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ZurückAm Dienstag, dem 18. Oktober wurde in der voll besuchten Podiumsdiskussion debattiert, ob das neue Investment Court System (ICS), das die EU-Kommission für CETA vorschlägt, die Probleme des bestehenden ISDS-System lösen wird. Nathalie Bernasconi-Osterwalder vom International Institute for Sustainable Development bezweifelte das in ihrem Keynote-Vortrag zu Beginn. Das ICS sei weiterhin eine Sonderjustiz für die Interessen von InvestorInnen, denn diese müssten nicht vorher den regulären, im Gastland vorgesehenen Rechtsweg ausschöpfen, bevor sie es nutzen könnten, wie es bei anderen internationalen Gerichten üblich ist (z.B. beim EuGH oder EGMR). Damit erhielten ausländische InvestorInnen ein Recht, das inländische nicht haben – ohne jedoch im Gegenzug bestimmte Pflichten auferlegt zu bekommen.
Der österreichische Nationalratsabgeordnete Jan Krainer ergänzte dazu die Bedenken aus der österreichischen Diskussion. Zunächst sei es fragwürdig, dass nur Investitionen diesen besonderen Schutz genießen sollten, aber weiterhin nicht die Rechte der ArbeitnehmerInnen oder Umweltschutzstandards unter dem ICS eingeklagt werden können. Eben diese Regulierungsmaßnahmen könnten damit untergraben werden, was eine weitere Sorge darstelle. Außerdem sehe er den Bedarf nicht, da sowohl in der EU als auch in Kanada gut ausgebildete Rechtssysteme bestehen, an die sich Unternehmen wenden können – doch mit den Schiedsgericht bekommen diese ein einseitiges Werkzeug, um ihre Interessen durchzusetzen.
Kommission: ICS kann Basis für internationales Handelsgericht werden
Colin Brown, der für die Europäische Kommission wesentlich am ICS mitgearbeitet hat, betonte jedoch, dass das ein „komplett neues System“ sei. Es etabliere erstmals eine Berufungsinstanz für Urteile und klare Verhaltenskodizes für die RichterInnen, die außerdem die gleichen Qualifikationen aufweisen wie jene von EuGH, IStGH oder EGMR – wobei auch diese Befähigung der RichterInnen von KritikerInnen als nicht ausreichend angesehen wird, da diese Befähigung schließlich in jedem Land unterschiedlich ist und somit kein einheitlicher rechtsstaatlicher Standard gilt. Brown argumentierte hingegen, damit werde die Grundlage für einen multilateralen Handelsgerichtshof geschaffen, da das ICS auch für andere, bereits bestehende Investitionsabkommen übernommen werden könne, die bislang das ISDS-System nutzen. Ebenfalls verteidigt wurde das ICS von Luisa Santos, die Business Europe vertrat und meinte, Unternehmen sehen das ICS als Möglichkeit, ISDS zu modernisieren. Allerdings sehe auch sie Probleme, wenn auch aus anderer Perspektive: Dass die RichterInnen von Regierungen ernannt würden, anstatt wie bisher von den Streitparteien, berge die Gefahr von Einseitigkeit. Auch die neue Regel, dass jene Partei, die ein Verfahren verliert, auch die Rechtskosten der Gewinnerin zu tragen habe, missfiel Santos, denn das könnte Unternehmen, vor allem Klein- und Mittelbetriebe, abschrecken, ihr Recht einzuklagen.
Abgeordneter: ICS bringt Rechtsniveau des 18. Jahrhunderts, nicht des 21.
Anders argumentierte Magda Stoczkiewicz, die Direktorin von Friends of the Earth Europe. Sie erwähnte, dass auch Länder schon aus ISDS wieder ausgestiegen sind, etwa Südafrika, ohne dass danach die Investitionen zurückgegangen wären. Außerdem sei unklar, was passiere, wenn der EuGH nachträglich das ICS für unzulässig erkläre. Kurz gesagt seien die Risiken des ICS groß, die Vorteile aber nur für große Unternehmen vorhanden. Der weitere Verlauf der Diskussion zeigte, dass es weiterhin sehr unterschiedliche Ansichten gibt, was genau der Investitionsschutz in CETA bedeutet, weshalb die Bedenken und die Kritik bestehen blieben. Der Abgeordnete Krainer fasste es damit zusammen, dass das ICS zwar besser sei als das ISDS-System, es dadurch jedoch noch nicht gut werde. Wenn ISDS dem Rechtsniveau des 15. Jahrhunderts entspreche, so erreiche man mit dem ICS das späte 18. – es braucht aber ein System für das 21. Jahrhundert.
Weiterführende Informationen:
Präsentation zum Keynote-Vortrag von Nathalie Bernasconi-Osterwalder (Englisch)