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ZurückGeschätzt 12 Millionen Pakete kommen täglich auf dem Luftweg in der EU an. Der rasant steigende E-Commerce-Handel hat erhebliche ökologische Auswirkungen und führt auch dazu, dass immer mehr nicht-konforme und gefährliche Produkte auf dem europäischen Markt landen. Bei einem vom europäischen Verbraucher:innenverband BEUC organisierten Besuch auf einem der wichtigsten Cargo-Flughäfen Europas verdeutlichte sich, wie schwierig die Kontrolle und Sanktionen bei unsicheren Produkten, Fälschungen, unterdeklarierten Waren und Betrug in der Praxis tatsächlich sind.
Über 70 Prozent der Konsument:innen kaufen regelmäßig in Online-Shops sowie auf Online-Marktplätzen, etwa Amazon, Temu oder Shein. Eine von der AK in Auftrag gegebene Studie zu Amazon.de kam schon 2021 zu dem Ergebnis, dass fast jeder zweite Händler auf dem deutschen Portal aus China stammt und Konsument:innen oftmals eigentlich nicht wissen, wo sie einkaufen. Obwohl 93 Prozent der Konsument:innen der Meinung sind, dass Produkte, die auf Online-Marktplätzen verkauft werden, sicher sein und den gesetzlichen Anforderungen der EU entsprechen sollten, ist oftmals das Gegenteil der Fall. Wie auch AK-Tests im Bereich Kinderspielzeug bei den Billig-Onlineshops Temu, Wish und Shein gezeigt haben, verkaufen diese etwa gefährliches Spielzeug, das verschluckbare Kleinteile enthält, Grenzwerte überschreitet oder eine Vergiftungsgefahr birgt.
Auch die ökologische Bilanz des E-Commerce-Handels fällt äußerst negativ aus: Neben dem Anstieg von Emissionen durch Luftfracht und Expresslieferdienste kommt es etwa zu hohen Kosten bei der Abfallentsorgung des Verpackungsmaterials oder von kurzlebigen Produkten.
Augenschein vor Ort am Cargo-Flughafen Liège
Der Flughafen Liège ist eines der wichtigsten E-Commerce-Drehkreuze Europas, von wo aus Waren in viele EU-Länder weiterversandt werden. Die Zahl der ankommenden Pakete ist in den letzten Jahren stark angestiegen: Im Jahr 2023 wurden dort 400 Millionen Pakete abgefertigt, 2025 sollen es bereits 1,4 Milliarden sein, die meisten davon aus China. Bei der Kontrolle kommt den Zollbehörden eine Schlüsselrolle zu. Sie stehen allerdings vor großen Herausforderungen: Nur 0,005 Prozent der Pakete können kontrolliert werden, obwohl es weit verbreitete Probleme mit unsicheren Produkten, Fälschungen, zu niedrig deklarierten Warenwerten und Betrug gibt. Dies ist auch den belgischen Behörden bewusst. Im Unterschied zur stark ansteigenden Anzahl der eintreffenden Pakete wurde der Personalstand in den letzten Jahren jedoch nicht erhöht. Im Jahr 2024 waren lediglich 67 Prüfer:innen der belgischen Zollbehörden für die Prüfung von mehr als einer Milliarde Paketen zuständig. Durch die geplante umfassende Erweiterung des Flughafens in den kommenden Jahren könnten sich diese Probleme sogar noch weiter verschärfen, sofern der Personalstand nicht erheblich erhöht wird.
Durch genaue Risikoanalysen wird seitens der Zollbehörden entschieden, welche Produkte kontrolliert werden. Monatlich werden so etwa 1.000 Fälle von Fälschungen aufgedeckt. Eine grundlegende Schwierigkeit für die Prüfer:innen besteht jedoch schon im Zugang zu Daten über die importierten Produkte. Selbst wenn Rechtsverstöße festgestellt werden können, ist es oft nicht möglich jemanden zur Verantwortung zu ziehen. Bewusst werden komplexe und undurchsichtige Lieferketten mit Drop-Shippern, Lieferanten und Spediteuren gewählt und Tricks verwendet, um die Behörden zu täuschen, etwa um den Zollwert fälschlich niedriger anzugeben oder vom Zoll benötigte Daten zu verschleiern. Zollbeamt:innen berichteten auch, dass es durchaus üblich ist, dass illegale Produkte, die an ihren Herkunftsort zurückgeschickt wurden, innerhalb kurzer Zeit in einem anderen Flugzeug wieder auftauchen. Manchmal machte man sich nicht einmal die Mühe, die Aufkleber „nicht konform”, die der belgische Zoll auf das Paket geklebt hatte, zu entfernen.
Verhandlungen zum EU-Zollkodex
In Reaktion auf die Probleme im E-Commerce-Handel hat die EU-Kommission im Mai 2023 einen Vorschlag für die Reform des EU-Zollkodex vorgelegt. Seit Juli 2025 laufen dazu die interinstitutionellen Trilogverhandlungen, mit dem Ziel, diese noch bis Ende 2025 abzuschließen. Mit dem Vorschlag soll eine neue EU-Zollbehörde und ein EU-Zoll-Datenhub geschaffen werden. Dadurch sollen unseriöse Händler leichter identifiziert und die Zusammenarbeit der Behörden verbessert werden.
Die EU-Kommission geht davon aus, dass derzeit bis zu 65 Prozent der in die EU eingeführten Pakete unterbewertet sind, um Einfuhrzölle zu vermeiden. Daher soll auch die derzeitige Schwelle von 150 Euro für eine zollfreie Einfuhr abgeschafft werden – 80 Prozent der Pakete unter 150 Euro sollen aus China kommen. Die europäische Verbraucher:innenorganisation BEUC fordert im Rahmen der Zollreform die Einführung eines zweistufigen Sanktionssystems, mit einer Haftung der Online-Marktplätze und Sanktionen bei Nichtkonformität. Andernfalls sei zu befürchten, dass weiterhin absichtlich Falschangaben gemacht werden, da derzeit keine Sanktionen vorgesehen sind und eine erneute Einreichung des Zollformulars möglich ist.
Weiterführende Informationen:
AK Wien: Gefangen im Netz von Amazon
AK Oberösterreich: AK-Test: Billig-Onlinehops Temu, Wish & Shein verkaufen gefährliches Spielzeug
BEUC: e-commerce: new challenges for the sustainable transition (Nur Englisch)
BEUC: Ticking all the boxes for consumers in the EU Customs Reform (Nur Englisch)
BEUC: Under the Microscope: Tests of Temu Products by Consumer Groups (Nur Englisch)
MEP Anna Cavazzini: Shein, Temu und Co. - Produktsicherheit im Online-Handel durchsetzen
vzbv: Online-Shopping: Verbraucher:innen erwarten sichere Produkte