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ZurückDie Sicherstellung fairer Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt und die Schließung bestehender Regelungslücken waren das erklärte Ziel, als die EU-Kommission ihren Verordnungsvorschlag über drittstaatliche Subventionen vorlegte, die den Binnenmarkt verzerren. Nun liegt der politische Kompromiss zwischen Rat und EU-Parlament vor. Eine erste Bilanz fällt gemischt aus.
Positiv an der Einigung hervorzuheben ist, dass die europäischen Institutionen (Parlament, Rat, Kommission) die Problematik von finanziellen Zuwendungen von Drittstaaten an Unternehmen, die in der EU tätig sind, erkannt haben. Dementsprechend ist die vorliegende Verordnung ein richtiger Schritt in Richtung eines “level playing field“ für alle im EU-Binnenmarkt tätigen Unternehmen. Denn derzeit gibt es im Hinblick auf Nicht-EU-Länder faktisch keine Kontrollen in Bezug auf gewährte Subventionen an in der EU tätige Unternehmen. Ein Wettbewerb auf Augenhöhe ist dadurch erschwert, worunter europäische Unternehmen und Arbeitnehmer:innen leiden.
Eckpunkte der Verordnung und Bewertung
Die Verordnung zu Drittstaatssubventionen betrifft insbesondere subventionierte Unternehmenskäufe sowie die Vergabe öffentlicher Aufträge an subventionierte Bieter. In diesen Bereichen sind bei Erreichen festgelegter Schwellenwerte Melde- und Prüfpflichten im Vorhinein vorgesehen. Für alle anderen Marktsituationen sowie für die unterhalb der Schwellenwerte liegenden Bereiche sind, sofern die Subventionen binnenmarktrelevant sind, im Nachhinein Kontrollen vorgesehen.
Meldeschwellen für Melde- und Prüfpflicht sehr hoch
Durch die hohen Schwellenwerte werden bedauerlicher Weise nur sehr große Fälle vorweg geprüft. Drittstaatliche Unternehmenserwerbe unterliegen nur dann einer Meldepflicht und Vorabprüfung durch die EU-Kommission, sofern der Umsatz des Zielunternehmens im vorangegangenen Jahr 500 Mio Euro übersteigt, und die beteiligten Unternehmen drittstaatliche Subventionen von mehr als 50 Mio Euro in den letzten drei Kalenderjahren vor der Anmeldung erhalten haben. Im Bereich öffentlicher Auftragsvergaben und Konzessionen ist eine ex-ante Melde- und Prüfpflicht nur dann erforderlich, wenn der Auftragswert mehr als 250 Mio Euro beträgt und zusätzlich drittstaatliche Subventionen in Höhe von mindestens 4 Mio Euro pro Drittstaat innerhalb der letzten 3 Jahre vor der Anmeldung vorliegen.
Vollzug ausschließlich bei der EU-Kommission – Prüfmaßstab begrenzt auf den Wettbewerbsaspekt
Der Vollzug der Verordnung liegt ausschließlich bei der Kommission. Sie hat umfassende Befugnisse, wie etwa das Auskunftsersuchen an Unternehmen, die Durchführung von Nachprüfungen und die Einleitung von Marktuntersuchungen zu bestimmten Sektoren. Dabei kann sich die Kommission auch auf Marktinformationen stützen, die von den Mitgliedstaaten, natürlichen oder juristischen Personen oder Verbänden vorgelegt werden.
Die von der Kommission verhängten Geldbußen bei Pflichtverletzungen können bis zu 10 % des Gesamtumsatzes betragen und letztlich kann die Kommission einen subventionierten Unternehmenserwerb oder die Vergabe eines öffentlichen Auftrags an den subventionierten Bieter unter Auflagen genehmigen (z.B. Rückzahlungsverpflichtung, Veräußerung bestimmter Vermögenswerte, Reduktion von Kapazitäten, Verzicht auf bestimmte Investitionen) bzw ein Verbot des subventionierten Erwerbes oder die Untersagung der Zuschlagserteilung im Vergabeverfahren aussprechen.
Aus AK-Sicht greift jedoch zu kurz, dass der Prüfungsmaßstab der Kommission ausschließlich der Wettbewerbsaspekt durch drittstaatlich subventionierte Unternehmen ist. Aspekte der Beschäftigungs- und Versorgungssicherheit, technologische Unabhängigkeit sowie industriepolitische Zielsetzungen des Bieters, wie von der AK gefordert, sind keine ausgewiesenen Prüffaktoren.
Drittstaatliche Subventionen auf „finanzielle Zuwendungen“ beschränkt
Die Kommission untersucht ausschließlich finanzielle Zuwendungen an Unternehmen durch Drittstaaten. Wettbewerbsverzerrung kann aber auch dann vorliegen, wenn Drittstaaten nicht gegen Verletzungen von Mindeststandards einschreiten (zB Nichteinhaltung von internationalen Mindestarbeitsnormen und Umweltstandards). Eine von der Arbeitnehmer:innenseite geforderte breitere Definition von „Drittstaatlichen Subventionen“ wurde im politischen Prozess nicht aufgegriffen.
Ist das Glas nun halb voll oder halb leer?
Angesichts des Umstandes, dass Drittstaatssubventionen bislang wettbewerblich unkontrolliert waren, ist die nun vorliegende Verordnung ein wichtiger Meilenstein in Richtung eines faireren Wettbewerbs im Binnenmarkt. Die am Beginn des Prozesses geweckten Erwartungen kann die Verordnung leider nicht erfüllen, weil einerseits durch die hohen Schwellenwerte nur wenige große Fälle vorab geprüft werden, andererseits wichtige Aspekte wie etwa nicht finanzielle Subventionen ausgeklammert bleiben und der Prüfmaßstab lediglich auf das Vorliegen von Marktverzerrung fokussiert. Die Antwort auf die Frage, ob das Glas nun halb voll oder halb leer ist, kann nur die Praxis zeigen, insbesondere ob es gelingt, mögliche Umgehungen zu vermeiden. Dafür bedarf es einer raschen Erarbeitung von Leitlinien und Klarstellungen durch die Kommission.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: Verordnung über binnenmarktverzerrende ausländische Subventionen