Vortragender appellierte, dass PolitikerInnen zumindest ein Grundwissen von Statistik haben sollten; Ein anderer meinte, dass PolitikerInnen simple Botschaften haben wollten. Die Qualität der Statistiken müsse hoch sein, die Daten müssen rascher verfügbar sein. Man müsse den Statistiken auch trauen können.
Abschließend informierte der Generaldirektor von Eurostat, Walter Radermacher, dass es auf der Eurostat-Homepage bereits einen eigenen Link zu „Europa 2020-Indikatoren“ gebe. Allgemein forderte er präzise Daten, man solle auch auf die Primärquellen schauen. Das Vertrauen in die Statistiken sei äußert wichtig. Daher appellierte er auch für mehr Transparenz: Nicht nur die Daten sollen veröffentlicht werden, sondern auch das Design der Indikatoren solle dargestellt werden. Bezüglich der aufgeworfenen Frage der Kosten für die Erstellung von Indikatoren und Statistiken forderte er mehr Effizienz ein, wodurch Kosten gespart werden könnten.
Kommissar Rehn unterstrich in seinem Abschlussstatement, dass zuverlässige und richtige Statistiken nötig seien. Diese seien die Grundlage für die Economic Governance und die EU-2020-Strategie, so der Wirtschaftskommissar.
Es bleibt abzuwarten, ob sich Politik und Statistikämter nun verstärkt Wohlstandsindikatoren und den bisher vernachlässigten Finanzmarktdaten widmen werden, wie von einigen Vortragenden gefordert. Hoffnung geben die sechs Prioritäten der EU 2020-Strategie und dem von Eurostat eingerichteten Link zu entsprechenden EU 2020-Kennzahlen. Besorgniserregend hingegen sind Äußerungen der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel und anderer PolitikerInnen, die Lohnstückkosten als das Maß aller Dinge betrachten.
Weiterführende Informationen:
Programm und Präsentationen zur Eurostat-Konferenz (nur auf Englisch verfügbar)
Europa 2020 Indikatoren von Eurostat