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Nachdem am 22. Februar 2018 der Kommissionsvorschlag für eine neue Richtlinie zu transparenten und verlässlichen Arbeitsbedingungen erstmals im Beschäftigungsausschuss des Europäischen Parlaments vorgestellt wurde, fand diese Woche (15. Mai) eine öffentliche Anhörung mit VertreterInnen der europäischen Sozialpartner statt. Der Kommissionvorschlag, der in Überarbeitung der bisherigen Nachweisrichtlinie striktere Informationspflichten sowie mehrere arbeitsrechtliche Mindeststandards vorsieht, wurde vom Europäischen Gewerkschaftsbund und mehreren Abgeordneten — trotz bestehenden Nachbesserungsbedarf— grundsätzlich begrüßt.

 

Wiebke Warneck, leitende Rechtsexpertin im Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB), begrüßte den Kommissionsvorschlag als wichtigen Schritt zur weiteren Ausgestaltung der „europäischen Säule sozialer Rechte“. Insbesondere die geplante Ausweitung des Geltungsbereichs auf atypisch und prekär Beschäftigte sowie die Streichung der zweimonatigen Frist zur Vorlage der (Mindest-)Informationspflichten durch die ArbeitgeberInnen bewertete sie als Fortschritte. Deutlichen Nachbesserungsbedarf identifizierte Warneck jedoch bei den arbeitsrechtlichen Mindeststandards: Etwa müssten sogenannte Nullstundenverträge EU-weit verboten werden. Nachbesserungsbedarf erkannte sie auch bei der Haftungsfrage im Bereich der Arbeitsverhältnisse in der Plattformwirtschaft. Bei der Arbeitszeit sollte durch Verankerung einer Nicht-Rückschritts-Klausel eine Verschlechterung verboten werden. Warneck forderte die EntscheidungsträgerInnen zu einem schnellstmöglichen Abschluss der Richtlinie auf, auf jeden Fall noch vor Ende der Legislaturperiode im Mai 2019.

 

Die anwesenden Vertreter von Business Europe und der österreichischen Wirtschaftskammer betrachteten den Vorschlag hingegen als zu weitgehend. Nils Trampe (Business Europe) kritisierte zum einen die fehlende Praxisnähe: So widerspräche etwa die Streichung der zweimonatigen Informationsfristen nach Dienstantritt dem gängigen Vorgehen, Verträge in den ersten Arbeitswochen noch nachzuverhandeln. Die Richtlinie beträfe vorwiegend europäische FacharbeiterInnen, weshalb die Abwanderung bzw. Outsourcing durch Unternehmen mit hohem FacharbeiterInnenbedarf drohen könnte. Rudolf Gleißner von der österreichischen Wirtschaftskammer (WKÖ) erkannte im Richtlinienvorschlag schwere rechtliche Mängel: Die vorgesehene weite ArbeitnehmerInnenbegriff auf EU-Ebene bedeute einen massiven Eingriff in nationales Recht, mit unschätzbaren Folgen, etwa dann, wenn nationale und supranationale ArbeitnehmerInnenbegriffe „aufeinanderprallen“.

 

Seitens der EU-Abgeordneten sprach sich im Rahmen der Anhörung eine Mehrheit der RednerInnen für eine Nachschärfung des Kommissionsvorschlags aus. Agnes Jongerius (S&D) wies – mit Blick auf die Kritik der Wirtschaftsseite – etwa darauf hin, dass die weite Defintion des ArbeitnehmerInnenbegriffes des Richtlinienvorschlages bereits der heutigen Judikatur des europäischen Gerichtshofs (EuGH) entspreche. Thomas Mann (EPP) forderte im Sinne der Säule sozialer Rechte einen europäischen „Mindestkorridor“ für Arbeitsbedingungen zu schaffen. Den Kündigungsschutz sah er als wichtigsten Punkt der Richtlinie. Enrique Calvet Chambon, EP-Berichterstatter und Mitglied der ALDE-Fraktion, betonte aber auch die Schwierigkeiten beim Verfassen der EP-Stellungnahme zur Richtlinie, da es ein breites Spektrum von Positionen gebe.

 

Position der Arbeiterkammer

So wie der europäische Gewerkschaftsbund begrüßt auch die Arbeiterkammer die Ausweitung der Informationspflichten, die ArbeitnehmerInnendefinition, welche auch bisher von der Nachweis-Richtlinie nicht erfasste Beschäftigungsverhältnisse umfasst, weniger Ausnahmen vom Geltungsbereich sowie verbesserte Rechtsdurchsetzungsmechanismen.

 

Dennoch ist aus Sicht der AK das vorgesehene Schutzniveau für ArbeitnehmerInnen insgesamt deutlich zu wenig ambitioniert. So ist etwa eine Höchstdauer einer Probezeit von sechs Monaten viel zu hoch angesetzt. Der Mindeststandard zur kostenlosen Weiterbildung ist nur auf den für den/die Arbeitgeber/in obligatorischen Bereich der Weiterbildung bezogen. Und ein Anspruch darauf, auf das Ersuchen um eine andere Beschäftigungsform eine schriftliche Antwort zu erhalten, kann wohl kaum als starkes soziales Recht bezeichnet werden. Zudem würden die Regelungen zur Mindestplanbarkeit der Arbeit in der derzeitigen Form die Zulässigkeit von Arbeit auf Abruf – einschließlich sogenannter Null-Stunden-Verträge – einschränken, aber diese implizit auf europäischer Ebene legitimieren. Notwendig ist vielmehr ein generelles EU-weites Verbot von Arbeit auf Abruf.

 

Weiterführende Informationen:

AK-Positionspapier: Transparente und verlässliche Arbeitsbedingungen in der EU

A&W-Blog: Atypische und prekäre Arbeitsbedingungen auf der EU-Agenda: Aussicht auf sozialen Fortschritt?

AK EUROPA: Transparente und verlässliche Arbeitsbedingungen: Aussprache zur neuen Richtlinie mit Beschäftigungskommissarin Marianne Thyssen im EU-Parlament

Video EP EMPL-Hearing 15. Mai 2018

Pressemitteilung der Kommission zum Richtlinienvorschlag