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Eine von der Oesterreichischen Nationalbank in der Ständigen Vertretung Österreichs in Brüssel organisierte Podiumsdiskussion stand unter dem Zeichen der Überwindung der Rezession. Während die Kommission wie immer davon sprach, dass nun die Wettbewerbsfähigkeit wieder erhöht werden müsse, präsentierten zwei der Vortragenden Lösungsansätze, um Europa möglichst rasch aus der Rezession herauszuführen.
Jürgen Kröger von der Kommission stellte zu Beginn den gegenwärtigen Stand der Wirtschaftskrise dar und machte darauf aufmerksam, dass es in der EU sogar Mitgliedsländer wie Irland gibt, die einen im zweistelligen Prozentbereich liegenden Einbruch beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) verzeichnen müssen. Auch den meisten anderen EU-Staaten gehe es nicht gut.

Kröger sieht die Notwendigkeit der Währungsaufwertung bei Ländern mit einem Leistungsbilanzüberschuss, während Staaten mit Leistungsbilanzdefiziten abwerten sollten. Länder, die abwerten, sollten darüber hinaus eine straffe Geldpolitik vorsehen. Anpassungen bei Unternehmen und Haushalten sollten vorgenommen werden.

Eine besondere Herausforderung sieht er in der bald notwendigen Reduzierung der Haushaltsdefizite, denn dies würde auch niedrigere verfügbare Einkommen im Privatsektor bedeuten. Eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der EU-Wirtschaft könnte in einigen Ländern zu Beschränkungen beim Einkommen führen.

Hans-Helmut Kotz von der Deutschen Bundesbank sieht in der derzeitigen Rezession keinen typischen Konjunkturzyklus; die Probleme seien strukturell begründet. Während er zum Beispiel bei den Übernachteinlagen der Banken bei der Europäischen Zentralbank schon fast wieder ein Niveau wie vor der Krise sieht, macht Kotz auf das rasche Ansteigen der Staatsschulden aufmerksam: Die USA dürften dieses Jahr ein Defizit von rund 14 % erreichen, der Schuldenstand gehe von 60% des BIP auf über 100 % hinauf. In Deutschland sei ein Anstieg der Schulden auf 80 % des BIP zu erwarten.

Jacques Delpla, Mitglied des Rates für Wirtschaftsanalysen in Frankreich, schlägt die Schaffung eines gemeinschaftlichen paneuropäischen Staatsanleihenmarktes vor. Derzeit sei der Markt für Staatsanleihen im Euroraum zersplittert – es gäbe 16 verschiedene Anleihenmärkte. Dadurch käme es zu Liquiditätsengpässen für kleinere Länder wie Österreich oder Finnland. Trotz guter Bonität müssten diese Länder dadurch Zinsaufschläge für ihre Anleihen zahlen.

Delpla schlägt daher folgende Neuerung vor: Für bis zu 40 % des Eurozonen-BIPs sollen Staatsanleihen mit einer Eurozonen-Garantie ausgegeben werden (so genannte Blue Debts). Diese Anleihen wären für kleinere Mitgliedstaaten durch die niedrigere Verzinsung wesentlich günstiger als bisher. Für Anleihen, die für die Finanzierung von Staatsschulden darüber hinaus notwendig sind, sollen weitere nationale Staatsanleihen begeben werden (Red Debts). Für diesen Teil der Anleihen wären weiterhin entsprechend höhere Zinszahlungen zu erwarten.

Franz Nauschnigg, Vertreter der Österreichischen Nationalbank, vertritt die Ansicht, dass die Finanzmärkte insbesondere durch den Kollaps von Lehman Brothers und der Finanzkrise Islands und Ungarns im 3. Quartal 2008 unter großen Druck kamen. Darüber hinaus standen die Währungen einiger zentral- und südosteuropäischen Länder unter Druck. Erst kürzlich hatte Lettland mit derartigen Problemen zu kämpfen.

Nauschnigg sieht einige positive Schritte auf EU-Ebene, um die Finanzkrise zu bekämpfen. So vereinbarten die Premiers am Europäischen Rat, die Zahlungsbilanzhilfe um 50 Mrd. € zu erhöhen; weitere 75 Mrd. € sollen von der EU beigesteuert werden, um den Internationalen Währungsfonds zu stärken. Die Finanzmärkte sollen besser reguliert und überwacht werden. Trotzdem sieht er weiterhin bestehende Probleme: Die Fiskalpolitik einiger osteuropäischer Staaten wäre prozyklisch ausgerichtet, was zu einer weiteren Verschärfung der Rezession führt. Viele dieser Staaten haben kaum Spielraum für eine antizyklische Geldpolitik, die Wechselkursvolatilität wäre ebenfalls problematisch.

Die Vorschläge vom Repräsentanten der Österreichischen Nationalbank beinhalten unter anderem die Erhöhung der Steuer auf Fremdwährungskredite und die Einführung einer Kreditwachstumsstabilisierungssteuer: Die Einnahmen sollen in einen Stabilisierungsfonds fließen, aus dem in Krisenzeiten antizyklische Maßnahmen finanziert werden könnten. Auf Ebene der Euroregionen sollen 200 Mrd. € für die Ankurbelung der Konjunktur zur Verfügung gestellt werden, für EU-Mitglieder außerhalb der Euroregion weitere 50 Mrd. €. Ebenfalls 50 Mrd. € sollen für nicht EU-Länder in der Europäischen Wirtschaftszone vorgesehen werden. Ebenso wie Delpla setzt er sich für die Schaffung eines EU-weiten Anleihenmarktes ein.

Die Umsetzung dieser durchaus überlegenswerten Vorschläge liegt in der Hand der EU-Institutionen. Die Zeichen auf Kommissionsebene stehen aber schlecht: Aussagen verschiedener Kommissare deuten bereits auf ein Wiederaufleben liberaler Wirtschaftskonzepte hin. Nur wenige Monate nach Beginn der Finanzkrise sieht die Kommission das Heil wieder in der Selbstregulierung der Märkte.